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Wohnungmarkt: Gesucht: preiswerte Wohnungen

Das Stadtforum diskutiert über mögliche Strategien gegen steigende Mieten und Verdrängung in der Innenstadt. Ein stadtplanerisches Programm kann Bausenatorin Junge-Reyer nicht vorweisen.

Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer ist klar, wo für den rot-roten Senat ein gewaltiges Problem lauert: im Bereich des Wohnungsmarktes. Die Sozialdemokratin will „die Innere Stadt als Wohnort für alle sozialen Gruppen sichern“. Es gebe „ausreichend Wohnraum in der Stadt“, aber die Innenstadt sei nun einmal „attraktiv für Zuzügler“, sagte sie auf dem Stadtforum am Donnerstagabend im ehemaligen Amerika-Haus. Junge-Reyer stellte klar, dass es „eine Neuauflage des Sozialen Wohnungsbaus nicht geben“ werde. Da wurde Unmut laut in den hinteren Reihen des vollbesetzten Saales, der von Mitgliedern diverser Bürgerinitiativen ausging. Gleich zu Anfang hatten sich Vertreter von „Mediaspree versenken“ Gehör verschafft und Junge-Reyer neben 1500 weiteren Unterschriften gegen die Bauvorhaben des Senats drei weiße Rosen überreicht, worauf sich die Senatorin artig bedankte.

Das „Stadtforum“ war in den neunziger Jahren die vom damaligen Stadtentwicklungs-Senator Volker Hassemer souverän dirigierte Bühne, auf der sich die unterschiedlichen Akteure und Interessenten der Baupolitik darstellen konnten. Dies wohlgemerkt zu einer Zeit, da noch kaum sichtbare Ergebnisse des Bauens im wiedervereinigten Berlin vorzuzeigen waren. Das wiederbelebte „Stadtforum“ ist deutlich bescheidener angelegt. Im ehemaligen Amerika-Haus an der Hardenbergstraße ging es um das Thema „Strategien für die Innere Stadt“.

Das 1999 vom Senat als Leitlinie verabschiedete „Planwerk Innenstadt“, erstellt vom langjährigen Senatsbaudirektor Hans Stimmann, wird mittlerweile als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Junge-Reyer und Stimmanns Nachfolgerin, die Zürcherin Regula Lüscher, favorisieren ein „Planwerk Innere Stadt“, das über den Bereich der Innenstadt hinausreicht und künftige Brennpunkte des Baugeschehens einbegreift. Junge-Reyer spricht von „dynamischen Adressen". Planerisch nicht erfasst sind davon bislang der Bereich zwischen Hauptbahnhof, Heidestraße und Moabit, die „Tempelhofer Freiheit“ – wie das Areals des aufgelassenen Flughafens neuerdings bezeichnet wird – sowie der östliche Spree-Raum.

Wohnen zur Miete in der Innenstadt müsse „für mittlere Einkommen erreichbar“ bleiben, fuhr Junge-Reyer fort. Dies sei „eine schwierige Aufgabe in Konkurrenz zu anderen Politikfeldern“. Was in der gestelzten Sprache der Planungsprofis daherkam, meinte nichts anderes als die Konkurrenz durch Gewerbe, aber auch durch die insbesondere in der Mitte Berlins bevorzugten Eigentumswohnungen. Es gelte, „Lebensqualität und lebenswerte Umstände zu schaffen“: „Dazu muss man nicht an den Stadtrand ziehen müssen.“ Konkrete Handlungsschritte benannte die Senatorin jedoch nicht. Es blieb bei Gemeinplätzen wie: „Die Veränderung gehört zum Markenkern Berlins“. Oder: Der Senat wolle „die Vielgestaltigkeit der Kieze zu einem Markenzeichen Berlins ausbauen“. Wie diese Vielgestaltigkeit beispielsweise mit dem für ganz Berlin verkündeten Leitbild der „sozialen Stadt“ zusammenpasst, unter anderem also der sozialen Mischung ohne Ausschließung einkommensschwacher Schichten, blieb offen.

Die Senatsbaudirektorin Lüscher verbindet die Ausweitung des „Planwerks Innenstadt“ auf die „Innere Stadt“ mit einem „Strategiewechsel“. Sie wolle keinen allgemeingültigen Plan, sondern in Schwerpunkträumen „mit Masterplänen in die Tiefe gehen“ und diese Pläne dann zusammenführen. „Wenn man in Teilräumen arbeitet, hat man viel mehr die Chance, sich mit den Akteuren auseinanderzusetzen, mit den Betroffenen, auch mit den Gegnern, die vor Veränderungen Angst haben“, gab Lüscher ihre Philosophie zu verstehen. Und deutlicher noch: „Stadtentwicklung ist 99 Prozent Kommunikation und ein Prozent Pläne malen. Pläne produzieren keine Stadt.“ Auf die Frage nach der „Kernbotschaft“, die die besonnene Veranstaltungsmoderatorin, Elke Pahl-Weber, wiederholt stellte, antwortete Lüscher schließlich: „Ich bin gegen große Masterpläne – das ist meine Botschaft.“ Mit der „Arbeit in Teilräumen“ gewinne man „die Chance, näher an die Bürgerinnen und Bürger heranzukommen.“ Und die Mahnung aus Stuttgart: „Ich sehe, was die Republik bewegt – dass wir ganz an den Anfang von Bürgerbeteiligung die Information setzen müssen“.

„Wo die Bürger aktiv ihre Stadt in die Hand nehmen wollen“, erregte sich ein Diskutant, „werden sie von der Politik abgewürgt!“ Und erhob die absurde, aber offenbar weit verbreitete Klage, der Senat wolle „die Innenstadt frei von Hartz- IV-Empfängern“ machen. Von Seiten einer TU-Wissenschaftlerin wurde sekundiert, Berlin müsse „Wege entwickeln, wie subventionierter Wohnungsbau in das Spektrum der Planung aufgenommen“ werden könne. Das hatte Senatorin Junge-Reyer ausdrücklich abgelehnt. Sie will „Lebendigkeit und Vielgestaltigkeit der Kieze erhalten“ – ohne sagen zu können, wie das politisch zu bewerkstelligen ist. Die Schlussworte ihres Auftaktvortrags lauteten: „Berlin ist Lebensqualität, Freiheit und Zukunft“. Ein stadtplanerisches Programm sieht anders aus.

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