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Berlin: Wo die Uschi mit dem Rainer

Zwei Berliner haben die Räume der Kommune 1 renoviert. Man kann sie als Ferienwohnung mieten

Vor zwei Wochen war das KommuneFlair plötzlich wieder da. 20 wildfremde Menschen hatten sich eingenistet, sie kamen aus dem Ruhrgebiet, aus Osnabrück und Kleinmachnow. Sie lungerten im Gemeinschaftsraum rum und breiteten überall ihr Zeugs aus, auch auf dem Fußboden. Bloß über Politik wollte niemand diskutieren, stattdessen über Strickmuster und Farbkombinationen.

Die Räume der ehemaligen Fabrikhalle in der Moabiter Stephanstraße 60 kann man mieten. Zum Beispiel, um einen Strick-Workshop abzuhalten. Oder wenn man gerne an einem historischen Ort nächtigen möchte. Immerhin lebten hier einst die Mitglieder der Kommune 1, Deutschlands erster und berühmtester 60er-Jahre-Wohngemeinschaft. Hier wurden nachts Reden geschwungen und Aktionen geplant. Und Uschi Obermaier verliebte sich in Rainer Langhans.

Am Donnerstag kommt der Film über Obermaiers Leben in die Kinos. Babett Ramsauer, 45, und Stephan la Barré, 44, werden ihn sich ansehen. Den beiden gehört das Haus in der Stephanstraße, sie selbst wohnen im zweiten Stock, auf 220 Quadratmetern, hier hatten die Kommunarden früher ihr Matratzenlager. Der erste und der dritte Stock werden vermietet, im Erdgeschoss ist eine SOS-Kinderdorf-Gruppe untergebracht.

Zu den 68ern haben die heutigen Besitzer wenig Bezug. Als Uschi Obermaier Ende September 1968 die Kommunarden kennenlernte – kurz zuvor war die Gruppe aus ihrem alten Quartier am Stuttgarter Platz nach Moabit gezogen –, wurde Ramsauer gerade eingeschult. Und dass la Barré heute dicke Wollpullis trägt, hängt nur damit zusammen, dass die riesige Wohnung schwer zu beheizen ist. Immerhin: Politisch interessiert sind beide, sie engagieren sich in ihrem Kiez, wollen einen Stadtteilladen organisieren.

Die gerade erschienene Autobiografie von Uschi Obermaier haben sie auch gekauft. Aber bisher nur das Kapitel gelesen, in dem es um die Kommune geht. Lustig, findet la Barré, wenn da etwa beschrieben wird, wie Dieter Kunzelmann nach Streitereien aus der WG verstoßen und vor die dicken Stahltüren gesetzt wurde. Die Türen gibt es heute noch, die neuen Besitzer haben deshalb lange mit dem Bauamt gestritten. Ansonsten ist nicht viel übrig von damals. Nur einige DIN-A5-Hefte, die Ramsauer und la Barré beim Renovieren unter den Holzdielen fanden. Darin sind seitenweise Adressen aufgelistet: von Rechtsanwälten, Drogenberatungsstellen und Ärzten, die damals Abtreibungen vornahmen. Auch politische Freunde wie das Komitee gegen politische Unterdrückung sind verzeichnet. Und gleich mehrfach die FDP, ob als Verbündete oder Anschlagsziel für neue Puddingattentate, steht nicht in den Heften.

Vor zehn Jahren war das Gebäude in der Zeitung annonciert. Ganz groß mit dem Hinweis „Haus der Kommune 1“. Das war aber nicht ausschlaggebend, sagt la Barré. Sondern das Wort „renovierungsbedürftig“. So ein Haus hatten sie gesucht. Das Dach musste neu gedeckt werden, die Heizung funktionierte nicht, Kabel hingen aus der Wand. Das war sicher nicht das Werk der Kommunarden, sagt la Barré, schließlich gab es später noch andere Nutzer. Und dass die berühmten Bewohner ihre Räume im November 1969 in chaotischem Zustand verließen, kann man ihnen nicht vorwerfen. Eine Rockerbande aus dem Märkischen Viertel hatte die Kommune überfallen, deren Mitglieder verprügelt und alle Möbel demoliert. Am nächsten Tag setzten sich Obermaier und Langhans nach München ab.

Heute kommen manchmal Ex-Kommunarden zu Besuch. Um einen Kaffee zu trinken oder Freunde herumzuführen. Das seien „alles sehr angenehme Gestalten“, sagt Ramsauer. Besonders mit Ulrich Enzensberger, damals das jüngste Gründungsmitglied, verstehen sich die Bewohner gut, der habe einen „realen Blick auf die Dinge“, verkläre nichts. Von ihren Gesprächen mit den Ex-Kommunarden wissen sie, dass viele Geschichten über die Gruppe Legenden sind. Etwa die Sache mit den angeblichen Sexorgien. Trotzdem haben die Bewohner einiges bewegt und Dinge aufgebrochen, sagt la Barré. Schon allein dadurch, dass ihnen manches angedichtet wurde, das dann andere nachahmten. Ramsauer glaubt, dass alle einstigen Bewohner mit ihrem Lebensabschnitt in der Kommune abgeschlossen hätten. Bis auf Rainer Langhans. Der hänge noch an seiner Vergangenheit. Erst letzte Woche war er wieder da, mit einem Fotografen vom „Spiegel“. Für den hat er sich auf den Holzfußboden gehockt, so wie damals. „Wir sitzen lieber auf der Couch“, sagt Ramsauer.

Die Ferienwohnungen im Internet: www.stephan60.de. Uschi Obermaier signiert ihr Buch „High Times. Mein wildes Leben“ (Heyne-Verlag, 14 Euro) am Sonnabend ab 15 Uhr im KaDeWe.

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