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Stichfest. Ein Jungimker im Park des St.-Michaels-Heims. Foto: Björn Kietzmann

© Björn Kietzmann

Berlin: Wo die Drohnen wohnen

Imkern ist populär, 1000 Berliner halten Bienen.   Heute zeigen sie ihr Können beim Honigfest.

Andreas Kandzia ist eigentlich Diabetiker, aber seit ein paar Wochen nimmt er jeden Morgen eine Löffelspitze Honig. Schon als kleiner Junge liebte er Bienen und andere Insekten, auch die, die am See lästig stechen, meint er. Weil sie wertvolles Futter für Fledermäuse sind. Bei seiner besonderen Leidenschaft für die Bienen kamen ihm dann Schule und Arbeit dazwischen. Seit diesem Jahr aber hält der 63-Jährige in der Imkerei des St.-Michaels-Heims in Grunewald, in der Beute, dem Holzkasten für die Bienenwaben, mit der Nummer 15, sein erstes Bienenvolk. Seit ein paar Wochen hat er den ersten eigenen Honig zu Hause.

Mehr als 1000 Imker gibt es Schätzungen zufolge in Berlin. 800 von ihnen sind in Imkervereinen organisiert, dazu kommen Nachwuchsimker, die unabhängig von Vereinen in der Großstadt Bienen halten. Im Imkerkurs des St.-Michaels-Heims in Grunewald treffen sich jeden Sonnabend Jungimker, die dafür auch aus Wedding, Marienfelde oder Neukölln kommen: Rentnerinnen, die sich einen Lebenstraum erfüllen; Berufstätige, die, während sie Honig schleudern, von Tabellenkalkulationen abschalten oder einfach fasziniert sind von der Arbeitsweise in einem Bienenstaat.

Für viele Teilnehmer des Samstagskurses im St.-Michaels-Heims ist dabei gar nicht der Honig die Motivation für das Imkern, sondern Entspannung im Freien und Begeisterung für die Natur. Auch immer mehr junge Leute belegen Imkerkurse, die teilweise schon Monate im Voraus belegt sind. Auch Imkerzubehör ist in Berliner Fachgeschäften phasenweise ausverkauft, heißt es. Zwischen den Imkern, die schon seit Jahren in Vereinen organisiert sind, und Jungimkern gebe es aber teilweise Berührungsängste, sagt Mark-Wilhelm Kohfink vom Landesverband des Deutschen Imkerverbundes. In Kreuzberg wurde ein monatlicher Imkertreff eingerichtet, um Imker zusammenzubringen und Wissen über die Bienenhaltung in einem Ballungsgebiet auszutauschen. Auch ein Informationsdienst über Telefon und E-Mail ist geplant. Dabei gibt es zwischen den Imkern durchaus unterschiedliche Ansätze in der Bienenhaltung, etwa ob sie die Schwarmbildung in der Stadt zulassen sollen oder nicht und was „wesensgemäße“ Bienenhaltung ist.

Manche Nachbarn haben aus Angst vor Stichen große Bedenken gegen Bienenhaltung in ihrem Haus oder in der Nähe von Kitas, erzählt der 32-jährige Maic Winckler, einer der beiden Leiter des Imkerkurses im St.-Michaels-Heim. Die Angst ist allerdings oft unbegründet: Viele Menschen könnten eine Biene nicht von einer Wespe unterscheiden. Auch Bienenschwärme seien keine Gefahr, weil die Bienen in der Regel nichts zu verteidigen hätten und deshalb nicht aggressiv seien.

Das höchste Risiko, gestochen zu werden, haben die Jungimker selbst, wenn sie die Waben sichten und Honig entnehmen. Auf Blogs von Berliner Bienenfreunden findet man zum Beispiel ein Foto von einem geschwollenen Auge oder einen Eintrag über eine Hand „wie ein aufgeblasener Handschuh“. Im Imkerkurs des St.-Michaels-Heims wird großteils mit Schleier und Handschuhen gearbeitet, trotzdem bekommt gelegentlich ein Imker einen Stich auf dem Finger ab. Ruhige Bewegungen und kein aggressives Duschgel oder Parfum zu verwenden, das ist laut Winckler die beste Prophylaxe. Und Täuschung: Während der Arbeit an der Wabe versprühen die Imker Wasser, um Regen zu simulieren oder verbrennen Tannenzapfen. Durch den Geruch reagieren Bienen wie bei Waldbrand, sie ziehen sich zurück. Auch wenn die Imker viel beschäftigt wirken: Die meiste Arbeit übernehmen die Bienen, sagt Winckler.

Neben den Grundtechniken des Imkerns informieren die Kurse vor allem über Bienengesundheit. Seit Jahren ist in Europa und Nordamerika massives Bienensterben zu beobachten. Pestizide aus der Landwirtschaft, die dafür als ein Hauptfaktor verantwortlich gemacht werden, sind nach Einschätzung der Berliner Experten zwar kein Problem. Die Hobbyimker seien aber durch richtige Haltung dafür verantwortlich, dass Krankheiten wie die Faulbrut sich nicht zwischen Bienenvölkern verbreiten. Schlechte Standorte für Bienen gebe es in einer so grünen Großstadt wie Berlin eigentlich nicht, meint Winckler. Die Bienen müssten in einem Umkreis von drei Kilometern genügend Blüten finden, dann könnten sie in Höfen, in Lauben, auf Dächern oder auf einem Balkon stehen. Oder auf einem Friedhof.

Dort hat Younes Kheir, ebenfalls Jungimker vom St.-Michaels-Heim, für seine Bienen vergangene Woche erfolgreich angefragt. Wie Imker arbeiten, hat den 48-Jährigen schon in seiner Jugend im Libanon fasziniert. Im Hof seines Berliner Wohnhauses hält er schon gemeinsam mit seinem Bruder Bienen. Für weitere Völker und einen Bienengarten für Kinder benötigt der Schulsozialarbeiter aber mehr Platz. Den hat er jetzt auf dem Friedhof Buschkrugallee in Britz gefunden, für die Tiere sei der Standort ideal, sagt Kheir: 500 Linden und die Straße zum Friedhof voller Akazien.

An diesem Sonnabend stellen sich Berliner Imker und Initiativen beim Stadt-Honigfest vor. Für Interessenten gibt es Führungen zu den Bienenstöcken und Vorträge über Bienenhaltung in der Stadt. Von 11 bis 17 Uhr gibt es Veranstaltungen im Prinzessinnengarten am Moritzplatz, Prinzenstraße 35–38, Berlin-Kreuzberg

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