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Fit durch Kunst. Die 71-jährige Hannelore Mühlenhaupt kümmert sich um den Umzug der Werke ihres Mannes – hier ein Foto von 1986 – von einem Gutshof in Brandenburg nach Berlin. An manchen Tagen legt sie beim Hinundherlaufen und Spazierengehen mehr als zehn Kilomenter zurück – der Schrittzähler zählt stets mit.

© imago/Jürgen Ritter

Witwe eröffnet neues Museum: Werke von Kurt Mühlenhaupt bald in Kreuzberg zu sehen

Kurt Mühlenhaupt gilt als Kreuzberger Milieu-Maler. Lange befanden sich seine Bilder in Brandenburg. Nun eröffnet seine Witwe ein neues Museum mit den Werken – im alten Berliner Kiez.

In dem urigen Hinterhof der Fidicinstraße 40 waren früher die Pferde der Schultheissbrauerei untergebracht. Heute wird dort Kunst gezeigt und produziert. Nicht umsonst trägt der Ort den Namen Mühlenhaupt Höfe: Der Künstler Kurt – am 19. Januar wäre er 99 geworden – und seine Frau Hannelore Mühlenhaupt erwarben das damals heruntergekommene Grundstück kurz vor der Wende.

„Nach einem Haufen Drecksarbeit“, so nannte der Kreuzberger Milieu-Maler die Herrichtung der Gebäude, gibt es dort heute das Theater Thikwa, ein Puppenspieltheater und Künstlerateliers – und ab März eröffnet ein neues Kurt-Mühlenhaupt-Museum Hannelore Mühlenhaupt, Witwe und Lebensorganisatorin des im Jahre 2006 verstorbenen Künstlers, ist dort gerade oft anzutreffen.

Geplant sind weitere Lesungen und Konzerte

Zu ihren Füßen liegt ihr „Fitnesstrainer“ Othello, ein großer betagter schwarzer Hund. Er begleitet sie beim morgendlichen Spaziergang auf den Kreuzberg und beim Brötchenholen für die Mitarbeiter. Dazu zählen die künstlerische Leiterin Christina Schulz, „Bufdi“, also Bundesfreiwilligendienstleistende Priscilla Schimitt aus Brasilien und zeitweise Eckhard Schulz, langjährige rechte Hand der Mühlenhaupts.

Gegen 14 Uhr zeigt Hannelores Schrittzähler-App bereits 10,42 Kilometer an. „Gut, heute bin ich besonders viel gelaufen“. Zweimal den Kreuzberg im Viktoriapark rauf und runter, danach trinkt sie einen Kaffee in der Bergmannstraße. „Den Rest bin ich hier hin- und hergerannt, um Stühle und Tische zu schleppen“, sagt die 71-Jährige.

Kurz nach Weihnachten gab es schon die erste komplett ausverkaufte Veranstaltung in dem neuen Museum, der Liedermacher Rainald Grebe und seine Frau, die Schauspielerin Tilla Kratochwil, lasen Briefe von Theodor Fontane. Nach der Eröffnung sollen weitere Konzerte und Lesungen stattfinden, eingerahmt von „Kurtchens“ Kunst.

Hannelore Mühlenhaupt, Witwe des Künstlers Kurt Mühlenhaupt, in den Räumen des neuen Mühlenhauptmuseums in der Fidicinstraße.
Hannelore Mühlenhaupt, Witwe des Künstlers Kurt Mühlenhaupt, in den Räumen des neuen Mühlenhauptmuseums in der Fidicinstraße.

© Corinna von Bodisco

[Das Museum wird voraussichtlich ab März 2020 geöffnet sein: freitags und samstags von 15-19 Uhr, aktuelle Infos unter muehlenhaupt.de. ]

Hannelore tischt an diesem Nachmittag im Januar Kuchen und Kaffee auf. „Die Kuchengabeln sind noch in Bergsdorf“, sagt sie. 30 Jahre hat sie dort, in Brandenburg, auf einem Gutshof verbracht. Letztes Jahr verkaufte sie ihn an einen chinesischen Investor und zog nach Kreuzberg, ins Vorderhaus der Mühlenhaupt Höfe.

