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Berlin: „Wir landen bei DDR-Verhältnissen“

CDU-Generalsekretär Gerhard Lawrentz über den Sparkurs des Senats und über mehr Beteiligung der Bürger an der Politik

Als Gerhard Lawrentz am Morgen des 24. Mai zum Landesparteitag der CDU ins Hotel Maritim an der Friedrichstraße kam, ahnte er noch nichts von dem Nebenjob, den er am Nachmittag übernehmen würde. Lawrentz erwartete wie die meisten der über 300 Delegierten, dass der neue Generalsekretär der Berliner CDU Kai Wegner heißen würde. Doch bei dem Parteitag mit der Kampfkandidatur Peter Kurths gegen Joachim Zeller fiel Wegner zweimal durch. Als Ersatzmann kandidierte Lawrentz. Mit Erfolg. Seine erste Aufgabe war es, die Atmosphäre in der Berliner CDU zu entgiften.

Herr Lawrentz, es war in den vergangenen Wochen ruhig in der CDU. Die Führungskrise der Partei scheint vorbei zu sein. Wie haben Sie das gemacht?

Das kann man nicht per Knopfdruck tun. Da hat Folgendes eine ganz große Rolle gespielt: Die Partei hat mit der Neuwahl des Landesvorstands Strukturen in der Führung verändert, die sich blockierten. Dadurch, dass diese Strukturen weg sind, war es leichter, an die Vernunft der Mitglieder zu appellieren. Dazu haben wir viele Gespräche geführt.

Aber die Mehrheit zum Beispiel für den Landesvorsitzenden Joachim Zeller war knapp.

Knappe Mehrheiten sind in einer so aufgeheizten Atmosphäre, in der zwei Lager aufeinander prallten, nichts ungewöhnliches. Danach hat sich die Partei schnell wieder gefunden. Der Parteitag war insofern eine wichtige Zäsur, weil die Leute gemerkt haben, wohin es führen kann, wenn man zu stark aufeinander eindrischt.

Nach dem Streit um Personalien wollen Sie sich um Sachfragen kümmern. Was missfällt Ihnen besonders an der Politik des Senats?

Der Senat betreibt eine nur auf die großen Zahlen fixierte Kahlschlagpolitik. Da bin ich sogar im selben Boot mit der SPDLinken, die eigentlich fordert, dass man erkennen können müsste, wohin die Reise geht was nach der Sanierung von dem Haus noch übrig bleibt. Das wäre die Voraussetzung für vernünftige Politik: ein Ziel zu bestimmen. Das hat der Senat nicht. Er tut auch nichts für die Zukunftssicherung dieser Stadt. Wir können nicht einfach die Infrastruktur dieser Stadt weghauen und dann in einigen Jahren verzweifelt versuchen, sie wiederherzustellen. Das wird lange dauern und ist sehr teuer.

Wegen der Sparpolitik?

Dagegen wird sich kein vernünftiger Mensch aussprechen. Wir müssen der Bundesregierung deutliche machen: Wir haben alles in unseren Kräften Stehende versucht. Aber der Zustand unserer Straßen, Plätze, Parkanlagen, der öffentlichen Gebäude, der Schulen und Kitas kann uns nicht egal sein. Wir können nicht permanent von der Substanz leben. Dann landen wir bei DDR-Verhältnissen.

In der CDU ist neuerdings von der „Bürgerpartei“ die Rede. Was halten Sie von dem Begriff und was verbinden Sie damit?

Die Bundes-CDU hat ein Papier über die „Bürgerpartei“ beschlossen und zur Diskussion in die Landesverbände geschickt. Für meine Begriffe sind die Thesen ein bisschen weichgespült. Stärkere Basisbeteiligung, Urwahl – solche Dinge werden in der Berliner CDU längst gemacht. Wir sind moderner, als mancher denkt.

Sie haben vor kurzem mit den Kreisvorsitzenden darüber diskutiert, wie man die Partei weiter öffnen kann. Wohin wollen Sie die CDU öffnen?

Wir diskutieren über eine Themenkampagne. Wir wollen schon auf der Ortsverbandsebene erreichen, dass Menschen mit Sachverstand, die nicht in der Partei sind, auch gehört werden. Zum Beispiel zum Thema Gesundheitsreform: der Arzt, der Apotheker an der Ecke, die Krankenschwester, die Mitarbeiter der Pflegestation. So sollen Nichtmitglieder zu einem bestimmten Prozentsatz in die parteiinterne Diskussion einbezogen werden, damit wir in der Partei nicht nur als „closed shop“ mit Delegierten handeln. Wir wollen von den Bürgern hören, wie sie sich die Lösungen bestimmter Probleme vorstellen und diese Anregungen in der Partei bis zur Bundesebene transportieren, und zwar bis zum nächsten Bundesparteitag im Herbst.

Damit die CDU dichter an die Leute herankommt?

Sicher ist es wichtig, dass wir dichter an die Leute herankommen. So wie Sie es formulieren klingt es, als sei das etwas Unanständiges. Aber wenn wir nicht dicht an den Leuten dran sind, dann werden wir nicht gehört. Wir wollen die Bürger stärker an politischen Leben beteiligen. Viele, die sich heute nicht dauerhaft an Parteien binden wollen, können trotzdem in Sachfragen den Parteien raten.

Für Sie ist das „politische Leben“ Alltag. Worüber haben Sie sich in der vergangenen Woche am meisten geärgert?

Am meisten habe ich mich darüber geärgert, dass der Senat das Verhandlungsergebnis mit den Gewerkschaften als großen Erfolg zu verkaufen versucht hat. Ich glaube, der Senat hat vor allem Verwirrung bei den Beschäftigten geschaffen – und einen Flickenteppich von Beschäftigungsverhältnissen bei Leuten, von denen viele die gleiche Arbeit tun. Und außerdem hat der Senat Ratlosigkeit hinterlassen, zum Beispiel bei Eltern und Lehrern im Hinblick auf die Planung des kommenden Schuljahres.

War es falsch, aus dem Verbund der öffentlichen Arbeitgeber auszutreten?

Ich glaube, dass Tarifverträge, die über eine Kommune hinausgehen, immer noch einen großen Fortschritt darstellen. Da bin ich einer Meinung mit den Gewerkschaften. Man erreicht aber keinen Kompromiss mit den Gewerkschaften – den man braucht –, wenn man sie in die Ecke drückt, bis es quietscht und dann meint, sie würden gefügig werden. Das ist ein Irrtum. Der Senat ist zu kurz gesprungen.

Das Gespräch führte Werner van Bebber

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