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Berlin: „Wir werden unser Netz nicht radikal herunterfahren“

BVG-Vorstandschef Andreas von Arnim über Beraterverträge und ganz neue Wege zum Personalabbau

Die BVG rutscht immer tiefer in die roten Zahlen. Das Unternehmen ist mit mehr als einer Milliarde Euro verschuldet. Versuche, sich in größerer Zahl von Mitarbeitern zu trennen und bei den verbleibenden Beschäftigten das Einkommen zu senken, sind bisher nicht vorangekommen. In der Kritik steht das Unternehmen zudem wegen seiner vielen Beraterverträge. In dieser Woche tritt auf Initiative der Arbeitnehmer der Wirtschaftsausschuss zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Mit dem BVGVorstandsvorsitzenden Andreas Graf von Arnim sprach darüber Klaus Kurpjuweit.

Ist die BVG noch zu retten?

Selbstverständlich. Die Lage ist besser, als sie von vielen dargestellt wird. Und ich werde die notwendige Restrukturierung der BVG beherzt vorantreiben.

Bisher sind Sie damit aber nicht weit gekommen. Die Ziele, die im Unternehmensvertrag mit dem Senat 1999 vereinbart worden waren, sind zum größten Teil nicht erreicht worden. Was wollen Sie jetzt ändern?

Richtig ist, dass wir noch nicht so weit sind, wie man es sich damals vorgenommen hat. Aber wir haben ja auch erst Halbzeit. Bis Ende 2007, wenn der Vertrag ausläuft, werden wir auch am Ziel sein.

Also Prinzip Hoffnung?

Nein, Prinzip Gewissheit. Wir haben doch auch schon im Jahr 2003 einiges erreicht. Zum Beispiel haben wir im vergangenen Jahr ein neues Tarifkonzept für unsere Fahrgäste erarbeitet. Durch neue Verfahren sind wir erstmals in der Lage, exakt und aktuell festzustellen, wie hoch die Zahl der Fahrgäste am Tag war. Außerdem kennen wir jetzt auch jederzeit unsere aktuellen Einnahmen. Da hat uns ein Berater sehr geholfen.

Die eigenen Mitarbeiter konnten ein solches Tarifkonzept nicht entwickeln?

Wir brauchen auch den Rat von Dritten, die sich freimachen können von einem festgefahrenen Denken. Heute sind wir in der Lage, solche Themen mit unseren Mitarbeitern fortzuführen. Der Berater war eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Viele der Leistungen, die Sie von außen einkaufen, sind aber umstritten. Warum mussten Sie mit Horst Föhr einen ehemaligen Bahnvorstand als Berater für Tariffragen verpflichten, der angeblich für 20 Arbeitstage immerhin 58 000 Euro erhält?

Herr Föhr ist ein ausgezeichneter Personal-Fachmann mit Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen und Branchen. Er wird uns so beraten, dass die Verträge später auch im Interesse unserer Arbeitnehmer wasserdicht sind. Davon profitieren sie dann auch. Außerdem: Herr Föhr erhält die Summe für 20 Arbeitswochen, also fünf Monate.

Besonders umstritten ist auch die Firma Lexington, die angeblich die Vertragserfüllung mit einem Volumen von 21 Millionen Euro fordert.

Niemand fordert hier etwas, schon gar nicht in dieser Höhe. Wir haben noch keinen Vertrag abgeschlossen und schon in einer frühen Verhandlungsphase gemerkt, dass wir das Thema Personalabbau mit Abfindungen und deren Finanzierung nicht aus der Hand geben sollten. Vorgespräche sind üblich, wenn man den exakten Auftrag zunächst noch nicht beschreiben kann. Und bevor sich der Wirtschaftsausschuss damit beschäftigt hat, möchte ich mehr dazu hier nicht sagen.

Wie wollen Sie dann ohne Beraterhilfe den vorgesehenen Stellenabbau erreichen?

