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Berlin: „Wir mögen sie nicht, aber wir müssen damit leben“

Mehrere hundert Menschen demonstrierten gegen NPD-Parteitag in Reinickendorf. Polizeichef Glietsch lobte friedlichen Protest

Der Auftritt der NPD eint die Berliner Parteien. Einträchtig standen gestern Petra Pau (PDS), Walter Momper (SPD), Friedbert Pflüger (CDU) und Volker Ratzmann (Grüne) auf einem kleinen Podium vor dem Fontanehaus im Märkischen Viertel. Ebenso einträchtig verurteilten die Redner, dass die NPD ihren Bundesparteitag mit 700 Teilnehmern in Berlin abhalte. Parlamentspräsident Momper und CDU-Fraktionschef Pflüger sprachen sich für einen Neuanlauf des NPD-Verbotsverfahren aus. Dass die Neonazis Berlin zur „Reichshauptstadt“ ausgerufen hätten, zeige, dass sie an „die schlimmsten Traditionen der deutschen Geschichte anknüpfen“, sagte Momper.

In den bezirkseigenen Saal hatte sich die rechtsextreme Partei vor Gericht eingeklagt – Reinickendorfs Bürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) war, wie berichtet, machtlos gewesen. Der Anspruch der NPD ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgebot im Parteiengesetz, so das Gericht. Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte dem Tagesspiegel, dass „es vorhersehbar war, dass ein Gericht die Durchführung des Parteitages erlaubt“. Glietsch lobte den friedlichen Protest der Menschen vor dem Fontanehaus. Zur NPD sagte Glietsch: „Wir mögen sie alle nicht, aber wir müssen damit heute leben.“

Unter den etwa 300 Demonstranten waren auch der Landesvorsitzende der SPD, Michael Müller, und der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. Bezirksbürgermeisterin Wanjura nutzte ihr Recht als Hausherrin des Saals und stellte sich mit einem Transparent „Keine Bühne für Nazis in Reinickendorf“ direkt vor das Fontanehaus – zum Ärger der NPD-Funktionäre. Dazu skandierte die Menge immer dann, wenn ein Trupp NPD-Mitglieder erschien und durch die Polizeiabsperrungen verschwand: „Nazis raus, Nazis raus“. Der Einsatzleiter der Polizei hatte auf eine weiträumige Absperrung des Saals verzichtet, die Gegendemonstranten konnten bis auf einen Meter an die ankommenden NPDler heran. Etwas Rangelei gab es lediglich, als Funktionär Andreas Storr von linken Demonstranten erkannt und mit einem trockenen Brötchen beworfen wurde. Anders als bei vorangegangenen Aufmärschen von Neonazis waren kaum linke Autonome gekommen. Etwas enttäuscht über die wenigen Teilnehmer war Volker Ratzmann von den Grünen: „Es hätten mehr sein können“. Da der Ort des Parteitages erst in der Nacht zuvor feststand, sei die Mobilisierungszeit zu kurz gewesen.

Wie berichtet, wollte die NPD ihren Parteitag erst in der Trabrennbahn Mariendorf abhalten. Berlins Verdi-Chef Roland Tremper kündigte an, dass Verdi eine für kommende Woche geplante Veranstaltung in der Trabrennbahn abgesagt habe – aus Protest, dass die Betreiber des dortigen Festsaals an die NPD vermieten wollten.

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