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Wirbt für Rot-Rot. Wirtschaftssenator Harald Wolf tritt zur Abgeordnetenhauswahl als Spitzenkandidat der Linken an.

© Mike Wolff

Wirtschaftssenator Wolf: "Das Berliner Wasser muss billiger werden"

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) spricht mit dem Tagesspiegel über Gebührensenkungen, das S-Bahn-Problem und die bislang schlechten Aussichten seiner Partei, in den nächsten Jahren weiter mitzuregieren.

Von Sabine Beikler

Herr Wolf, bereuen Sie es schon, als Spitzenkandidat der Linken anzutreten?

Nein, warum sollte ich?

Die Umfragewerte sind nicht optimal für die Linke. Im Moment hat Rot-Rot keine Chance mehr in Berlin. Hat sich die Linke schon in die Opposition verabschiedet?

Die Umfragewerte waren schon schlechter und steigen wieder. Wir hatten eine Delle in der Zeit rund um Fukushima. Aber ich bin zuversichtlich, denn die Wahlen werden in den letzten Wochen entschieden.

Noch nie schnitt die Linke im Ostteil der Stadt so schlecht ab. Zurzeit sind es laut Umfrage 26 Prozent, die SPD hat 30 Prozent. Im Januar hatte die Linke noch 31 Prozent. Sterben die alten Genossen weg, oder was machen Sie falsch?

Wir haben im Osten wieder um zwei Prozentpunkte zugelegt, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch wieder stärkste Partei im Osten werden. Es gab diese Zuspitzung auf das Duell Wowereit gegen Künast. Viele, die für Rot-Rot stehen und mit der Linken sympathisieren, haben sich in dieser personellen Auseinandersetzung für Wowereit entschieden. Diese Polarisierung löst sich jetzt offensichtlich auf. Die Werte von Künast sinken deutlich in der Frage, wer soll Regierender Bürgermeister werden. Wir werden im Wahlkampf deutlich machen: Wer Rot-Rot will, muss die Linke stärken. Die SPD hält sich die Optionen mit der CDU und den Grünen offen. Und die Grünen schließen weder die Option mit der SPD noch der CDU aus. Künast wird unter Wowereit nicht mitregieren. Liegen die Grünen nach der Wahl hinter der SPD, werden die Grünen bereit sein mit der CDU zu koalieren. Die CDU wiederum wird viele Kompromisse machen, allein deshalb, um mal wieder mitzuregieren

Könnten Sie sich theoretisch eine Koalition mit den Grünen vorstellen?

Mit den Grünen gibt es inhaltliche Verbindungen wie demokratische Rechte oder sozial-ökologischer Umbau der Stadt. Probleme dagegen wird es bei der Frage geben, ob im öffentlichen Dienst noch weiter Stellen abgebaut werden sollen. 100 000 Stellen sind für uns die Mindestzahl, um einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Die Grünen dagegen wollen weiteren drastischen Personalabbau. Auch bei der öffentlichen Daseinsvorsorge gibt es Unterschiede. Die Grünen propagieren bei der S-Bahn eine Ausschreibung. Entweder behält die Deutsche Bahn den Betrieb oder er geht an private Anbieter. Ich bin aber der Auffassung, das Land muss Eigentümer der Fahrzeuge werden, neue Wagen beschaffen und die operative Verantwortung übernehmen.

Diese Entscheidung hat der Senat auf Ende des Jahres verschoben. Warum haben Sie sich nicht durchsetzen können?

Die vorbereitenden Arbeiten laufen. Aber innerhalb der SPD gab es unterschiedlichste Positionen über die Zukunft der S-Bahn, deshalb konnte man sich auf ein gemeinsames Vorgehen noch nicht verständigen.

Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte der Linken im Wahlkampf?

Wir wollen mehr und sichere Arbeitsplätze, der explodierenden Mietenentwicklung entgegenwirken durch mehr kommunalen Wohnungsbau, in der Bildung Qualität sichern und die Betreuungslücke in den Horten für die fünften und sechsten Klassen schließen. Und wir wollen öffentlichen Einfluss auf die Energieversorgung.

Wann werden die Wasserpreise gesenkt?

