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Berlin: „Wir wollen ein neues Preissystem“

Der Chef der Bäderbetriebe über Chipkarten, das Vorbild BVG und billigeres Personal am Beckenrand

Klaus Lipinsky ist seit zwei Jahren Chef der Bäderbetriebe. Zuvor war er UBahn-Chef bei der BVG. Wenn er auf seine Statistiken schaut, geht zurzeit ein breites Grinsen über sein Gesicht: Im Juni waren 963000 Besucher in den Berliner Bädern, im Juni vergangenen Jahres nur 765000. Vom 1. bis 24. Juli waren es 600000, im Vorjahr nur 480000. Wenn es noch eine Woche schön bleibt, haben wir unseren Plan erfüllt, sagt der Bäderchef.

Wie oft gehen Sie schwimmen?

Nie. Wann denn? Ich stecke zwar mit dem Kopf den ganzen Tag in den Bädern, multipliziere Badegäste mit Eintrittspreisen und dividiere durch Energiekosten, aber ins Wasser springe ich kaum.

Viele Schwimmer springen nur kurz ins Becken und ärgern sich, dass sie dafür vier Euro zahlen müssen.

Deshalb wollen wir ein neues Preissystem. Wir denken an eine Chipkarte mit festem Konto. Je länger man badet, um so mehr Punkte werden abgebucht. Irgendwann ist das Konto leer. Man muss es aufladen. So ähnlich, wie es die BVG machen will: Preise nach der gefahrenen Strecke berechnen.

Schreckt das nicht Leute ab, die nur zwei Mal im Jahr in ein Bad gehen?

Die Chipkarte ist vor allem was für Vielschwimmer. Für die anderen wird es weiter Einzelkarten aus Papier geben.

Wird das nicht furchtbar kompliziert?

Das ist ein Dilemma, weshalb wir noch zögern. Jetzt sind die Preise übersichtlich: vier Euro in allen Standardbädern, 2,50 Euro ermäßigt. Andererseits lassen sich die unterschiedlichen Wünsche der Kunden nicht in einen Tarif pressen.

Wann werden die neuen Preise eingeführt?

Nächstes Jahr testen wir sie. Möglicherweise ab Herbst 2004 sollen sie dann gelten. Nächsten Sommer gibt es aber mit Sicherheit Saisonkarten für die großen Bäder, wie schon am Wannsee. Die werden aber unterschiedlich teuer sein. Im Prinzenbad wird sie bestimmt mehr kosten als am Wannsee mit jetzt 144 Euro.

Was bringen die neuen Preise und die Chipkarte für die Bäderbetriebe?

Die flexibleren Preise sind nur ein Baustein. Wir planen ein Reformpaket. Wir wollen die Bäder nach Art und Komfort in drei Kategorien einteilen. Denn ein Hallenbad zu betreiben, ist sehr viel teurer als ein Freibad am See. Die Sommerbäder mit den Becken liegen dazwischen. Dann kann sich jeder überlegen, ob er seine Runden lieber in einem teuren Hallenbad dreht, draußen im Becken oder im See. Zusätzlich wollen wir die Preise nach der Auslastung staffeln. Die BVG bietet eine verbilligte Karte an, mit der man erst ab neun Uhr fahren darf. So etwas kann ich mir auch fürs Schwimmen vorstellen, vormittags, wenn nicht viel los ist, ist es billiger. Und nachmittags, wenn alle schwimmen wollen, ist es teurer.

Erklären Sie uns, was Bäder so teuer macht.

Das Teure sind die flexiblen Kosten. Zum Beispiel das Wasser. In den Becken tauschen wir 50 Liter pro Badegast aus, dann geht man noch duschen, da kommen pro Gast schnell 250 Liter zusammen. Im Sommerbad entstehen so Kosten von 1,50 bis 1,70 Euro. Dann addieren Sie noch die Kosten fürs Personal, für Versicherungen, Reparaturen und die Müllabfuhr, und schon steigen die Kosten auf acht Euro pro Besucher. Je mehr Gäste kommen, um so mehr Kosten entstehen. Vergangenes Jahr hatten wir in den 64 Bädern 7,6 Millionen Besucher, davon fünf Millionen zahlende, 2,6 Millionen Schul- und Kitakinder und Vereinsschwimmer, die unentgeltlich hineinkommen. So sind 60 Millionen Euro Kosten entstanden, denen rund 20 Millionen Euro Erlöse gegenüber standen. Der Senat schießt rund 40 Millionen Euro zu. Wenn jeder Besucher vier Euro zahlt, sind die Kosten gedeckt. Deshalb müssen wir es schaffen, mehr Leute in die Bäder zu locken und gleichzeitig Energie zu sparen. Im Sommerbad ist es leichter, den „Break Even“ zu erreichen als im Hallenbad. So viele, wie auf den Wiesen liegen, kriegen sie nicht in eine Halle. Hallenbäder rechnen sich nie.

Wodurch könnte man Energie sparen?

Zum Beispiel durch Edelstahlbecken. Wir haben bisher nur wenige: eins zum Beispiel im Sommerbad in Pankow. Ein 25-Meter-Becken kostet eine Million Euro. Die haben wir leider nicht. Aber wir müssen jedes Frühjahr Fliesen reparieren – für bis zu 300000 Euro.

Wie viel Geld bräuchten Sie, um alle Bäder zu sanieren?

Rund 88 Millionen Euro. Davon alleine 24 für das Strandbad Wannsee und zwölf für das Sportforum Hohenschönhausen. Zum Vergleich: Der Bau der Olympia-Halle in Prenzlauer Berg hat 133 Millionen Euro gekostet.

Der Senat senkt jährlich die Zuschüsse für die Bäder. Wie schließen Sie die Lücke?

Die Bäderbetriebe sollen eine andere Rechtsform bekommen. Bisher sind wir eine Anstalt öffentlichen Rechts, wie auch die Stadtreinigung und die BVG. Das heißt, wir sind nur die Pächter der Bäder und Anlagen. Und wenn wir Sponsoren gewinnen wollen, dürfen sehr viele Leute mitreden. Deshalb dauert alles so lange – so viel Zeit haben neue Sponsoren und Investoren nicht. Einfacher wäre es, wenn uns die Bäder gehörten. Dazu müssten wir eine Stiftung werden, eine GmbH – oder eine Anstalt öffentlichen Rechts bleiben, der eine GmbH zur Betreibung der Anlagen zur Seite gestellt wird.

Was ist der Vorteil?

In allen drei Modellen müssten wir Personal nicht mehr nach den Tarifen für den öffentlichen Dienst bezahlen. Als Stiftung könnten wir Spendengelder annehmen.

Werden dann Bronzetäfelchen mit Stifternamen an den Becken stehen?

Warum nicht? Bis Ende August soll ein Gutachten vorliegen, das eines der drei Modelle empfiehlt, und dann entscheidet die Politik. Schließlich muss dazu das Bäderbetriebegesetz geändert werden.

Als GmbH könnten Sie die Bäder, die einmal aus Steuergeldern erbaut worden sind, auch schnell verkaufen…

Das machen wir nicht. Alle 64 Bäder, die wir jetzt betreiben, wollen wir behalten…

…indem Sie zum Beispiel Fitnesscenter mit Schwimmbädern kombinieren?

Das ist denkbar…

…oder Shopping-Center wie in Spandau, wo es in der Einkaufsmeile ein Wellnessbad gibt, nach der Devise: shoppen und schwimmen?

…auch nicht schlecht.

Das Gespräch führten Claudia Keller und Matthias Oloew .

SCHÖNER SCHWIMMEN IN BERLIN – EIN INTERVIEW

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