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Berlin: „Wir sind Teil dieser Gesellschaft“

An der Pflügerstraße will der Verein Inssan ein moslemisches Kulturzentrum errichten – und stößt auf Widerstand

Auf ihrem Flyer steht: „Oh, ihr Menschen, wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennen lernen möget.“ Das ist aus dem Koran.

Der Flyer ist von dem Verein „Inssan für kulturelle Interaktion“. Der richtet sich gerade in einer Ladenwohnung an der Gitschiner Straße ein, zwischen Kottbusser und Halleschem Tor, da wo die U-Bahn auf Hochgleisen fährt. Inssan ist zwar noch ein junger Verein, doch mit einem sehr ehrgeizigen Projekt ist er bereits mächtig angeeckt.

Inssan will an der Pflügerstraße ein riesiges moslemisches Kulturzentrum errichten. Ein Vorhaben, dem der Bezirk zunächst den Bauvorbescheid verweigerte, den dann aber die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung doch erteilte, worüber sich Neukölln Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) erboste. Der Bezirk habe schon genug Probleme, findet er.

Dabei will man bei Inssan kein Problem sein. Kommunikation zwischen Moslems und Christen, Türken und Berlinern, Transparenz, Aufklärung und Information, das will man fördern. „Wir müssen die Selbstisolierungstendenzen der Moslems durchbrechen“, sagt Geschäftsführerin Lydia Nofal. Die 35-Jährige verweist auf die Praxis in anderen Moscheen, wo die Hodcas, die Vorbeter, nur für drei Jahre nach Berlin kommen, Türkisch sprechen, Türkisch denken und dann wieder abreisen. Das sei schlecht.

„Wir sind deutsch“, sagt Lydia Nofal. Viele hätten auch die deutsche Staatsangehörigkeit, sagt Salah Bouabdallah, Vereinsvorsitzender und arabischer Psychologe, der vor zehn Jahren aus Frankreich nach Deutschland kam. „Wir sind ein Teil dieser Gesellschaft und wir identifizieren uns mit ihr.“

Die gemeinsame Sprache der rund 40 aktiven Vereinsmitglieder aus Arabien, der Türkei oder aus Frankreich ist Deutsch. Und das soll sie auch für die vielen anderen Muslime in Berlin sein, fordert Nofal. Sie will auf die Ausländer im Land Druck machen:„Die Sprache ist das wichtigste Instrument.“ Über Integration sprechen ohne Sprachkenntnis „das macht keinen Sinn“. Sätze und Ansichten, wie sie auch von der ehemaligen Ausländerbeauftragten und jetzigen Senatsbeauftragten für Sprachförderung für Migranten, Barbara John, immer wieder geäußert wurden. John hält auch viel von Inssan. Sie soll im September in den Beirat des Vereins gewählt werden.

Barbara John lobt Inssans Unabhängigkeit von Religion, Gruppen und Institutionen. Über das Bauprojekt wundert sie sich dennoch, da völlig unklar ist, woher das Geld dafür kommen soll. Lydia Nofal setzt auf Spenden: Die moslemische Bevölkerung sei sehr spendenfreudig. Und vielleicht warteten ja viele auf ein Gebets- und Kulturhaus, in dem man einen deutschen Islam praktizieren könne.

Nur rund zwölf Prozent der Berliner Moslems, schätzt Lydia Nofal, gehen in die etablierten Moscheen, in denen Frauen oft nur in Extraräumen, getrennt von den Männern, beten dürfen. Dies sei aber nur ein Bild vom Islam, das auf deutscher Seite ebenso von Stereotypen geprägt sei, wie umgekehrt die Sicht auf Deutschland bei den ewig heimatverbundenen Türken und Arabern. Diese Stereotypen müssten weg, sagt Salah Bouabdallah. In Frankreich, sagt er, sei er - obschon als Nicht-Europäer erkennbar - nie gefragt worden: Woher kommst du? Er war in Frankreich und sprach Französisch. Das reichte. Anders hierzulande.

Wann das schon im frühen Planungsstadium umstrittenen Kulturzentrum realisiert wird, ist unklar. Zunächst geht es Inssan laut Lydia Nofal darum, den Zwist mit dem Bezirk auszuräumen. „Wir haben keine Lust, hier etwas durchzuboxen“, sagt sie. Architekten sind mit dem Projekt noch nicht befasst. Solange kann Lydia Nofal noch träumen: Am liebsten hätte sie eine Moschee ganz aus Glas. Damit jeder reingucken könne - und die Menschen sich kennen lernen.

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