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Wohlfühlen in ganz Berlin: Geliebte Randlage: Was Einwohner an ihren Ortsteilen mögen

Alles drängt in die In-Kieze. Dabei ist die Stadt schon wenige Bus- oder Bahnstationen entfernt sehr lebenswert. Das sagen zumindest die, die sich entschlossen haben, nach Tegel, Spandau oder Grünau zu ziehen - dort wo es auch weniger kostet.


Alt-Tegel: Wohnen am Wasser

„Vorne die Ostsee und hinten die Friedrichstraße“ hat Kurt Tucholsky einst in seinem Gedicht „Das Ideal“ treffend beschrieben, wie viele Berliner am liebsten wohnen würden. Alt-Tegel ist zwar vom Bahnhof Friedrichstraße vierzehn U-Bahnstationen entfernt, und der Tegeler See hat keine rauschenden Meereswellen. Doch immerhin plätschert das Havelgewässer an der Greenwich-Promenade von Alt-Tegel recht munter, die Möwen kreischen, Enten watscheln über den Rasen, Rentner lesen Zeitung auf den Ruhebänken, der Wind knattert in den Fahnen der Reedereien und gleich vier bis fünf Passagierdampfer liegen vertäut am Kai. Wer hier entlangflaniert und sich an der „Sechserbrücke“ zum Tegeler Hafen wendet, fühlt sich schon ein bisschen wie an der Wasserkante. Und noch ein kleiner Tipp? Auf dem Weg zurück durch die Fußgängerzone Alt-Tegel gibt es gleich mehrere vorzügliche Eissalons. Die empfiehlt auch Gunter Jebram besonders, der hier lebt und sagt, er wolle nur noch zweimal umziehen: „ins Seniorenheim und in die Urne“.

Wohnen am Wasser: Am Tegeler Hafen lässt es sich nicht nur besonders idyllisch, sondern auch vergleichsweise preiswert wohnen.
Wohnen am Wasser: Am Tegeler Hafen lässt es sich nicht nur besonders idyllisch, sondern auch vergleichsweise preiswert wohnen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Gemeinsam mit seiner Frau Heide bewohnt Jebram 65 Quadratmeter, direkt am Tegeler Hafen und mit eigenem Gartenstück, gekauft vor einem halben Jahr für 170 000 Euro. „Die alten Wohnkomplexe werden renoviert, und es wird neu gebaut. Dadurch wird der Hafen hoffentlich auch für junge Menschen und Familien interessanter“, sagt Jebram. Gründe für den eigenen Umzug von Konradshöhe hierher seien leicht zu finden gewesen, sagt der Urberliner: Einkaufsmöglichkeiten wie die Markthalle seien viel näher, ebenso wie der Ku’damm. Der nahe Flughafen sei auch kein Störfaktor, da er nicht mehr als ein „leises Brummen im Hintergrund“ sei.

Das kosten Wohnungen:
Die Kaltmiete bei Neuvermietungen liegt bei 5,50 Euro pro Quadratmeter bei einfacher Ausstattung. Eigentumswohnungen kosten unter 2000 Euro pro Quadratmeter.

Gunter Jebram wohnt direkt am Tegeler Hafen. Er hofft, dass es künftig auch junge Menschen in seine Wohngegend zieht.
Gunter Jebram wohnt direkt am Tegeler Hafen. Er hofft, dass es künftig auch junge Menschen in seine Wohngegend zieht.

© Kitty Kleist-Heinrich

Altstadt Spandau: Leben mitten im Zentrum

Spandau ist die Alternative zur Gesamtberliner Innenstadt. Altstadtflair und Fußgängerzone mit Kneipen, Kino, Restaurants und Geschäften sind sonst nur in westdeutschen Unistädten zu finden. Der Spandauer Weihnachtsmarkt hat nicht umsonst einen guten Ruf. Segelvereine und Ruderklubs sind erreichbar. Und der Spandauer Bahnhof verbindet die Altstadt mit Berlin und der restlichen Welt. Sozial gesehen ist das Wohngebiet gut durchmischt und stabil, es gibt also weder Abstiegstendenzen noch eine drohende Aufwertung mit stark steigenden Mieten.

Die Bewohner der Spandauer Altstadt leben, wo andere shoppen gehen und abends in den Kneipen sitzen. „Ein bunt gemischtes Viertel“, sagt Hanni Papke, 45, die seit zwei Jahren in der Altstadt wohnt: von Rentnern über Alleinstehende bis hin zu kinderreichen Familien. Abends ist es ruhig, trotz des lärmfördernden Kopfsteinpflasters in vielen Straßen, über die aber nur noch wenige Autos fahren. Klackernde Rollkoffer, die ersten Anzeichen eines aufkommenden Interesses bei Touristen, lassen noch auf sich warten.

Die Altstadt von Spandau.
Die Altstadt von Spandau.

