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Berlin: Wirtschaftsförderung in Berlin und Brandenburg geht immer noch nicht Hand in Hand - einiges läuft in Berlin besser

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer wartet man auf eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin-Brandenburg vergebens. Zwar existiert seit Anfang der 90er Jahre eine gemeinsame Tochter: die Arbeitsgemeinschaft der Wirtschaftsförderungsgesellschaften von Berlin und Brandenburg.

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer wartet man auf eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin-Brandenburg vergebens. Zwar existiert seit Anfang der 90er Jahre eine gemeinsame Tochter: die Arbeitsgemeinschaft der Wirtschaftsförderungsgesellschaften von Berlin und Brandenburg. Von der aber sieht und hört man nichts. Statt dessen ist gern und oft von der einen Wirtschaftsregion die Rede. In freundlicher Übereinstimmung sprechen die Chef-Akquisiteure Hans Estermann aus Berlin und Knut Solzbacher aus Potsdam von einer Arbeit, die Hand in Hand gehe. Stimmt: Es gibt personelle Überkreuzbeteiligungen im jeweiligen Aufsichtsrat der Fördergesellschaften, sporadische Gemeinschaftsaktionen, Akquisitionsreisen und informelle Absprachen. Ob auf Messen oder bei Gewerbeansiedlungen - tatsächlich ist ein gemeinsamer Auftritt nicht die völlige Ausnahme. Aber auch nicht die Regel. Unternehmern beispielsweise, die Berlin den Rücken kehren, wird in der Hauptstadt nicht unbedingt der rote Teppich für die Mark ausgerollt. Berlin und Brandenburg gehen eigene Wege.

Dabei gibt es Dinge, um die die Brandenburger die Hauptstäder regelrecht beneiden.

Beispiel Nummer eins: Die jungen Partner aus der Industrie wie Southern Energy, die britische Eversheeds Gruppe oder der französische Mischkonzern Vivendi - die als Türöffner für die Berliner in Amerika, Frankreich und Großbritanien auftreten sollen.

Beispiel Nummer zwei: Partner für Berlin - die Berlin-Werbung von Ex-Kultursenator Volker Hassemer. Eine Form durchaus gelungener Privat-Public-Partnership.

Beispiel Nummer drei: Das Berlin Location Center - eine neue zentrale Anlaufstelle und Datenbank der Wirtschaftsförderung für Investoren. Sie soll mit Verzögerung nun endlich im ersten Quartals 2000 unter privater Regie ihre Arbeit aufnehmen - mit fünf Mitarbeitern und einem Etat von etwa 7,5 Millionen Mark. Private Sponsoren wie Bewag, Dussmann oder Gilette, aber auch die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG), die Investitionsbank Berlin (IBB) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) sind dabei. Eine gute Sache. Allein, die Märker haben Angst, zu kurz zu kommen. Zu gerne würden sie sich an der Zentrale beteiligen, die Berliner Computer mit Fakten und Infos aus Brandenburg füttern. Nur, die Manpower ist knapp und das Geld aus.

Sparzwänge machen den Brandenburgern ohnehin das Leben schwer. Nicht, dass die Ausstattung der Wirtschaftsförderung besonders dürftig wäre. Mit einem Jahresbudget von 6,3 Millionen Mark beschäftigen die Potsdamer Wirtschaftsförderer 39 Mitarbeiter und sind nicht wesentlich schlechter dotiert als die Berliner, die 32 Mitarbeiter zählen und über ein Jahresbudget von 8,5 Millionen Mark verfügen. Allerdings sind Entwicklungen in Gang gekommen, die geteilten Beifall finden. An der Idee einer - wem auch immer unterstellten - Landesstrukturgesellschaft, unter der die landeseigenen Beteiligungen im Förderbereich vereint werden sollen, scheiden sich die Geister. Leonardo G. Noto, Mit-Geschäftsführer der Brandenburger Wirtschaftsförderung, mahnt, nicht den dritten vor dem ersten Schritt zu tun. "Wir brauchen erst Machbarkeitsstudien und Konzepte", fordert er. Derweil geht die Politik ans Werk. Im Koalitionsvertrag steht es: Die Anzahl der Landesbeteiligungen soll verringert werden, um übersichtlichere - und billigere - Strukturen zu erhalten. Das beunruhigt die Szene.

