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Berlin: Wo die Liebe hinfällt

Sie ist 58 Jahre jünger und soll ihn misshandelt haben. Vor Gericht nahm der Rentner seine Frau in Schutz

Er ist 89 Jahre alt, sie könnte mit ihren 31 Jahren seine Enkelin sein. Doch sie sind Mann und Frau. Vor knapp zwei Jahren haben sie geheiratet. Auf Zweisamkeit rund um die Uhr hoffte der betagte Gatte allerdings vergebens. Stephanie T. zog es vor, in ihrer eigenen Wohnung zu leben. Sie kam und ging wie ein Gast. Geld soll ein ständiges Thema gewesen sein. „Ich gab es ihr freiwillig“, sagte der Rentner gestern vor dem Amtsgericht Tiergarten. Laut Anklage aber soll die Frau ihn erpresst und auch misshandelt haben.

Stephanie T. ist eine adrette Erscheinung. Zum Prozess trug sie ihre blonden Haare zu einem Zopf geflochten, um den Hals ein großes Kreuz. Früher gehörte ihr ein Frisiersalon in der Nähe einer Seniorenwohnanlage. Dort lernte sie auch den früheren Autohändler Otto T. kennen. Seine erste, gleichaltrige Ehefrau gehörte zu ihren Kundinnen. Vor etwa fünf Jahren starb sie. „Die Einsamkeit ist ein Problem für Herrn T.“, sagte seine Betreuerin im Prozess.

Der Rentner sitzt seit einem Oberschenkelhalsbruch im Rollstuhl. Die Verletzung ist einer von vier Punkten der Anklage. Demnach soll Stephanie T. im Dezember 2005 wieder Geld von ihm verlangt haben. Als er sich weigerte, habe sie ihm ins Gesicht geschlagen und ihm dann einen „starken Hieb“ in den Rücken versetzt. Otto T. sei gestürzt und habe die Fraktur erlitten. Vor diesem Angriff soll die Frau ihm drei Mal das Taschengeld, das er von seiner Betreuerin bekommen hatte, abgenommen haben.

Die junge Ehefrau schwieg gestern zu den Vorwürfen. Sie wirkte gelassen, auch als ihr Mann als Zeuge aufgerufen wurde. Vielleicht wusste sie bereits, dass er trotz seiner früheren Vorwürfe heute nur gut über sie reden wollte. „Meine Frau ist und bleibt für mich ein guter Mensch. Wir bleiben zeitlebens zusammen“, erklärte der weißhaarige Mann. Ja, er habe ihr Geld gegeben, sogar 30 000 Euro für ihr Grundstück bezahlt. „Aber alles freiwillig“, sagte er. Die Richterin hakte nach: „Sie haben bei der Polizei etwas anderes gesagt.“ Doch der Rentner ließ sich nicht festnageln: „Weiß ich, der Sachverhalt war ein anderer.“

Er könne sich heute auch nicht mehr erinnern, wie es zu seiner Verletzung kam. „Ich glaube nicht, dass sie mir Schaden zugefügt hat.“ Sicher, seine Frau sei „manchmal ungehalten, das ist ihr Temperament.“ Die Betreuerin von Otto T. schien über seine Aussage und die neue Version kaum erstaunt zu sein. „Er ist so leicht beeinflussbar“, winkte die Juristin ab. Sein einst beträchtliches Vermögen sei inzwischen „ziemlich geschrumpft“. Was die Frau betreffe, sei er wankelmütig. Mal rege er sich mächtig auf, dann besuche sie ihn und die Welt sei wieder in Ordnung. Der Prozess wird am 6. September fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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