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Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).

© TSP/ Thilo Rückeis

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop: "Wir haben nicht genügend Gewerbeflächen"

In Berlin wächst die Wirtschaft schnell. Viele Unternehmen wollen expandieren, doch es fehlen Gewerbeflächen. Ramona Pop warnt vor den Folgen.

Wer Berlin beim Wachsen zuschauen will, kann einen Blick auf die schwindende Zahl von Freiflächen im Stadtgebiet werfen. „Die Zeiten, in denen uns andere Städte um unsere vielen Freiflächen beneidet haben, sind eindeutig vorbei“, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) am Mittwochabend auf einer Podiumsdiskussion. Inzwischen zeige sich das auch deutlich mit Blick auf die Gewerbeflächen. „Es gibt viele Unternehmen, die expandieren wollen. Wir haben aber nicht genügend Gewerbeflächen für sie. Die Areale, die wir haben, müssen daher gesichert werden“, sagte Pop.

Unter dem Titel „Wirtschaft, Wohnen, Infrastruktur – wie entwickelt sich Berlin?“ hatten der Tagesspiegel und die Architektenkammer Berlin am Montagabend zum Gespräch eingeladen. Welche Strategien können Konflikte vermeiden und einen Ausgleich in der Flächennutzung für Wirtschaft, Wohnen und Infrastruktur herstellen? Mit welchen Konzepten kann die Senatorin trotz des knappen Raumes das Potenzial Berlins als Kreativmetropole Deutschlands schärfen? Mit Senatorin Pop diskutierten der Vizepräsident der Architektenkammer Berlin, Daniel Sprenger, sowie Hille Bekic, Vorstandsmitglied der Architektenkammer. Die Veranstaltung moderierte Tagesspiegel-Redakteur Gerd Nowakowski.

Konkurrenz zwischen Gewerbeflächen und Wohnungsbau

„Schon seit Jahren wächst Berlins Wirtschaft schneller als die der anderen Bundesländer“, setzt Pop fort. Doch das schafft nun Probleme. Denn gleichzeitig muss im Wachstum die nötige Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, etwa gute Verkehrsanbindungen oder die Breitband-Versorgung. Büro- und Gewerbeflächen sind knapp. In guten, innerstädtischen Lagen sind diese kaum mehr verfügbar, stehen oft in Konkurrenz zum Wohnungsbau

Die Folge: eine Verdrängung des Gewerbes aus der Innenstadt. Die Flächenkonkurrenz von Wohnen und Gewerbe wird noch verstärkt durch die Politik der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke), die die Schaffung von Wohnraum durch Dachgeschossausbau und Aufstockungen weitgehend verhindere. Das halte sie eindeutig für falsch, stellte Pop klar.

Zu wenige Wohnungen werden gebaut

Welche Instrumente braucht es nun? „Wir brauchen ein Gewerbeflächenkataster, das alle zur Verfügung stehenden Flächen überhaupt erfasst“, sagte Pop. Die großen Flächen seien natürlich bekannt. Auf dem Gebiet der Mischnutzung fehle die Erfassung aber komplett. „So könnten wir Gebiete sichern, um nicht nur von Konflikt von Konflikt zu steuern“, sagte Pop. Die Wirtschaftssenatorin räumt ein, dass derzeit nicht so viele Wohnungen gebaut werden, wie die Stadt sie brauche. „Wenn das anlaufen sollte, laufen wir in andere Konflikte rein“, so Pop. Gerne sehe die Senatorin auch Änderungen am Gewerbemietrecht. Doch dabei handelt es sich um Bundesrecht. „Wir müssen im Recht Regelungen schaffen, die unsere soziale Infrastruktur in der Stadt aufrecht zu erhalten“, sagt Pop.

In der Vergangenheit waren städtische Gewerbehöfe eine Institution. Doch die landeseigene Gewerbesiedlungsgesellschaft (GSG), die Handwerk und Gewerbe günstige Produktionsflächen bot, wurde vor Jahren verkauft. „Wir bräuchten wieder eine solche landeseigene Gesellschaft“, sagt Pop. Die Vergabe von Grundstücken in Erbpacht statt Kauf, wie Daniel Sprenger sie vorschlägt, sei kaum ein Weg, da sie für investitionswillige Unternehmen oft nicht attraktiv seien.

Es geht wieder um Tegel

Ein Problem sieht Pop eher in den vielen Grundstücken des Bundes und der Bahn. „Teilweise werden die Grundstücke einfach über unseren Kopf hinweg verkauft, nicht nur zum Nutzpreisverfahren sondern spekulativ“, sagt Pop. Als Beispiel nennt die Senatorin ein Grundstück in Kreuzberg, das derzeit zum Fünffachen des Verkehrswertes veräußert werde. Bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe sie in der Sache nichts bewirken können.

Rasch fällt das Gespräch auf den Flughafen Tegel. Der Senat beharrt darauf, den Flughafen zu schließen, sobald der BER eröffnet ist – der von der FDP initiierte Volksentscheid will das verhindern. Berlin brauche diese Flächen des Flughafens für Wohnungen und neue Unternehmen, betont die Wirtschaftssenatorin: „Tegel ist schon deswegen ein Schatz, weil wir kaum noch Flächen haben. Wir müssen das Gebiet entwickeln.“ Nur: Ansiedlungswillige Unternehmen sind bislang kaum bekannt. Brauchen Standortentwicklungen, wie etwa jener vom Technologiestandort Adlershof vor 25 Jahren, nicht viel Zeit? „Die Mischung aus Wissenschaft und Wirtschaft an einem Standort hat auch Adlershof stark gemacht. In Tegel wird es genauso, nur schneller passieren“, sagt Pop.

Ein nicht minder umstrittenes Thema: das Internationale Congress Centrum (ICC). Die Wirtschaftssenatorin ist gegen Abriss und will neue Konzepte erarbeiten lassen. Nach dem Vorbild des Steglitzer Kreisels kann sie sich beim ICC nach Schadstoffsanierung und dem Austausch der veralteten Technik vorstellen, dann einen privaten Investor zu suchen. Auf jeden Fall soll wieder Leben ins ICC einziehen.

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