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Michael Müller, 48, ist seit Ende 2011 Senator für Stadtentwicklung und Verkehr. Der frühere SPD-Chef widmet sich inzwischen verstärkt der Wohnungsnot.

© dpa

Wohnungsnot in Berlin: Bausenator will Tegel und Tempelhof entwickeln

Große Pläne, wenig Geld und politischer Gegenwind: Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller sieht sich im Kampf gegen die Wohnungsnot in Berlin mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Im Interview erklärt er, wie er die Wohnsituation trotzdem verbessern will.

Herr Müller, die Mieten steigen. Trotzdem sanieren landeseigene Gesellschaften ihre Wohnungen und langen danach etwa in Pankow kräftig zu durch Mieterhöhungen. Geht so die neue sozialverträgliche Mietenpolitik?

In Pankow geht es um alte Miethäuser mit verschiedensten Heizungssystemen unter demselben Dach: Kohleöfen, Gasthermen und Ölheizung. Da muss grundlegend saniert werden. Aber dafür haben wir unser Mietenbündnis: Gesetzlich könnte die Gesobau elf Prozent der entstehenden Kosten umlegen, aber sie legt nur neun Prozent um, weil wir das so vereinbart haben. Bei sozialen Härten kann die Sanierungsumlage sogar komplett ausgesetzt werden. Denn grundsätzlich gilt für alle Mieter landeseigener Gesellschaften: Wenn die Kaltmiete nach der Sanierung auf mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens steigt, dann können sie Einspruch dagegen einlegen. Nach der Sanierung profitieren aber die Mieter auch, weil ihre Heizkosten-Rechnung deutlich sinkt. Im Märkischem Viertel waren Heizungsanlagen und Fenster so marode, dass die Sanierung nahezu kostenneutral für die Mieter war. Die Mieter zahlen zwar mehr Kaltmiete, sie sparen aber fast denselben Betrag durch geringere Heizungsabschläge.

Aber auf dem freien Markt langen die Vermieter zu. Und Sie schauen nur zu?

Mietrecht ist Bundesrecht und Schwarz-Gelb erkennt die Wohnungsnot in den Städten nicht an. Das ist ein schweres politisches Versäumnis dieser Bundesregierung. Die Bevölkerung aller Städte in Deutschland wächst, in Hamburg, Köln und München zweistellig, aber auch in Leipzig oder Dresden. Deshalb fehlt es an Wohnungen. Die Bundesregierung hätte auf die prekäre Lage mit einem angemessenen Mietrecht reagieren müssen. Das tut sie nicht. Stattdessen werden sogar wichtige Initiativen der Länder im Bundesrat blockiert. Dort mussten sich schwarz-rot regierte Länder enthalten, weil die Bundes-CDU es so wollte. Das muss sich ändern mit einem Regierungswechsel nach der Bundestagswahl.

Sie meinen die Blockierung der Kappungsgrenzen von Mieterhöhungen bei Neuvermietung?

Ja. Das kann man mit Schwarz-Gelb nicht diskutieren. Dabei besteht hier der größte Problemdruck. Wer eine neue Wohnung sucht, erlebt Mietsprünge von teils 20 Prozent und mehr. Und wir haben keine Instrumente, um die Bundesgesetze zu umgehen. Die letzte Chance vor der Bundestagswahl liegt in einer Bundesratsinitiative von Hamburg zur Wiedereinführung des Wucherparagrafen auf dem Wohnungsmarkt. Dieser stellt überhöhte Mietforderungen unter Strafe, wenn eine Wohnungsnotlage wie in Hamburg oder auch Berlin herrscht. Wir unterstützen das, haben es selbst schon 2010 im Bundesrat gefordert. Jetzt muss die CDU Farbe bekennen.

Und der SPD-Bausenator legt so lange die Hände in den Schoss?

Im Gegenteil, die Verordnung zur Begrenzung des Mietenanstiegs im Bestand ist fertig und wird im Mai hoffentlich in Kraft treten. Dann sind Mieterhöhungen um maximal 15 Prozent in drei Jahren zulässig, zuvor durfte um 20 Prozent erhöht werden. Wir wollten die Kappungsgrenze im Mietrecht noch schärfer ziehen, wie für unsere landeseigenen Bestände, maximal 15 Prozent in vier Jahren beschlossen. Auch hier hat die Bundesregierung quergeschossen. Wir nutzen den maximalen Spielraum aus und erlassen die Verordnung für ganz Berlin.

