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Berlin: Wohnungen verkaufen?

PRO Mit welch optimistischen Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung überschlugen sich die Forschungsinstitute nach dem Mauerfall. Der Senat reagierte: Der damalige Bausenator Wolfgang Nagel brachte riesige Entwicklungsgebiete auf den Weg, um den Wohnungsbedarf der Metropole zu decken.

PRO

Mit welch optimistischen Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung überschlugen sich die Forschungsinstitute nach dem Mauerfall. Der Senat reagierte: Der damalige Bausenator Wolfgang Nagel brachte riesige Entwicklungsgebiete auf den Weg, um den Wohnungsbedarf der Metropole zu decken. Und heute? Wir werden nicht sechs Millionen Berliner sein, wie für 2010 prognostiziert, sondern nur 3, 5 Millionen, haben die niedrigsten Mieten und den größten Leerstand aller Hauptstädte. Die damaligen Entwicklungsgebiete sind längst abgewickelt oder wie die Wasserstadt Spandau nur im kleineren Maße gebaut worden. Gekostet haben sie allerdings Milliarden. Verlorenes Geld. Trotz einiger verkaufter Wohnungsbaugesellschaften besitzt Berlin noch 270 000 Wohnungen. Zur Steuerung der Mietpreisentwicklung als Gegengewicht zu raffgierigen Vermietern, die eine Mangelsituation ausnutzen wollen – so einst die politische Rechtfertigung –, brauchen wir diesen Bestand bei 150 000 freien Wohnungen nicht. Es gibt keinen Grund, an öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften festzuhalten. Frühere Verkäufe haben gezeigt, dass Mieterrechte gewahrt und Preise gedeckelt werden können. Natürlich muss der Senat schauen, den best möglichen Erlös zu erzielen. Schade, dass Berlin in der Krise verkaufen muss. Eine soziale Katastrophe ist ein Verkauf nicht.

CONTRA

Die Versuchung für den Senat ist groß, das Riesenhaushaltsloch durch den schnellen Verkauf von Landeseigentum wenigstens ein bisschen zu verringern. Man sollte ihr dennoch nicht erliegen. Es wäre voreilig und töricht. Die Stadt braucht Reserven. Gerade bei der Wohnungswirtschaft. Nicht nur Berlin hat kein Geld, vielen Berlinern geht es ebenso. Mehr als ein Drittel der Familien mit Kindern gelten nach offizieller Definition als arm, haben also weniger als 60 Prozent des nationalen Einkommens zur Verfügung. Und für die ist arm sein bestimmt nicht sexy. Für diese Menschen muss es bezahlbare, also billige Wohnungen geben. Auf die Mietpreise in der Stadt kann der Senat jedoch nur Einfluss nehmen, wenn er selber über einen gewissen Bestand an öffentlichen Wohnungen verfügt. Zudem sind derzeit auf dem Wohnungsmarkt keine vernünftigen Preise zu erzielen. Ein Verkäufer, der zu Geld kommen muss, ist bestimmt nicht in der Lage, vernünftige Preise zu verlangen. Dieses gilt nicht nur bei den Wohnungsbaugesellschaften, sondern auch bei anderem Landeseigentum. Jeder Käufer wird die Notlage ausnutzen. Das weiß doch jeder Privatmann, der so seine Schulden tilgen will. Und seien wir ehrlich, durch die Verkäufe wird nur ein nicht nennenswerter Teil der Schulden abgebaut; das Eigentum ist aber für immer dahin. Was machen wir dann im nächsten Jahr? Sigrid Kneist

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