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Berlin: Wolfgang Branoner will schlichten. Aber der Baustadtrat von Tiergarten, Horst Porath, und Organisator Ralf Regitz beharren auf ihren Positionen

Partys in Szene-Clubs sind ihm genauso vertraut wie der ADAC-Ball im ICC. Wolfgang Branoner fühlt sich auf jedem Parkett wohl.

Partys in Szene-Clubs sind ihm genauso vertraut wie der ADAC-Ball im ICC. Wolfgang Branoner fühlt sich auf jedem Parkett wohl. Der Wirtschaftssenator gibt sich gerne dynamisch und trägt um den Mund ein rundes Bärtchen zur feinen Nickelbrille. Beides ist modisch zwar nicht der letzte Schrei, aber Branoner unterscheidet sich trotzdem von seinen Kollegen aus der Senatsriege um Eberhard Diepgen. Denn dem CDU-Mann vermittelt den Eindruck, dass ihm der Zeitgeist nicht fremd ist, und das glaubt ihm auch jeder. Deshalb weiß Branoner, dass die Love Parade zwar längst nicht mehr der Impulsgeber für die Jugendszene ist, die sie vor sechs Jahren noch war. Aber er weiß, dass die Parade nicht nur Geld in die Stadt bringt, sondern auch das Image Berlins als moderne Metropole fördert, und das ist schließlich so etwas wie ein weicher Standortfaktor. Was ihn nervt und die Stadt lähmt, ist der Streit zwischen Horst Porath und Ralf Regitz.

Dabei ist Horst Porath eigentlich ein Gemütsmensch.Sein Amtszimmer im Rathaus Tiergarten versprüht den Charme der 70er: gemusterte Tapeten, robuste, aber nicht zu rustikale Sitzmöbel. Ein Hauch von Wohnzimmer. Hier sitzt der SPD-Baustadtrat gerne, um die Lokalpolitik seines Bezirks zu erläutern. Was ihn jedoch in Rage bringt, ihn auf der Sitzfläche seines Lehnstuhls hin- und herrutschen läßt, das ist die Love Parade. Nicht das Techno-Spektakel an sich. Dagegen hat der Stadtrat nach eigenem Bekunden nichts. Sondern gegen die Route, die seit Jahren auf der Straße des 17. Juni durch den Tiergarten verläuft.

Ralf Regitz ist das glatte Gegenteil von Horst Porath. Der Chef-Organisator der Love Parade ist gleichzeitig Geschäftsführer der Firma Planetcom mit einem Monatsgehalt von 10 000 Mark. Seitdem es seinen Techno-Tempel "E-Werk" nicht mehr gibt, konzentrieren sich er und seine Mitstreiter auf die Vorbereitung der Love Parade. In seinem Büro unterm Dach einer schicken Altbauetage an der Brunnenstraße in Mitte herrscht kreatives Chaos. Regitz selber telefoniert gerne lange und legt dazu die Füße auf den Tisch. Weiße Wände, helle Möbel, viel Papier, das scheinbar ungeordnet herumliegt. Er ist immer guter Laune. Das ändert sich schlagartig, wenn der Name Horst Porath fällt. Über die Auseinandersetzung mit dem Stadtrat um Auflagen und Genehmigungen für die Love Parade sind die beiden zu erklärten Gegnern geworden. Im vergangenen Jahr versuchte Regitz, Porath vor dem Verwaltungsgericht zu stoppen. Vergebens.

In diese vergiftete Atmosphäre mischt sich Wolfgang Branoner ein. Er will vermitteln. Ihm ist dazu ein Runder Tisch eingefallen. Das hat zwar wenig mit Zeitgeist zu tun, aber könnte nützlich sein. An diesem Runden Tisch sitzen neben dem Senator, dem Stadtrat und der Planetcom auch die Polizei und die Innenverwaltung. Nach langer Suche haben die Experten zwei Alternativrouten zur Stammstrecke durch den Tiergarten vorgelegt: Vom Ernst-Reuter-Platz bis zum Theodor-Heuss-Platz und vom Alexanderplatz zur Oberbaumbrücke, über Holzmarkt- und Mühlenstraße. Doch statt über die Vor- und Nachteile der anderen Strecken zu reden, fallen die Kontrahenten wieder übereinander her. So weiß sich Branoner auch nicht weiter zu helfen, als zu versuchen, Zeit zu gewinnen: "Die Entscheidung fällt in der zweiten Februarwoche", verkündet er. Was am Runden Tisch gesprochen wird, soll nicht nach außen dringen.

Die Love Parade ist politisch zu einer hoch sensiblen Angelegenheit geworden. Weil der Senat vor Jahren vor den Drohungen einknickte, das Techno-Spektakel könne sich aus Berlin verabschieden, gilt die Love Parade seither unstrittig als politische Demonstration. Und weil das so ist, trägt das Land alle Kosten für die Müllbeseitigung, nicht aber für den Dreck im Tiergarten und die Schäden an der Parkanlage. Und das bringt immer mehr Gegner auf den Plan. Aber letztlich gilt für die Love Parade, was für jede Demonstration gilt: Der Veranstalter und nicht die Politik legt die Route fest.

Und der Veranstalter, also die Truppe um Ralf Regitz, will am Tiergarten festhalten. Formal aus Gründen der Sicherheit. Bei einer Panik könnten sich die Massen schnell in den Park verflüchtigen. Tatsächlich geht es auch um die millionenschwere Vermarktung. Fernsehbilder von rastlosen Ravern mit der Siegessäule und dem Brandenburger Tor im Hintergrund lassen sich einfach besser verkaufen als mit den Tankstellen an der Mühlenstraße in Friedrichshain. Und da beginnt für Branoner, die Luft als Vermittler dünn zu werden: Die Image-Werbung für die Stadt klappt am Besten mit den Wahrzeichen im Bild.

Horst Porath ahnt, dass alles so kommt wie jedes Jahr. Auch, weil sich in Charlottenburg schon massiver Protest gegen die Alternative zwischen Ernst-Reuter-Platz und Theoder-Heuss-Platz regt. Porath sieht die Love Parade am 8. Juli 2000 wieder auf den Tiergarten zurollen. Und schon fährt er schweres Geschütz auf. Er glaubt nicht an die Verhandlungsbereitschaft der Love-Parade-Veranstalter: "Regitz sieht in dem Runden Tisch nichts mehr als eine Alibi-Verhandlungen." Sein Indiz dafür: Regitz habe während der letzten Runde durchblicken lassen, an der Tiergarten-Route festhalten zu wollen, die Alternativen stünden nicht wirklich zur Diskussion. Das bestreitet die Verwaltung von Wolfgang Branoner. Noch sei alles offen.

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