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Berlin: Wo der Westen noch bürgerlich ist

Lehmann-Brauns redet, Lindner streitet

Was für ein Idyll: Grüne Grünen-Luftballons und orange CDU-Luftballons schweben in trauter Einigkeit über Kinderhänden und Fahrradsitzen. Uwe Lehmann-Brauns, der für die CDU ins Abgeordnetenhaus will, behauptet in wahlkampfbedingtem Optimismus für die Union die „Lufthoheit“ beim Straßenfest an der Krummen Lanke. Das ist leicht übertrieben, doch Lehmann-Brauns und die CDU-Wahlkämpfer machen an einem sonnigen Nachmittag die Erfahrung, dass die Leute zuhören und die Faltblätter annehmen.

Das ist doch etwas nach dem Absturz von 2001, als die Union hier 20 Prozentpunkte verlor und vergleichsweise schmale 31,8 Prozent holte. Spätestens seit dieser Wahl gilt für die Gute-Leute-Gegend, in der beim Straßenfest statt Chinapfanne etwas Leckeres etwa von „Weine und Feines“ konsumiert wird, dass die CDU die FDP als Gegner ernst zu nehmen hat. Und es gilt, dass die Milieus sich ändern: Bürgerlich bedeutet hier immer öfter „angegrünt“. Der Kulturfachmann und Freizeitautor Lehmann-Brauns würde gewiss gern über Wertewandel und Konservatismus diskutieren. Doch kaum hat er Böses zur rot-roten Schulpolitik gesagt, kommen die Leute mit westalgischen Bemerkungen, die auf ein Gefühl der Zukurzgekommenheit schließen lassen. Oder sie vermissen an Spitzenkandidat Friedbert Pflüger ein deutliches Profil.

Dass seine Vorstellung schwächlich wirke, hat der FDP-Kandidat Martin Lindner, der hier seine politische Heimat hat, gewiss noch nie gehört. Lindner agitiert die ganze Stadt mit liberalen Ideen. Das Verteilen von Flugblättern im Südwesten steht selten auf seinem Terminplan. Er macht sich über Berlin her wie sonst über das Plenum im Abgeordnetenhaus. Dort halten ihn viele für den stärksten Oppositionspolitiker. Sicher provoziert er am meisten mit seiner langen Liste der Privatisierungsvorschläge und Senatsschlankheitsmaßnahmen. Wegen unmissverständlicher Klarheit und boshaftem Humor darf er einen Vortrag nach dem andern halten, debattiert bei der Industrie- und Handelskammer und mit türkischen Geschäftsleuten in Kreuzberg. Nur eins trübt seine Wahlkampflaune: die Schwäche der CDU.

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