Schon vor drei Jahren übernahm die Wirtschaftsförderung einen Teil der Arbeit der Brandenburgischen Außenhandelsagentur. Der so genannte Synergieeffekt war deutlich: Von den 14 Stellen der Außenhändler blieben im Verbund nur noch fünf übrig, vom Dreieinhalb-Millionen-Budget lediglich eine schlappe Million. Auch um die Messen kümmert sich die Wirtschaftsförderung seit Anfang des Jahres im Vorsitz des Messebeirats - ohne zusätzliche Mittel und Personal. So etwas weckt Skepsis. Reformgeist wird blockiert statt gefördert.

Ohnehin sind die Sensibilitäten ausgeprägt. Interessenkämpfe im Hintergrund beeinträchtigen die Arbeit: Seit langem etwa hofft die Wirtschaftsförderung Brandenburg auf mehr Spielraum. Ohne Bindung an die Landeshaushaltsordnung wäre der Bewegungsfreiraum zweifellos größer. Doch es geht um Steuergelder. Schwer vorstellbar, dass das Finanzministerium einem Antrag so ohne weiteres zustimmen würde.

Zufall oder nicht: Auch die Idee, in einem Neubau neben der Staatskanzlei ausreichenden Platz für die dem Wirtschaftsministerium zugehörigen Fördereinrichtungen zu schaffen, zerschlug sich. Dafür zog die Wirtschaftsförderung im September in die Steinstraße - als Untermieterin der Landesinvestitionsbank Brandenburg. Und die untersteht der Beteiligungsverwaltung des Finanzministeriums. "Wir wollen mehr Bürgerfreundlichkeit", sagt Britta Winkelmann, Referentin von Finanzministerin Wilma Simon. Die repräsentative Villa in Neu-Fahrland haben die Förderer denn auch kaum aus Kostengründen verlassen müssen: Die Miete für die neuen Räumlichkeiten ist jetzt nämlich teurer; während sich für die alte Villa kein Käufer findet. Zehn Millionen Mark soll die Immobilie einspielen. Theoretisch. Die Brandenburgische Boden, die die alten Immobilien der russischen Westgruppe im Auftrag des Landes vermakelt, müht sich redlich. Bislang aber, bestätigt Team-Leiter Alexander Rieche, liegen die Gebote weit unter der Preisvorstellung.

Zumindest diese Sorgen haben die Berliner nicht. Und etwas klarer als in Brandenburg sind die Perspektiven für die Berliner auch: Die Bündelung der Kräfte soll sich in der Hauptstadt jedenfalls nicht durch eine Zusammenlegung oder Fusion der Förderinstitute vollziehen. Aber wie in Potsdam ist auch in Berlin das Thema Neuordnung der Landesbeteiligungen Gegenstand aktueller politischer Kontroversen.

Dabei sollten die Beteiligungsverhältnisse der Wirtschaftsförderung Berlin eigentlich schon längst neu geordnet sein. Kern der Reform: Berlins Förderbank, die Investitionsbank, wird zu einer Landesstrukturbank mit breitem Engagement ausgebaut. Der Wirtschaftssenat, zurzeit mit 60 Prozent an der Wirtschaftsförderung Berlin beteiligt, will sich mit der Zeit zurückziehen. Dafür soll zum großen Teil die Investitionsbank einspringen und die Beteiligungen der Wirtschaft, also der Kammern und Unternehmensverbände erkennbarer werden. Für die Wirtschaftsförderer ginge dann das in Erfüllung, was sich die Brandenburger bislang nur wünschen: Der Zwang entfällt, sich jede zusätzliche Mark von der Verwaltung genehmigen zu lassen. Sukzessive soll die Investitionsbank mehr, die Wirtschaftsverwaltung weniger Zuschüsse bezahlen.

Auch in Berlin wird mit spitzem Bleistift gerechnet. Genau darum wollen Unternehmensverbände und Kammern nun Klarheit über den verbindlichen Finanzrahmen für die kommenden drei Jahre. Die Angelegenheit soll im Finanzausschuss im Abgeordnetenhaus zur Sprache gebracht werden. Schon wappnen sich die Parteien zur Generalaussprache. Die Koalitionsgespräche bieten sich als Diskussionsforum geradezu an. Das Thema ist erkannt: Förderpolitik als wichtigstes Instrument regionaler Wirtschaftspolitik.

Martina Ohm

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