Das Wasser muss billiger werden. Wir sind mit RWE und Veolia über den Verkauf der Anteile in Verhandlung…

…gibt es vor der Wahl eine Entscheidung?

Ich äußere mich nicht über Termine. Wir lassen uns zeitlich nicht unter Druck setzen. Es geht um ein gutes Ergebnis für die Berliner. Wir brauchen einen akzeptablen Verkaufspreis, um auch die Preise senken zu können.

Klaus Wowereit hat Ihnen vorgehalten, Sie hätten als Aufsichtsratsmitglied die Gebühren schon vorher senken können.

Im Aufsichtsrat sitzen nicht nur das Land Berlin, sondern auch Anteilseigner. Der Finanzverwaltung liegen seit langem meine Vorschläge vor. Aber es gibt noch keinen abschließenden Beschluss.

Vor einigen Jahren wurde die Berliner Linke von den Bundes-Genossen heftig kritisiert. Sie würde zu viele Zugeständnisse an die SPD machen. Inzwischen zerreißt sich die Partei auf Bundesebene. Was raten Sie den Genossen?

Die Linke soll sich auf politische Themen konzentrieren. Wir brauchen keine Nabelschauen. Ich habe nichts gegen lebendige und kontroverse Diskussionen über das Gesundheitssystem, die Verhinderung einer Zweiklassen-Medizin oder die Reform der Rentenversicherung, um Altersarmut zu verhindern. Wir brauchen keine Personaldebatten, sondern Diskussionen über Sachthemen, wo die Menschen Lösungen von uns erwarten.

Als der bessere Wirtschaftssenator hat sich vor kurzem Finanzsenator Nußbaum vor der IHK dargestellt und ihre Wirtschaftsförderpolitik als nicht sehr effektiv kritisiert. Hat er recht?

Wir haben eine klare Strategie in der Wirtschaftspolitik und -förderung, die vom Senat einvernehmlich getragen wird. In der Berliner Wirtschaft gibt es einen breiten Konsens, dass die Konzentration auf die Wachstumsfelder richtig ist. Das sind Gesundheitswirtschaft, Verkehr und Mobilität, Kommunikation, Medien und Kultur. Wir haben dort Wachstumsraten von jährlich bis zu acht Prozent. Eine Evaluation der Innovationsförderung hat dieser beste Noten bescheinigt. Mir ist schleierhaft, wie der Kollege zu seiner Expertise gekommen ist.

Es gibt immer noch unterschiedliche Ansprechpartner für Unternehmen in Berlin. Warum wird das nicht besser koordiniert?

Wie kommen Sie darauf? Berlin Partner ist die zentrale Stelle für alle Fragen der Unternehmensbetreuung. Diese haben wir sogar mit 24 neuen Stellen verstärkt, die eng mit den bezirklichen Wirtschaftsförderungen kooperieren. Eine Umfrage unter Unternehmen ergab, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmen diesen Service gut bis sehr gut bewerten.

Berlin prosperiert zwar, aber warum ist Berlin mit 13,6 Prozent immer noch die Hauptstadt der Arbeitslosen?

Wir haben in Berlin die paradoxe Situation, dass es pro Jahr 30 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mehr gibt. Das schlägt sich aber nicht in der Entlastung des Arbeitsmarktes nieder. Das hat mehrere Gründe. In den letzten Jahren wuchs die Zahl der Einpendler aus Brandenburg auf über 109 000 an. Damit entlasten wir den Brandenburger Arbeitsmarkt. Im Gegensatz zu den anderen ostdeutschen Bundesländern hat Berlin eine wachsende Bevölkerung und damit einen erhöhten Bedarf an Arbeitsplätzen. Ich halte es für realistisch, in der nächsten Legislaturperiode 150 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosigkeit weiter abzubauen.

Herr Wolf, 2001 haben Sie nach dem Rekordwahlergebnis von Gregor Gysi mit 22,6 Prozent gesagt, das sei eine spekulative Blase. Wie sieht Ihr Wahlziel 2011 aus? Zehn Prozent plus X?

Besser als 2006 mit 13,4 Prozent und so gut, dass man an Koalitionsverhandlungen mit uns nicht vorbeikommt.

Das Gespräch führte Sabine Beikler.

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