© Kai-Uwe Heinrich

Eine empfindliche Nase sollte man als Mieter in der Spandauer Altstadt aber nicht haben. Bei den regelmäßigen Straßenfesten entwickele sich Grilldunst, der noch tagelang durch die Straßen ziehe, sagt Hanni Papke, die sich gerade als Physiotherapeutin selbstständig macht. Vier Menschen – Vater, Mutter und zwei Kinder, der Sohn 23 Jahre, die Tochter 20 – leben in einer Mietwohnung von gut 130 Quadratmetern.

Vorher haben sie in Charlottenburg gewohnt, nah am Lietzensee, eigentlich eine beliebte Gegend – aber ihnen habe es dort nicht mehr gefallen.

Das kosten Wohnungen:
Die durchschnittliche Kaltmiete einfacher Wohnungen (bei Neuvermietung) liegt bei 4,44 Euro pro Quadratmeter, vergleichsweise wenig. 70 Prozent der Eigentumswohnungen kosten weniger als 1500 Euro pro Quadratmeter.

Hanni Papke (45) wohnt seit zwei Jahren in der Spandauer Altstadt, einem "bunt gemischten Viertel".
Hanni Papke (45) wohnt seit zwei Jahren in der Spandauer Altstadt, einem "bunt gemischten Viertel".

© Julia Nikschick

Wohlfühlen trotz Platte - in Hohenschönhausen

Hohenschönhausen – wer hier nur an Plattenbau und DDR-Charme denkt, irrt. Zwar dominieren hier immer noch die mehrgeschossigen Wohnbauten das Stadtbild, doch mit dem nahen Weißensee ist das Berliner Naherholungsgebiet zu Fuß erreichbar. Die Gegend ist heute sowohl für Studenten als auch für Familien eine Alternative, die Kunsthochschule Weißensee ist nebenan. Klaus Beubler wohnt mit seiner Frau in einer 86-Quadratmeter-Wohnung in der Dierhagener Straße, drei Zimmer inklusive Balkon für 550 Euro Warmmiete. „Mir fehlt hier nichts. Ich habe Sportklubs, Lebensmittelgeschäfte, ein Kino – nur ein richtiger Fleischer wäre super und ein richtiges kleines Café mit Eis im Sommer.“

Hohenschönhausen ist mehr als nur Platte.
Hohenschönhausen ist mehr als nur Platte.

© Kitty Kleist-Heinrich

Andernorts gibt es sogar Plattenbauten mitten im Szenekiez: Der Wohnturm in der Andreasstraße 22 in Friedrichshain war mal eine Platte, ist aber durchsaniert und mit anthrazitfarbener Aluminiumfassade nicht wiederzuerkennen. Überwiegend kleine und mittelgroße Wohnungen gibt es dort: 61 Quadratmeter in der 15. Etage für rund 730 Euro kalt. Vom Balkon reicht der Blick bis zum Horizont, über das Häusermeer hinweg. Der Vorzug sanierter Platten: Die Nebenkosten sind günstig, dazu gibt es Parkett, moderne Einbauküche und Badausstattung. Für fast denselben Betrag bekommen Mieter im hohen Nordosten knapp doppelt so viel Wohnfläche und zwar sogar im Maisonettenzuschnitt: 950 Euro warm für 120 Quadratmeter forderte die Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf nach der Sanierung ihrer Platten vor rund drei Jahren. Die Nachfrage war so groß, dass die Wohnungen verlost werden mussten, trotz der etwas längeren Reise ins Zentrum – dafür gibt es U-Bahn-Anschluss.

Das kosten Wohnungen:
Kaltmieten von Wohnungen mit einfacher Ausstattung liegen bei 4,70 Euro pro Quadratmeter. Günstige Eigentumswohnungen kosten zwischen 1100 und 1800 Euro pro Quadratmeter.

Oberschöneweide: Flughafennähe ohne Fluglärm

Klaus Beubler wohnt in Hohenschönhausen. Abgesehen von einem richtigen Fleischer und einem kleinen Café vermisst er nichts.
Klaus Beubler wohnt in Hohenschönhausen. Abgesehen von einem richtigen Fleischer und einem kleinen Café vermisst er nichts.

© Kitty Kleist-Heinrich

Als „Oberschweineöde“ wurde dieser Ortsteil lange verspottet, das aber gerät langsam in Vergessenheit – denn in der Gegend zwischen Spree und Wuhlheide tut sich eine Menge. Die denkmalgeschützten AEG-Hallen werden kulturell zwischengenutzt, in das ehemalige Kabelwerk sind die Institute der Hochschule für Technik und Wirtschaft eingezogen. Oberschöneweide gehört zum „Entwicklungsraum Südost“, der besonders vom Flughafen BER profitieren soll. Die Akteure stehen schon bereit. Einen „regelrechten Boom“ bei der Wohnungsnachfrage erwartet Christian Gérôme von der Allgemeinen Immobilien-Börse. Schon jetzt ist der Leerstand der 3300 Wohnungen der Degewo im Quartier von 5,5 Prozent in 2008 auf ein Prozent geschrumpft. Gegenwärtig sind 24 Wohnungen im Angebot, für rund sechs Euro nettokalt pro Quadratmeter (sanierter Altbau). Besonders jüngere Singles und Paare ziehen ins Quartier.