Die Lebenswelt auf den Kreuzberger Straßen

Es sei nicht leicht gewesen, zu gehen, sagt sie. „Ich war in Bergsdorf zu Hause, aber ich habe immer von Kreuzberg geträumt. Und jetzt sehne ich mich nach dem Wald und der großen Lanke.“ Zwar gebe es auch ein starkes Kiezgefühl um den nah gelegenen Chamissoplatz, doch das Zusammengehörigkeitsgefühl sei auf dem Land intensiver.

Bei großen Veranstaltungen in Bergsdorf haben Hannelores Freundinnen Kuchen gebacken. In Kreuzberg fährt sie zur Metro, alles muss sich erst mal einspielen. In zwei Räumen, auf insgesamt etwa 150 Quadratmetern, hängen schon einige von Kurt Mühlenhaupts Ölbildern und Lithografien. Mit großer Leidenschaft malte er in den sechziger und siebziger Jahren Tiere, Landschaften, Menschen und beinahe jede Straße rund um den Chamissoplatz.

Seine Kunst sei eine für die kleinen Leute, sagt Hannelore, sie zeigt die Lebenswelt auf den Kreuzberger Straßen und in den Kneipen: Straßenfeger, Handwerker, Kellner, Bettler, Dirnen, Hochzeits- und Trauergesellschaften. „Trotzdem hängen seine Bilder jetzt vorwiegend in Arztpraxen und Anwaltskanzleien“, sagt sie.

Die Studenten, die damals in der von Kurt Mühlenhaupt gegründeten Künstlerkneipe „Leierkasten“ nicht bezahlen konnten, seien heute größtenteils Wasserwerks- oder Oberstudiendirektoren und kauften seine Bilder. Bei der roten Kirche in der Blücherstraße hatte der Künstler zudem jahrelang eine Trödelhandlung – neben dem Malen musste schließlich Geld reinkommen.

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„Tagsüber räumte er Wohnungen aus, abends hat er gemalt und alle Künstler kamen vorbei.“ Irgendwann kehrte sich das Prinzip um: Mit dem Verkauf seiner Bilder unterhielt er die Trödelhandlung, bis das Grundstück, auf dem sie stand, verkauft wurde. Ganz vertreiben lassen wollte er sich aber nicht und fand ein kleines Atelier am Chamissoplatz, wo er sehr glücklich gewesen sein soll. Doch irgendwann musste er auch dort weg.

Bergsdorf zog sie beide an

Eigentlich sollten die fertig hergerichteten Höfe in der Fidicinstraße nach dem Mauerfall der neue Arbeits- und Lebensmittelpunkt werden, aber es kam anders. „Nach der Wende hielten wir es nicht lange aus und wollten sehen, wie es den Künstlern drüben ging“, schreibt Kurt im Bild- und Sammelband zu seinem 80. Geburtstag. Das Grundstück in Bergsdorf machte beide neugierig, zog sie an.

Die brandenburgische Landschaft wurde im darauffolgenden Jahrzehnt zur Malkulisse. „Doch der Sehnsuchtsort blieb Kreuzberg.“ Nicht verwunderlich also, dass seine Kunst nun dorthin „zurückkehrt“, wie Hannelore sagt.

Nur den ehemaligen Schafstall in Bergsdorf, Kurts „Archiv“, habe sie nicht an die Chinesen verkauft. „Der Platz hier in Kreuzberg ist zu wertvoll, um nur Bilder zu lagern“, begründet sie die Entscheidung. Eine gute Nachbarschaft will sie hier weiter pflegen, im Herbst soll es zum dritten Mal ein Videofestival im Hof geben. „Und am 19. Januar, an Kurts Geburtstag, zeigen wir Filme von Ulrich Schamoni: ‚Mein Bruder Willi‘ und ‚Quartett im Bett‘“. Der Regisseur war natürlich auch ein Freund der Mühlenhaupts.

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