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Berlin: Wolf Kampmann über ein Festival der Nischenkultur

Es passiert nicht eben häufig, dass sich die internationale Jazz-Elite in Berlin versammelt. Politischer Sparzwang und Risiko-Unfreudigkeit der Veranstalter lassen die Innovativen längst einen großen Bogen um die deutsche Hauptstadt machen.

Es passiert nicht eben häufig, dass sich die internationale Jazz-Elite in Berlin versammelt. Politischer Sparzwang und Risiko-Unfreudigkeit der Veranstalter lassen die Innovativen längst einen großen Bogen um die deutsche Hauptstadt machen. Jazz ist in Berlin zu einem ungeliebten Stiefkind verkommen, über das man zwar gerne spricht, das sich jedoch nur mit Not sein Recht verschaffen kann. Eine glamouröse Jazz-Woche wirkt nicht nur wie Balsam auf entwöhnte Ohren, sie zeigt auch, was möglich wäre, wenn man sich hier endlich der zentralen Position Berlins im internationalen Kulturaustausch bewusst würde.

Den Anfang macht Herbie Hancock heute abend im Großen Sendesaal des SFB. Mit jener Band, die auch schon auf dem JazzFest Anlass zu Begeisterungsstürmen bot, feiert eine der einfallsreichsten Gestalten des zeitgenössischen Jazz sich selbst (Beginn 20 Uhr). Anlass hat er dazu allemal, denn zwei Tage später wird er sechzig. Ob sein Konzert ein Rückblick auf die letzten vierzig Jahre sein wird, auf die frühen Hardbop-Erfolge mit Blue Note, auf die Jahre im Miles Davis Quintet, auf die elektrischen Pioniertaten in den frühen Siebzigern, auf seinen packenden Funk Jazz oder auf seine jüngste Hommage an George Gershwin, wissen wir nicht. Derzeit arbeitet er an einem neuen elektronischen Abenteuer mit Bill Laswell. In kaum einer anderen Figur vereinen sich Vergangenheit und Zukunft des Jazz so organisch wie in Herbie Hancock.

Auch Dave Brubeck hat wahrlich das Prädikat Klassiker verdient. Mit fast 80 ist er der Übervater des Jazz, dessen Piano-Spiel immer noch genauso gepflegt und verspielt ist wie in seinen ganz großen Tagen, als ihn der unvergessliche Paul Desmond begleitete. Er spielt morgen in der Philharmonie (Beginn 20 Uhr). Zur gleichen Zeit tritt Arto Lindsay im Tränenpalast auf. Der einstige Lounge Lizard und erklärte non musician gehört zu den Protagonisten des No Wave und versteht sich ebenso auf Noise-Erruptionen wie auf sensible Songfragmente, die unter die Haut gehen und dort sichtbar bleiben wie ein Tatoo.

Maceo Parker, auch er eilt mit rasendem Tempo auf die 60 zu, spielte einst in James Browns legendärer Bläsersektion, tobte sich in P-Funk-Kreisen aus und gehört heute zu den Statthaltern des Funk Jazz. Von den Mühlsteinen des Intellektualismus in den Achtzigern um ein Haar zermalmt, erlebte er Anfang des letzten Jahrzehnts mit dem Acid Jazz Boom ein garndioses Comeback. Seitdem gilt er als schweißtreibender Party-Jazzer, der mit hippen Grooves und coolem Sound selbst das lethargischste Publikum in Taumel versetzt, am 15.4. in der Columbia Halle (Beginn 21 Uhr).

Wer sich schließlich auf der heimischen Szene ein wenig umsehen will, der sei auf Strid verwiesen, die am 14.4. im Parkhaus Treptow spielen. Zu zwei Vierteln aus Musikern von Frigg bestehend, verschneidet die Band avantgardistischen Jazz mit Ambient Sounds und herausfordernd fraktalen Break Beats (Beginn 22 Uhr).

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