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Berlin: „Wir werden sehen, ob alle so tapfer bleiben“ Bausenator Peter Strieder über Unstimmigkeiten in

der Koalition und den Förderstopp bei Sozialwohnungen

Haben Sie sich inzwischen davon überzeugen lassen, dass der Stopp der Anschlussförderung doch der richtige Weg ist?

Der Ausstieg aus der Förderung war überfällig. Ob der Weg, der gewählt wurde, der richtige ist – auch für die Finanzen Berlins – muss sich erst noch erweisen. Ich habe im Senat zugegebenermaßen die Interessen der Mieter stark vertreten. Da können auch noch Probleme auf uns zukommen.

Welche Probleme?

Wenn nach dem Wegfall der Förderung die Kostenmiete verlangt wird, damit Wohnungen schnell frei werden, um sie dann in Eigentumswohnungen umzuwandeln und zu verkaufen. Für solche spekulativen Aktionen wird dann die Politik verantwortlich gemacht. Wir werden sehen, ob in der Koalition alle so tapfer bleiben wie bisher.

Sie bleiben also skeptisch…

Wir werden sehen, ob es sich am Ende wirklich rechnet.

Die Immobilienbesitzer klagen über den Vertrauensverlust, den der Senat mit dem radikalen Förderstopp herbeigeführt habe. Ziehen sich jetzt Bauinvestoren aus Berlin zurück?

Ach was! Wir reden inzwischen über den Abriss von Wohnungen, nicht über den Neubau. Wir brauchen wirklich keine Angst zu haben, dass uns enttäuschte Eigentümer den Rücken kehren. Und Immobilien heißen so, weil sie nicht mitgenommen werden können. Selbst bei einem Konkurs bleiben die Wohnungen auf dem Markt. In Berlin könnte nur der ganz preiswerte Wohnraum knapp werden, und es fehlen 300 bis 400 Quadratmeter große Wohnungen mit gehobenem Standard. Der Rest ist in ausreichender Zahl vorhanden.

Wo sollen die richtig billigen Wohnungen denn herkommen?

Es wird ein gewisser Bestand von Altbau und Plattenbauten unsaniert bleiben, um diese Nachfrage zu befriedigen. Es wird ab 2004 für die Plattenbausanierung keine Mittel mehr geben. Und auch in den städtebaulichen Sanierungsgebieten gibt es öffentliches Geld nur noch für öffentliches Eigentum. Der Staat muss den öffentlichen Raum in Ordnung halten: Straßen, Spielplätze, Grünflächen, Schulen, Kitas. In problematischen Stadtgebieten betreiben wir Quartiersmanagement. Aber für privates Eigentum muss privates Geld eingesetzt werden.

Die hohen Lasten der Wohnungsbauförderung sind zum großen Teil erst durch den üppigen Wohnungsbau nach 1990 entstanden…

…so ein Quatsch!

Das behauptet der Finanzsenator.

Finanzsenator Sarrazin ignoriert die Geschichte des geteilten Berlin. Stadtentwicklung war nach dem Mauerbau nur mit dem massiven Einsatz öffentlicher Mittel möglich, da privates Kapital wegen der unsicheren Lage nicht investiert wurde.

Das spricht noch nicht für die teure Finanzierungsmethode.

Das bundesweit übliche Fördermodell sind Baudarlehen: Zuschüsse, die irgendwann zurückfließen und dann wieder neue Wohnungsbauprogramme speisen. Nordrhein-Westfalen etwa hat jährlich 800 Millionen Euro Wohnungsbauförderung. Davon werden 660 Millionen Euro mit der Rückzahlung alter Baudarlehen finanziert…

Warum macht Berlin das nicht so?

In West-Berlin war dieses System nach dem Mauerbau nicht anwendbar. Staatliche Baudarlehen in der notwendigen Höhe wären überhaupt nicht finanzierbar gewesen. Stattdessen nahmen die Bauherren private Kredite auf, und der Senat verbilligte diese Kredite mit Aufwendungszuschüssen und -darlehen. Da nicht Baukosten, sondern Zinsen bezuschusst wurden, konnten mit dem gleichen öffentlichen Geld viel mehr Wohnungen gebaut werden. Mit dieser Finanzierung wurden hohe Investitionssummen erreicht, aber die Finanzlasten in die Zukunft verschoben. Eine Alternative dazu gab es damals nicht. Diese teilungsbedingte Belastung des Berliner Haushalts hätte nach der Wende in den Erblastentilgungsfonds gehört.

Aber nach 1990 hätte man das Fördersystem umstellen können.

Die SPD gewann 1989 die Berliner Wahlen, weil sie die Wohnungsnot zum Thema machte und Abhilfe versprach. Nach dem Mauerfall wurde offenbar, dass es im Herzen Ost-Berlins mindestens 60 000 unbewohnbare Wohnungen gab. Es musste schnell ein vergleichbarer Wohnstandard hergestellt werden, um eine massive Ost-West-Wanderung innerhalb der Stadt zu verhindern. Und alle standen unter dem Eindruck von Prognosen, die eine ungeheure Wohnungsnot voraussahen. Der damalige Bausenator Wolfgang Nagel schlug vor, 80 000 neue Sozialwohnungen zu b Und es sind keine Fehler gemacht worden?

Natürlich sind Fehler gemacht worden. Es wurde zu teuer gebaut, es wurde an der falschen Stelle gebaut. In Karow-Nord zum Beispiel. Auch einen Teil der Entwicklungsgebiete hätte man sich sparen können. Möglicherweise haben wir sogar zu viele Plattenbauten saniert. Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt ist so nicht absehbar gewesen. Erstmals in seiner Geschichte kennt Berlin keine Wohnungsnot.

Und deshalb wird es in absehbarer Zeit keine Wohnungsbauförderung mehr geben.

So ist es.

Das Gespräch führten Ulrich Zawatka-Gerlach und Holger Wild.

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