Wir haben bereits im Dezember 2003 mit etwa 1700 Mitarbeitern eine Vorruhestandsregelung von 2004 bis 2009 vereinbart. Da hat übrigens auch die Arbeitnehmerseite mitgezogen.

Das reicht aber nicht, um die Zahl der Beschäftigten, so wie Sie es planen, von 13500 auf 9500 zu senken.

Deshalb führen wir jetzt Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern.

Diese waren bereits im vergangenen Jahr bereit, auf der Grundlage des Abschlusses im öffentlichen Dienst zu verhandeln – mit zehnprozentigem Einkommensverzicht bei kürzerer Arbeitszeit. Warum haben Sie dieses Angebot nicht angenommen?

Ich führe die Verhandlungen nicht alleine. Und das Angebot reicht nicht aus. Wir müssen mittelfristig immerhin rund 270 Millionen Euro an Personalkosten im Jahr einsparen. Davon entfallen aber allein 180 Millionen Euro auf Personalabbau und Vorruhestand. Ich denke, wir haben keine unüberbrückbaren Gegensätze und sollten zügig weiterverhandeln.

BVG-Mitarbeiter sollen also auf mehr Geld verzichten als die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst?

Ich denke eher, dass wir zu etwas anderen Lösungen kommen. Wir haben inzwischen ja auch andere Modelle entwickelt; zum Beispiel ein Sabbatjahr mit Rückkehrrecht.

Wie funktioniert das?

Mitarbeiter können sich bis zu sieben Monate beurlauben lassen und in dieser Zeit woanders arbeiten. Wenn ihnen die neue Arbeit nicht gefällt oder wenn sie dort nach der Probezeit nicht weiterbeschäftigt werden, können sie zur BVG zurückkehren. Nur die Garantie, dass sie dann auch wieder ihre alte Arbeitsstelle erhalten, können wir nicht geben. Der Arbeitsplatz bei der BVG bleibt aber sicher.

In ihrem Tochterunternehmen Berlin Transport, das den Beschäftigten weniger zahlt als das Stammhaus, haben Sie aber erst vor kurzem Verträge nicht verlängert. Wie sicher sind dort die Arbeitsplätze?

Wir mussten uns leider vorübergehend von einigen Mitarbeitern trennen, weil es nicht mehr genügend Arbeit für sie gab. Dies war aber nur eine kurzfristige Maßnahme. Die BT wird nach unseren Planungen immer rund tausend Beschäftigte haben.

Die Zahl der Mitarbeiter soll sinken, die Verschuldung der BVG aber steigt. Wie wollen Sie diese Entwicklung bremsen?

Es stimmt, wir haben mehr als eine Milliarde Euro an Verbindlichkeiten. Gemessen am Anlagevermögen der BVG ist aber selbst diese Summe noch nicht bedenklich. Trotzdem setzen wir alles daran, die Summe zurückzuschrauben.

Der Fehlbetrag für das vergangene Jahr fällt aber höher aus als geplant. Die Verschuldung steigt dadurch doch weiter.

Unser operatives Ergebnis 2003 wird erstmals seit Jahren besser sein als geplant: voraussichtlich sogar um 15 Prozent. Wir haben höhere Einnahmen, wir haben die Kosten gesenkt, wir müssen nach Verhandlungen mit den Banken weniger Zinsen zahlen und wir haben weniger investiert. Der Gesamtverlust aber steigt, weil wir Rückstellungen für Abfindungen an die Mitarbeiter und für die Finanzierung des Vorruhestands bilden müssen.

Werden Fahrgäste merken, dass die BVG weniger investiert?

Im Gegenteil. Wir werden trotz der Finanzknappheit zum Beispiel die Fahrgastinformation verbessern. Demnächst können unsere Kunden den Busfahrplan per Handy abrufen.

Weil Busse seltener fahren werden?

Wir optimieren unser Angebot. Aber nicht auf dem Rücken unserer Fahrgäste. Sicher wird es hier und da Einschränkungen geben. Wir werden unser Netz aber nicht radikal herunterfahren.

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