Weil die Wohnungsnot zum Politikum wurde, gibt es Sperrfeuer von allen Seiten. Auch Fraktionen und Parteien reden Ihnen rein und legen eigene Konzepte vor. Was steht bei der Bauverwaltung überhaupt auf der Habenseite?

Jede Menge, vom Mietenbündnis bis hin zum Zweckentfremdungsverbot. Wir haben im letzten Jahr der Wohnungspolitik eine völlig neue Richtung gegeben. Und dann sind da die 13 000 Wohnungen, die landeseigene Gesellschaften in den letzten eineinhalb Jahren angekauft haben. Hinzu kommt der Neubau von 4500 Wohnungen auf eigenen Grundstücken, der jetzt konkret umgesetzt wird. Wir werden unser Koalitionsversprechen übertreffen, wonach wir den Bestand bei landeseigenen Gesellschaften um 30 000 Wohnungen aufstocken werden.

Das gehört zum laufenden Geschäft der Gesellschaften, wo sind ihre eigenen Impulse?

Die Gesellschaften haben sehr schnell umgesetzt, was wir an Zielsetzungen ihnen gegenüber formuliert haben. Ich werde darüber hinaus bei den Gesellschaftergesprächen mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen darauf drängen, dass ein Teil der rund 500 Millionen Euro, die jährlich in die Sanierung und Modernisierung der Bestände fließen, für den Neubau ausgegeben werden. Mit 100 Millionen Euro Eigenkapital kann man rund 3000 zusätzliche Wohnungen finanzieren.

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden geschröpft. Die Berliner SPD-Troika aus Wowereit, Saleh und Stöß fordert, dass sie sich außerdem kräftig verschulden. Beugen Sie sich dieser Maßgabe?

Sollten die Gesellschaften die Möglichkeit bekommen, 775 Millionen Euro neuer Schulden aufzunehmen, wird der Neubau zusätzlich gestärkt. Das ist gut. Seit Beginn der Legislaturperiode haben die städtischen Unternehmen bereits rund 1,3 Milliarden Euro ausgegeben, bis 2017 sind schon jetzt mehr als 2,5 Milliarden veranschlagt für den Ankauf von Beständen, für den Neubau und die Sanierung. Das ist schon ein Milliardenprogramm für gutes Wohnen in Berlin. Aber wir müssen sie darüber hinaus unterstützen durch Förderungen, um die Kaltmieten in Neubauten auf sechs bis sieben Euro zu senken.

Große Pläne, die bisher alle am Geld scheitern. Der Finanzsenator hat Ihnen gerade erst den Etat für den Ausbau der Fahrradwege so stark zusammengestrichen, dass Sie nicht einmal mehr das Budget der vergangenen Legislaturperiode erreichen. Woher soll das Geld für die Fahrradwege jetzt kommen?

Es gibt eine vom Senat beschlossene Radverkehrsstrategie, in der wir uns auf das gemeinsame Ziel der Stärkung des Radverkehrs verständigt haben, ebenso wie auf mehr Mittel dafür. Ich denke, das ist ein Ziel, hinter dem auch die Berlinerinnen und Berliner stehen. Letztlich muss das Parlament entscheiden, wie viel für mehr und bessere Radwege zur Verfügung stehen sollen.

Eine Zusage des Finanzsenators, günstigen Wohnraum zu fördern, fehlt bisher ebenfalls. Wie wollen Sie ihn von deren Notwendigkeit überzeugen?

Stadtentwicklung und Wohnen ist ein politischer Schwerpunkt dieses Senats. Das muss bei den Haushaltberatungen berücksichtigt werden. Wenn 250 000 Menschen neu nach Berlin ziehen in den kommenden Jahren, Zukunftsorte wie Tegel und Tempelhof entwickelt werden und auch Menschen zwischen 65 und 85 Jahren ein gutes Leben haben sollen, dann muss sich das abbilden in den Haushaltsberatungen – und nicht als eins unter zehn Themen rangieren. Wohnungsbau und Stadtentwicklung sind kein Selbstzweck, sie sind für die Menschen da. Und wir bekommen ein Problem mit den Menschen, wenn das nicht verstanden wird.

Das Gespräch führte Ralf Schönball.

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