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Der Subventionsabbau im Bereich sozialer Wohnungen könnte für Berlin teuer werden.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wohnungsmarkt: Mietwucher in Sozialwohnungen könnte Dauerproblem werden

In Innenstadtlagen drohen in Sozialwohnungen Mieterhöhungen von 30 bis 100 Prozent. Das könnte zum Dauerproblem werden - denn der Mietspiegel wird für manche Gebäude noch auf Jahrzehnte nicht gelten.

Berlin hat ein spezielles Problem mit dem sozialen Wohnungsbau. Durch den Beschluss des Senats von 2003, damals noch mit Thilo Sarrazin (SPD) als Finanzsenator, Subventionen für Sozialimmobilien teilweise zu streichen, drohen Mietern in Innenstadtlagen, wie berichtet, Mieterhöhungen von 30 bis 100 Prozent. Rund 28 000 von 172 000 Berliner Sozialwohnungen sind von den Kürzungen betroffen. Drastische Mieterhöhungen wie in der Kreuzberger Friedrichstadt und dem Fanny-Hensel-Kiez nehmen zu. Sie könnten zum Dauerzustand werden, wenn die Politik nicht gegensteuert.

Das liegt an den öffentlichen Förderdarlehen, die für diese Immobilien noch über viele Jahre ruhen – wodurch die Beschränkungen des Mietspiegels bis auf Weiteres hier nicht gelten: „Die Darlehen werden überhaupt noch nicht zurückgezahlt“, erklärte ein Experte der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB) auf Anfrage. Denn erst weitere 15 Jahre nach dem Stopp der Subventionen muss der Eigentümer den Kredit zurückbezahlen, innerhalb von 21 Jahren. Für eine Immobilie, für die die Subventionen zum Beispiel zum 30. Juni dieses Jahres ausliefen, gilt nach planmäßiger Rückzahlung erst zum 1. Januar 2047 der Berliner Mietspiegel.

Bis dahin gelten in diesen über 700 Immobilien andere Gesetze. Vermieter, die vom Wegfall der Subventionen betroffen sind, dürften per Gesetz die Miete verlangen, die ihre Kosten deckt und die in Berlin zwischen 12 und 21 Euro pro Quadratmeter und damit weit über dem Mietspiegel liegt. Vermieter können die Kostenmiete auch willkürlich von einzelnen Mietern verlangen und sie faktisch zum Auszug zwingen. Mietern bleibt im Fall, dass sie nicht zahlen können oder wollen, nur ein Sonderkündigungsrecht. Zugleich hatte der Senat auf die Belegungsbindung, also die Weitervermietung nur an Bedürftige, verzichtet. „Die Wohnungen gelten so lange als Sozialwohnungen, bis die öffentlichen Kredite vollständig zurückgezahlt sind“, erklärt die IBB.

Auch ein Weiterverkauf oder eine Insolvenz ändern am Status „Sozialwohnung“ zunächst nichts. Bei Zwangsversteigerungen gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren, in denen der neue Erwerber die Kostenmiete weiter verlangen darf. An den Immobilien hängen außerdem Bürgschaften des Landes Berlin in Millionenhöhe. „Sarrazin hat den Ausstieg aus der Anschlussförderung gegen den Willen der Wohnungswirtschaft gemacht“, kritisiert Dieter Blümmel von Grundeigentümer-Verband „Haus und Grund“. „Der Senat hätte sich damals mit den Vermietern über eine Stundung der Darlehen einigen oder ganz auf die Rückzahlung verzichten sollen.“ Auch die Oppositionsparteien kritisieren die „Machart“, des beschlossenen Ausstiegs, als „fachlich nicht ausreichend“, wie der FDP-Abgeordnete Albert Weingartner sagt, oder als „Rasenmähermethode“, die zu zahlreichen „sozialen Härtefällen“ führe, wie es der wohnungspolitische Sprecher der CDU, René Stadtkewitz, formuliert.

Die Wohnungen, die keine Anschlussförderung mehr bekommen, wurden zwischen1985 und 1997 gebaut. 3,9 Milliarden an öffentlichen Geldern sind in die Immobilien geflossen, größtenteils Zuschüsse. Die Summe der ausstehenden Darlehen beträgt laut Stadtentwicklungsverwaltung 1,2 Milliarden Euro.

Als „kriminelle Vereinigung zulasten der Steuerzahler“ bezeichnet Dieter Blümmel vom Grundeigentümerverband die langjährige Subventionspraxis. Berlins Inselstatus sowie hohe Grundstücks- und Baupreise hätten in den 80er und 90er Jahren überteuerten sozialen Wohnraum gefördert. Profitiert hätten neben der Bauwirtschaft und den Initiatoren der Fonds, die Kleinanleger aus Westdeutschland mit Steuersparmodellen in die Immobilienfonds lockten, vor allem die Banken. Hohe Kredite wurden mit reichlich Steuerzahlergeld verbürgt, sagt Blümmel.

Berlin bürgt mit insgesamt zwei Milliarden Euro. Da viele Gesellschaften mit dem Ende der Subventionen in die Insolvenz gehen, muss das Land zahlen, bisher knapp 250 Millionen Euro. Der Senat hofft noch auf Unterstützung durch den Bund, der über 50 Prozent der Summe der Rückbürgschaften übernommen hatte.

Auch die Grünen suchen nach Lösungen: „Wenn das Land schon Bürgschaften zahlen muss, dann wollen wir wenigstens prüfen, ob man dafür Gebäude übernehmen kann“, sagt Andreas Otto, wohnungspolitischer Sprecher der Grünen. Die Senatsfinanzverwaltung beziffert die möglichen Ausfälle für Berlin mit rund 480 Millionen – vorausgesetzt, der Bund zahlt. Doch der weigert sich bisher. Eine Klage hatte Berlin in erster Instanz verloren. Durch den Beschluss, die Subventionen zu streichen, habe man den Bürgschaftsfall selbst ausgelöst. Berlin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Durch eine vorzeitige Rückzahlung der Förderdarlehen könnte Berlin auch Bürgschaftsverpflichtungen loswerden. Im aktuellen Bericht „zu Folgen der Einstellung der Anschlussförderung“ heißt es, bis Ende 2009 wurden in 35 Fällen Darlehen über insgesamt 20 Millionen Euro zurückgezahlt und damit Landesbürgschaften zurückgegeben.

„Wir sind für eine vorzeitige Ablösung der Darlehen“, sagt Dieter Eberhart vom Verband Berliner-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der mit rund 8000 Wohnungen vom Wegfall der Subventionen betroffen ist. Der Senat müsste aber zu „erheblichen Abschlägen von 50 Prozent plus“ bereit sein, sagt Eberhart. Verhandlungen darüber verliefen schon seit Jahren ergebnislos.

Konkrete Verhandlungen mit Eigentümern über die Ablösung von Förderdarlehen würden „nicht geführt“, heißt es dagegen bei der Finanzverwaltung. Man verhandele derzeit mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung über das künftige Mietenkonzept. In diesem Zusammenhang spielten „auch Überlegungen zur vorzeitigen Ablösung von Aufwendungsdarlehen eine Rolle“. Ein Ergebnis werde bis Ende des Jahres angestrebt.

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