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Berlin braucht Wohnungen. Oftmals endet Bauvorhaben im Streit, die das Spezialkommando nun zu lösen hat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wohnungsbau in Berlin: Senat setzt Streitschlichter für umstrittene Bauprojekte ein

Immer wieder gibt es Streit über Wohnungsbauprojekte in Berlin. Nun hat Bausenator Michael Müller ein Spezialteam aufgestellt, das bei umstrittenen Projekten schlichten soll. Ein Besuch beim Spezialkommando.

Bausenator Michael Müller (SPD) greift durch: „Wir wollen in Zukunft einheitlich gegenüber Investoren auftreten und auch Anforderungen des Landes im Wohnungsneubau klar formulieren.“ Rund zwei Drittel des Mehrwertes, der durch die Umwandlung von Brachen in Bauland entsteht, sollen künftig in allen Bezirken in den Bau von Kitas und Schulen, Straßen und Wege oder andere öffentliche Infrastruktur fließen. Weil das Land Baurecht schaffe und die damit verbundenen Vorteile „muss das auch dem Land zugute kommen“, so Müller. Ein Mustervertrag, wie er jetzt in der Verwaltung erarbeitet wird, soll genau das leisten – „auch die Bezirke haben da ein Interesse“.

Spezialkommando für umkämpfte Bauprojekte

Einheitliche städtebauliche Verträge (siehe Seite zwei) sind ein Instrument, das der neuen Wohnungsbauleitstelle dienen wird. Die arbeitet im 16. Stock, Württembergische Straße. Im Chefbüro sind die Wände tapeziert mit Karten. Einige der darauf mit roten Kreisen markierten Flächen für den Bau neuer Wohnungen liegen den Besuchern zu Füßen. Denn so weit reicht der Blick über Berlin aus dem Fenster der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Außerdem steht ein roter Stuhl im Büro. Für den Senator? Für den Investor? „Für den, der mag“, sagt der Chef des neu geschaffenen Spezialkommandos für festgefahrene oder anders umkämpfte Bauprojekte, Ephraim Gothe – ein Mann, der nun selbst zwischen allen Stühlen sitzt.

Sie sollen's richten: Grit Schade, Ephraim Gothe und Dirk Böttcher.
Sie sollen's richten: Grit Schade, Ephraim Gothe und Dirk Böttcher.

© Ralf Schönball

Die drei Musketiere der "Wohnungsbauleitstelle"

Der Staatssekretär in der Bauverwaltung, der vor zwei Jahren noch Bezirksbaustadtrat von Mitte war, ist einer der „drei von der Leitstelle“, wie die Vermittler scherzhaft genannt werden. „Freundlich, verbindlich, vertraulich“, steht ihm der 42-jährige Dirk Böttcher zur Seite, der mit diesen Worten wichtige Eigenschaften im Umgang mit verzweifelten Investoren umschreibt. „Und Zusagen einhalten“, sagt Grit Schade, 45, die Frau im Bunde. Die drei haben in dem Vierteljahr seit Gründung der „Wohnungsbauleitstelle“ mehr als ein Dutzend Problemfälle abgeräumt – aber „viele Dutzend sind noch zu bearbeiten“.

Ein Grafik zeigt, wo genau in Berlin die neuen Wohnungen entstehen sollen.
Ein Grafik zeigt, wo genau in Berlin die neuen Wohnungen entstehen sollen.

© TSP

Aber auch wenn sie die drei Musketiere wären – reichen wirklich drei Leute, um das wichtigste Projekt der großen Koalition zu beschleunigen? Konflikte gibt es reihenweise im Berliner „Häuserkampf“: mindestens 30 000 Wohnungen will die Koalition in dieser Legislaturperiode bauen, doch kaum war das vermeldet, da blockierten Proteste die Projekte. Um jede Baulücke, die mit einem Wohnhaus gefüllt werden soll, wird gekämpft. Am Flugfeld Tempelhof sind Tausende gegen die Neubaupläne. Auch in Schmargendorf lehnen Anwohner die Teilbebauung der Gartenkolonie Oeynhausen ab.

„In Tempelhof haben wir es selbst in der Hand, und in Schmargendorf wird es ruhiger nach der Wahl“, sagt Gothe. Allerdings hat der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Baugenehmigung für rund 800 Wohnungen erst einmal kassiert. Mittelfristig könnte ein Gremium entstehen, das „nicht auflösbare Fälle“ wie diesen entscheidet. Zunächst sollen die 50 wichtigsten Bauprojekte und die darum geführten Auseinandersetzungen auf einer „Eskalationsleiter“ geordnet werden.

Investoren sollen sich an Kosten beteiligen und Wohnungen günstig vermieten

„Oft helfen Lockerungsübungen“, sagt Gothe. Der richtige Ton und Beharrlichkeit – Diplomatie ist schon deshalb wichtig, weil der Senat über Müllers neue Verträge Investoren nicht nur eine Beteiligung an den Kosten für den Bau von Leitungen, Kitas, Parks und Plätzen und sogar Schulen abtrotzen will, sondern auch günstige Wohnungen. Investoren bevorzugen den Bau teurer Eigentumswohnungen, die mehr Profit versprechen.

Geld könnte da helfen, aus der Wohnungsbauförderung. 32 Millionen Euro gibt es jährlich, das reicht zwar nicht aus, um wie in Hamburg jede dritte neue Wohnung zu subventionieren und für 7,50 Euro je Quadratmeter monatlich zu vermieten – aber wenigstens etwa jede sechste. Gerade umstrittene Projekte am Mauerpark oder an der Flottwellstraße in Mitte, in der Revaler Straße oder an den Victoria-Speichern in Friedrichshain könnten durch den Anteil günstiger Wohnungen doch noch Mehrheiten in den Bezirksparlamenten bekommen. Und weil Investoren ungern subventionierte Häuser bauen, steigen landeseigene Firmen ein und übernehmen das. Dadurch blieben die Mieten auch nach Ablauf der Förderung in 15 Jahren politisch steuerbar.

Senat reguliert, Berlin gewinnt

Städtebauliche Verträge 

Wenn Land und Bezirke Brachen in der Stadt in Bauflächen umwandeln, haben Verwaltungen immer schon mit den Investoren „städtebauliche Verträge“ abgeschlossen. Diese sehen vor, dass ein Teil des Wertzuwachses, der durch eine Umwandlung einer früheren Grün- oder Industriefläche in Bauland entsteht, für den Bau von Straßen, Parks, Kitas oder auch Schulen eingesetzt wird. So sollen auch Strom- und Wasseranschluss, Straßen, Plätze und Kitas in dem Quartier, das am Rande des Tempelhofer Feldes entstehen soll, ohne Einsatz von Steuergeldern finanziert werden.

Gleiche Verträge für alle

Bausenator Michael Müller (SPD) will nun dieses Verfahren einheitlich regeln für alle Bezirke. Dazu wird in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zurzeit an einheitlichen städtebaulichen Musterverträgen gearbeitet die alle Bezirke bei der künftigen Entwicklung neuer Wohngebiete zur Aufteilung des Mehrwertes mit dem Investor abschließen sollen. Bezirkliche Sonderregelungen würden dadurch seltener.

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