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Berlin: „Wir haben einen deutlichen Rückgang von Straftaten“ Die Justiz kümmert sich seit einem Jahr verstärkt um kriminelle Jugendliche. Senatorin Schubert und Oberstaatsanwalt Schweitzer ziehen Bilanz

Intensivtäter sind Jugendliche, die in kurzer Zeit viele oder besonders brutale Straftaten begehen. Die geraten seit nun einem Jahr immer an dieselben Staatsanwälte.

Intensivtäter sind Jugendliche, die in kurzer Zeit viele oder besonders brutale Straftaten begehen. Die geraten seit nun einem Jahr immer an dieselben Staatsanwälte. Was sind Ihre Erfahrungen mit der personalisierten Strafverfolgung?

Schweitzer: Durchweg positiv. Die Verfolgung von Straftaten ist deutlich schneller und konzentrierter als vorher. Wir arbeiten eng mit einem polizeilichen Sachbearbeiter zusammen. Wir haben von den 158 Intensivtätern 100 angeklagt. 40 sind verurteilt. Dabei sind Freiheitsstrafen bis zu fünfeinhalb Jahren verhängt worden. Dass so viele von der Straße sind, ist der Polizei zufolge schon spürbar. Wir haben einen deutlichen Rückgang von Straftaten in bestimmten Kiezen.

Was verbindet diese Jugendlichen?

Schubert: Sie haben mindestens zehn Straftaten in einem Jahr begangen. Oder sie haben die Tendenz zu stärkerer Brutalität. Wir wollten die erreichen, bei denen zu erkennen war, dass ihre Entwicklung immer krimineller wurde. Zu den sozialen Merkmalen gehört besonders die Brutalität. Wenn wir junge Täter haben, die so brutale Straftaten begehen, dass gar keine Hemmschwelle mehr zu erkennen ist, frage ich mich, wer versagt hat. Ob es die Eltern waren oder die Schule, mag dahinstehen. Die Justiz kommt dann gar nicht drum herum, Erziehung nachzuholen – Erziehung zu einem straffreien Leben. In zweiter Linie geht es natürlich auch darum, die Gesellschaft vor diesen Jugendlichen zu schützen.

Ist der Aufwand bei der Strafverfolgung größer als sonst üblich ?

Schubert: Der Aufwand ist deutlich größer. Deshalb müssen wir uns sagen lassen, dass die hier eingesetzten Kräfte anderswo fehlen. Doch die Aufgabe besteht darin, schon richtig kriminelle Jugendliche davon abzuhalten, die Gesellschaft weiter zu stören. Diese Aufgabe erfordert viel Personal.

Sind Polizisten und Staatsanwälte die Ersten, die diesen Tätern Grenzen setzen?

Schubert: Zuerst sollen die Jugendbehörden tätig werden mit Familien- und Erziehungshilfe. Ich glaube, dass bei Auffälligkeiten ein ganz frühzeitiges Einschreiten, am besten im Kindergartenalter, erforderlich ist. Es gibt eine Arbeitsgruppe, an der Jugendbehörden, Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Vollzugsanstalten beteiligt sind. Die geballte Erfahrung von Staatsanwaltschaft und Gericht mit Intensivtätern erleichtert den Jugendbehörden die Arbeit.

Wenn es um das Grenzensetzen geht: Warum nicht früher damit anfangen, um früher Erfolg zu haben? Warum sollen Jugendliche nicht mit zwölf strafmündig werden?

Schubert: Ich halte davon nichts. Die meisten Wiederholungstäter sind nach einer Studie des Bundesjustizministeriums diejenigen, die Freiheitsstrafen verbüßt haben. Die wenigsten Wiederholungsstraftäter kommen aus Bereichen, wo man frühzeitig Grenzen gesetzt und wo man nicht bestraft, sondern erzogen hat. Eine Strafmündigkeit von zwölf Jahren würde bedeuten, dass diese Kinder und Jugendlichen in die Maschinerie von Staatsanwaltschaft und Gerichten kommen.

Viele Intensivtäter sind Ausländer oder kommen aus Migrantenfamilien. Was gehört noch zum sozialen Weichbild dieser Täter? Schlechte Sprachkenntnisse und entsprechende Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt?

Schweitzer: Einerseits schlechte Sprachkenntnisse. Andererseits ein traditioneller Familienzusammenhalt. Die Familie steht über allem. Man bleibt unter sich. Das ist ein Integrationshindernis. In Teilen von Neukölln und Wedding findet Integration schlichtweg nicht statt.

Die Fragen stellte Werner van Bebber.

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