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Protest gegen Gentrifizierung an der Karl-Marx-Alle im Bezirk Friedrichshain.

© Wolfgang Kumm/dpa

Wohnungspolitik in Berlin: Warum Mieter und Besitzer gemeinsam um ihre Lebensgrundlage bangen

Der rot-rot-grüne Senat stürzt den Wohnungsmarkt ins Chaos. Was könnte die Lösung für den verantwortungslosen Irrsinn sein? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Hatice Akyün

Langsam glaube ich, dass es einen Grund dafür gibt, warum der rot-rot-grüne Senat den Wohnungsmarkt ins Chaos stürzt: Wenn erst mal alle, die es sich nicht leisten können wegziehen oder ihr Eigentum verkaufen müssen, ist es in Berlin schön ruhig. Man bleibt unter sich und niemand nervt mehr.

Was für ein Irrsinn, was für ein Wahnsinn, mit welcher Verantwortungslosigkeit drei Regierungsparteien nicht nur Dächer über dem Kopf, sondern die Altersvorsorge von Menschen wie beim Roulette verspielen. Ich wohne jetzt seit 20 Jahren in Berlin und keine einzige Partei hat sich bisher verpflichtet gefühlt, weder den Mietsteigerungen Einhalt zu gebieten, noch dafür zu sorgen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Vielleicht sollte jemand den Verantwortlichen erklären, dass Sozialwohnungen und bezahlbarer Wohnraum zwei unterschiedliche Dinge sind. Wenn ich als Pflegerin und Elektriker, Vollzeit arbeitend, es mir nicht mehr leisten kann, in der Nähe meiner Arbeitsstelle und der Schule meiner Kinder zu wohnen, ist das politisches Versagen erster Klasse. Die Gegensätze zwischen rot und rot in der Wohnfrage erschöpfen sich darin, mit immer absurderen Ideen und einer rechtlich fragwürdigen Auslegung geltender Gesetze aufzuwarten.

Angst um die Lebensgrundlage

Nur grün hält sich vornehm zurück und wartet ab, wie es ausgeht, um sich dann ohne Verluste neu zu positionieren. Dachte man bisher, die politischen Gegensätze zwischen rot und schwarz könnten nicht größer sein, sind sie ein Klacks, verglichen mit den Gräben, von rot-rot-grün. Ein Machtspiel, bei dem es am Ende nur einen Gewinner gibt: Jene, die Wohnen bloß als Spekulationsmasse für höchstmöglichen Profit betrachten.

In meinem Umfeld gibt es Menschen, die zur Miete wohnen und die Eigentumswohnungen besitzen. Was sie verbindet ist die Angst, ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Die einen bangen, dass ihre Wohnungen noch teurer werden, weil große Wohnungsunternehmen es sich leisten können, rechtliche Mittel einzulegen und somit gesetzliche Schlupflöcher mit Hilfe von teuer bezahlten Anwälten zu finden. Und die privaten Vermieter bangen, dass sie den Verbindlichkeiten für ihre Altersvorsorge, ihre Wohnung, die sie erworben haben, als es in dieser Stadt noch möglich war, nicht mehr nachkommen können. War es nicht die Politik, die dazu geraten hatte, sich für das Alter zusätzlich privat abzusichern, weil man für die gesetzliche Rente nicht mehr garantieren konnte?

Private Bauherren sind agiler, strukturierter und erfahrener

Ich bin eine von denen, die sich ohne Lottogewinn, mit finanzieller Unterstützung meiner Eltern und mit Krediten bis über beide Ohren verschuldet hat, um mich für das Alter abzusichern. Auslöser war ein Brief meiner gesetzlichen Rentenversicherung, in der schwarz auf weiß die Höhe meiner zukünftigen Regelaltersrente stand. Mir lief es kalt den Rücken herunter, wie sollte ich davon leben? Es war mein Vater, der sagte: „Komisch, im Land der Bausparverträge leben die meisten Menschen trotzdem zur Miete.“

Also, was könnte eine Lösung sein? Zuerst die Erkenntnis, dass man als Staat nicht die Ressourcen hat, im großen Stile zu bauen. Zu langsam, zu unerfahren, zu bürokratisch. Private Bauherren sind agiler, strukturierter und erfahrener. Der Mittelweg wäre, dass jedes Bauprojekt in Berlin ab sofort aus 20 Prozent Sozialwohnungen, 20 Prozent Wohnungen für niedrige Einkommen und 20 Prozent für mittlere Einkommen gebaut werden müssen. Mit dem Rest darf der Investor machen, was er will. So bestimmt man zusammen, wie je nach Finanzlage gebaut wird. Das ist kein sozialistischer Unfug, sondern die schönste Form von sozialer Gerechtigkeit.

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