Seit sieben Jahren lebt Nortwich zusammen mit seiner Frau und zwei Hunden in der Wilhelminenhofstraße in Oberschöneweide, drei Zimmer Altbau, Dielen und Balkon. 85 Quadratmeter für etwa 630 Euro Warmmiete. Schöneweide sei zwar am Rand der Stadt, aber trotzdem belebt, sagt er, erst recht, seitdem die Hochschule immer mehr junge Menschen ins Viertel locke. Wichtig für den 27-Jährigen sind die kurzen Wege in die Wuhlheide und in die Alte Försterei, das Stadion von Union Berlin. Nortwich war Leistungssportler – einst im Probetraining bei Hertha – bis zu dem Tag, an dem vorderes und hinteres Kreuzband gleichzeitig rissen und es vorbei war mit den Fußballambitionen. Was bleibt, ist die Joggingstrecke in der Wuhlheide.

Das kosten Wohnungen:
Kaltmieten bei einfacher Ausstattung liegen bei 4,84 Euro pro Quadratmeter. Eigentumswohnungen kosten zwischen 1100 und 1800 Euro pro Quadratmeter.

In Oberschöneweide hat sich viel getan - und der Flughafen ist nah, aber nicht laut.
In Oberschöneweide hat sich viel getan - und der Flughafen ist nah, aber nicht laut.

© Kitty Kleist-Heinrich

Grünau: Geheimtipp für Familien

Am Rand der Stadt aber trotzdem belebt - so beschreibt Nortwich Oberschöneweide.
Am Rand der Stadt aber trotzdem belebt - so beschreibt Nortwich Oberschöneweide.

© Julia Nikschick

Grünau ist für eingefleischte West-Berliner immer noch ein Geheimtipp. Ostkundige kennen dagegen längst die Vorzüge: Wasser, Villen (saniert oder als Ruine) und eine Menge Platz im angrenzenden Waldgebiet.

Die Wohnungsbaugenossenschaft Köpenick Nord verwaltet rund 700 eher kleinere Wohnungen, die zwischen 5,10 und 6,40 Euro kosten. Allerdings werden frei werdende Wohnungen sofort weitergereicht, vor allem an junge Paare und kleine Familien. Wer es sich leisten kann, lässt seine Wohnung bauen. An der Regattastraße plant ein Unternehmen derzeit rund 600 Wohnungen in Wassernähe.

Zusammen mit ihrem Mann und ihrer Tochter wohnt Claudia Söhndel, 41, auf gut 110 Quadratmetern in der Lahmertstraße. Das Haus gehört den Schwiegereltern, und so spricht Söhndel angesichts der etwa 1000 Euro Warmmiete von einem „gewissen Familienrabatt“. Überhaupt Familie: Davon dürfe es ruhig noch ein paar mehr geben, sagt Söhndel, und hofft auf eine Verjüngung des Viertels.

Vom Spielplatz aus ist die Dahme vielleicht zehn Meter entfernt, gesichert hinter einer Steinmauer und dennoch gut erreichbar. Das ist der Vorteil vom Leben in Grünau: Der Weg zum Wasser ist kurz. Kurz genug, dass die zweijährige Maria abends mit ihrem Vater eine Runde Boot fahren kann. Claudia Söhndel hat schon als Kind hier in den Strandbädern geplantscht. „In der Stadt fährt man zu lange, um ins Grüne zu kommen“, sagt sie, und dass Grünau ideal sei für junge Familien. Die Suche nach einem Betreuungsplatz für die Tochter war einigermaßen schnell erfolgreich, wohl auch, weil viele ältere Menschen in der Gegend wohnen.

Das kosten Wohnungen:
Kaltmieten bei einfacher Ausstattung liegen bei 5,77 Euro pro Quadratmeter. Eigentumswohnungen kosten zwischen 1600 und 2000 Euro pro Quadratmeter.

Grünau ist ein Idyll für Familien.
Grünau ist ein Idyll für Familien.

© Kitty Kleist-Heinrich

Es geht aber auch günstig mitten in der Stadt

Claudia Söhndel (41) hofft auf eine Verjüngung in Grünau.
Claudia Söhndel (41) hofft auf eine Verjüngung in Grünau.

© Julia Nikschick.

Und wenn es doch die Innenstadt sein soll? Wohnen am Alex für 4,50 Euro pro Quadratmeter und Monat gibt's bei der "Solidarität": Genosse werden und Geduld mitbringen (zwei Jahre Wartezeit), dafür sind die Nebenkosten günstig (2 Euro) und man wohnt an der Karl-Marx-Allee oder in Lichtenberg.

Mitte für wenig Geld bietet auch die Genossenschaft Berolina: im Heinrich-Heine-Viertel zwischen Kreuzberg und Alex für 5,50 Euro netto kalt. Wartelisten gibt es nicht, dafür viel Andrang, wenn etwas frei wird.

Günstig wohnen in Berlin - das geht auch in Mitte.
Günstig wohnen in Berlin - das geht auch in Mitte.

© Thilo Rückeis

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