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Berlin: „Wir müssen enger zusammenrücken“

Der SPD-Chef Müller rechnet trotz der Schlappe für Wowereit mit stabiler Mehrheit bis 2011

Geht es Ihnen gut, Herr Müller?

Na, es ging mir schon besser. Die Wahl des Regierenden Bürgermeisters im Parlament, das war eine Situation, die ich mir wirklich nicht gewünscht habe. Wir hatten mit den neuen Senatskandidaten Jürgen Zöllner und Gisela von der Aue einen so schönen Auftakt, aber der Donnerstag war für uns bitter.

Ist Rot-Rot vielleicht doch nicht die richtige Koalition?

Doch. Die Leute, die unser Bündnis in- frage stellen, reden ja meistens über die Alternative Rot-Grün. Das wären genauso knappe Mehrheiten. Und es bleibt dabei: Wir haben mit der Linkspartei inhaltlich viele Übereinstimmungen.

Sie haben immer betont, dass die PDS ein besonders verlässlicher Regierungspartner ist. Glauben Sie das immer noch?

Ja. Die Erfahrungen – auch in anderen Ländern – zeigen, dass die Wahlen von Regierungschefs immer schwierig sein können. Weil manche Leute bei geheimer Abstimmung gern ihr persönliches Mütchen kühlen. Solche anonymen Situationen werden von Heckenschützen gern ausgenutzt. Wichtig ist doch die Verlässlichkeit beider Koalitionspartner über fünf Jahre in der täglichen politischen Auseinandersetzung.

Mit einer Wackelmehrheit wollen Sie fünf Jahre überstehen? Ein Abgeordneter der Koalition ist völlig aus der Reihe getanzt, und das bei nur drei Stimmen Mehrheit.

Ja, aber unter Ausnutzung der geheimen Wahl. Da war jemand der Meinung, dass er oder sie weder das Wahlergebnis vom 17. September noch Parteitagsbeschlüsse beachten muss. Beide Voten haben gesagt: Klaus Wowereit soll wieder Regierender Bürgermeister werden. Jetzt ist der Senat gebildet und wir können bis 2011 mit offenem Visier arbeiten. Alles, was kritisch zu diskutieren ist, wird offen diskutiert. Dann können die Partei- und Fraktionsführungen gegenüber den Kritikern für ihre Positionen werben. Am Donnerstag gab es diese Chance nicht. Ich rechne für die nächsten fünf Jahre mit einer stabilen Mehrheit.

Sie sprachen davon, dass die Heckenschützen persönliche Motive hätten. Haben Sie eine Idee, wer es war?

Nein, habe ich nicht. Es ist auch müßig, darüber zu spekulieren. Aber es kann kein politisches Motiv gegeben haben.

Könnte ein Motiv sein, dass der Regierende Bürgermeister manchmal etwas unsensibel mit anderen Menschen umgeht?

Naja, wissen Sie. Wenn ein Regierungschef wirklich führen will, dann muss er auch deutlich sagen, wo es langgeht. In den Koalitionsfraktionen sitzen doch keine unbedarften Pennäler, sondern politisch erfahrene Menschen, die wissen, wie man mit kritischen Situationen umgeht. Wer aus solchen Gründen seine Stimme verweigert, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

Nach dieser Wahl haben SPD und PDS erst einmal einen geschwächten Regierenden Bürgermeister. Kann Wowereit Berlin nach außen noch überzeugend vertreten?

Selbstverständlich. Ich habe ja schon gesagt, dass es nicht nur in Berlin ab und zu vorgekommen ist, dass Ministerpräsidenten im ersten Wahlgang durchfielen. Das ist eine schwierige Situation, aber es wird auch wieder vergessen, wenn wir jetzt in die inhaltliche Arbeit einsteigen. Das war kein toller Auftakt, aber nun geht es weiter.

Sind vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Koalitionsfraktionen nötig?

Ja! Es ist ganz klar, dass beide Fraktionsvorsitzenden noch viel mehr kommunizieren müssen mit dem jeweils anderen Regierungspartner. Wir müssen noch enger zusammenrücken und oft ist es ja so, dass ein solches Ereignis die Koalition nicht trennt, sondern zusammenschweißt. Ich gehe davon aus, dass dies bei Rot-Rot so funktioniert.

Der Parlamentspräsident Walter Momper ist in die Kritik geraten, weil er im ersten Wahlgang den Regierenden Bürgermeister Wowereit irrtümlich für gewählt erklärte. Muss Momper zurücktreten?

Es gibt überhaupt keine Grundlage für einen Rücktritt. Was am Donnerstag geschah, war ohne Frage peinlich, aber auch ein schwarzer Tag für die Parlamentsverwaltung. Da gibt es viele hoch bezahlt Menschen, die diesen Tag vorzubereiten haben. Das ist ihnen offenbar nicht gelungen. Dass ein Parlamentspräsident bei einer so wichtigen Wahl auch mal aufgeregt ist und einen Fehler macht, muss man, denke ich, akzeptieren.

Klaus Wowereit hat gesagt, dass er sich einen dritten Wahlgang nicht mehr zugemutet hätte. Wäre es dann zu Neuwahlen gekommen?

Das ist gut möglich. Ich hätte großes Verständnis für eine solche Entscheidung Wowereits gehabt.

Sie hätten aber auch die Grünen auffordern können, in die Regierung einzutreten. Aber die sind zurzeit vielleicht gar nicht so scharf auf die SPD?

Ich glaube, die Grünen sind nach wie vor ganz scharf aufs Regieren. Aber mit den Grünen wären die Mehrheiten genauso knapp. Und, wie gesagt, mit der Linkspartei haben wir deutlich größere politische Übereinstimmungen.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach

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