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Berlin: Wolfgang Wieland verlässt die grüne Doppelspitze

Seine Kollegin Sibyll Klotz will weiter Franktionschefin bleiben / Wie die beiden Oppositionspolitiker über Ämter und Mandate denken

Die Parole für die Oppositionsarbeit der Berliner GrünenFraktion strotzt vor Optimismus: konstruktiv, kreativ, kritisch. Auch die Stimmung unter den 14 Grünen-Parlamentariern könnte nicht besser sein. Die Partei käme jetzt nach jüngsten Umfrageergebnissen auf 16 Prozent – obwohl die Grünen mit ihren politischen Leibesübungen, die sie 2001 zwischen Opposition, kurzem Senats-Intermezzo und wieder Opposition zum Besten gaben, bei den Abgeordnetenhauswahlen mit 9,1 Prozent nicht die Qualifikation für die Spitzenliga der regierenden Parteien erreichten.

Sie blieben auf der Oppositionsbank sitzen und verfolgen seitdem eine eigenständige Grünen-Linie, nach ihrem Selbstverständnis eine „Opposition der Mitte“. Mal geht die Fraktion mit dem Senat konform, mal arbeitet sie mit den anderen Oppositionsparteien CDU und FDP zusammen. Was hält die Fraktion vom Solidarpakt, von der Schul- und Sozialpolitik, vom Untersuchungsausschuss zur Bankenaffäre – und wie geht die Arbeit in der Fraktion weiter? Darüber haben Sabine Beikler und Lorenz Maroldt mit den Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland und Sibyll Klotz gesprochen.

Über die Fraktionsführung

An der Doppelspitze der Berliner Grünen-Fraktion steht ein halber Wechsel bevor. Während Sibyll Klotz bei den Wahlen zum Fraktionsvorstand im Januar wieder als Vorsitzende kandidieren wird, sagt Wolfgang Wieland: „Ich tendenziell nicht.“ An dieser Tendenz wird sich wohl nichts mehr ändern, vor dem offiziellen Nein steht allerdings noch die Information der Fraktion am kommenden Dienstag. Wieland: „Das ist jetzt eine gute Gelegenheit, den bereits eingeleiteten Generationswechsel zu vollziehen. Wir sind stabilisiert und haben uns in der Opposition gut behauptet.“ Bei der Doppelspitze soll es bleiben. „Damit sind wir gut gefahren“, sagt Klotz, „wir hätten sonst nicht so viele Frauen in der ersten Reihe“. Verbessert werden soll die Zusammenarbeit mit dem Landesverband; die Konkurrenz zur Fraktion sei, so Klotz, „nicht immer konstruktiv“ gewesen.

Über die neuen Bundesvorsitzenden

Auf dem Bundesparteitag in Hannover scheiterte der Versuch, die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben. Die Vorsitzenden Claudia Roth und Fritz Kuhn mussten, womit zu rechnen war, ihre Parteiämter abgeben, weil sie ihre Bundestagsmandate behalten wollten. Vor dem Bundesparteitag wurde Wolfgang Wieland als möglicher Kandidat für den Parteivorsitz ins Gespräch gebracht.

Wieland: „Ich bin gar nicht erst nach Hannover gefahren, weil ich Angst hatte, dass ich als Vorsitzender zurückkomme. In dieser Nacht war alles möglich. Aber die Bedingungen sind so unglücklich wie noch nie.“ Die neue Spitze mit Angelika Beer und Reinhard Bütikofer gelte Teilen der Partei jetzt als lebender Beweis dafür, dass die Aufhebung der Trennung notwendig ist. „Ich habe zum Beispiel volles Verständnis für jemanden wie Matthias Berninger, der es abgelehnt hat, zu kandidieren. Zu behaupten, er habe als Staatssekretär nur an seinen Dienstwagen gedacht, ist schon ein bisschen schlicht.“

Über Ämter und Mandate

Auf der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen im November lehnte die Berliner Basis die Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat ab. Die Entscheidung, ob der Landesvorstand auch für Fraktionsmitglieder erweitert wird, steht im Februar auf der nächsten Landesdelegiertenkonferenz an. Klotz und Wieland sprechen sich für einen erweiterten Landesvorstand aus: Durch die engere Zusammenarbeit zwischen Fraktion und Parteispitze soll im Berliner Landesverband ein „strategisches Zentrum“ gebildet werden. Sibyll Klotz: „Ich kenne niemanden, der die Grünen wegen der Trennung wählt. Hunzinger und die Bonusmeilen haben uns mehr geschadet. Ich kann es nicht nachvollziehen, warum an dieser Stelle die Emotionen so hoch gehen.“

Wieland widerspricht: „Ich kann es schon nachvollziehen. Die Trennung ist Teil unseres Selbstverständnisses und nicht grundlos in der Satzung.“ Die grüne Politik kranke nicht wesentlich an der Trennung von Amt und Mandat, aber ohne sie leide die Vielfalt. „Ich kenne viele, die uns wählen, weil wir noch nicht ganz so sind wie die anderen Parteien. Hunzinger und die Bonusmeilen sind Warnsignale: Es wächst die Gefahr, abzuheben und Versuchungen nachzugeben.“

Über den Senat

Was wäre anders in Berlin, wenn die Grünen mitregieren würden? Sibyll Klotz sagt: Nicht die Rahmendaten wären anders, nicht die Haushaltslage, aber: „Die Stimmung wäre anders, das sollte man nicht unterschätzen.“ Klotz kritisiert „Entscheidungen vom roten Tisch aus über die Köpfe der Betroffenen hinweg“. Wowereit und Sarrazin seien „eindeutig kommunikationsgestört“.

Über den Solidarpakt

Klotz weist darauf hin, dass der Solidarpakt mit den Gewerkschaften eine Erfindung der Grünen gewesen sei. „Wir hätten ein Gesamtpaket geschnürt, nicht einfach eine Zahl als Vorgabe genannt.“ Wichtig sei, dass erkennbar ist, welchen Beitrag andere Bevölkerungsgruppen leisten, zum Beispiel die Fondsteilhaber der Bankgesellschaft. Die Gewerkschaften brächten auch eine Sanierungsperspektive, aber: „Der Senat zeigt keinen Respekt gegenüber den Betroffenen.“

Wieland sagt: „Unsere Vorschläge wurden von der Großen Koalition erst gar nicht aufgenommen. Jetzt will sie Wowereit in einer Art Dressurakt vollziehen, nach dem Motto: ,Ich knacke Verdi alle Gräten’.“ Bei Wowereit und Strieder breche da „der ganze sozialdemokratische Selbsthass aus“. Das seien Steilvorlagen für die Hardliner auf der anderen Seite, die den Solipakt nicht wollten.

Über die Schul- und Sozialpolitik

Klotz sagt: Es müssten „gezielter diejenigen gefördert werden, die der Hilfe wirklich bedürfen“. Aus der Lernmittelfreiheit aber zum Beispiel dürfe sich der Senat nicht ganz zurückziehen. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) will die Lernmittelfreiheit abschaffen. Er favorisiert ein Modell, in dem Eltern – gestaffelt nach Einkommen – die Kosten für Unterrichtsmaterialien übernehmen sollen. Wieland kritisiert, dass gerade „die Normalverdiener“ immer mehr belastet würden, wie jetzt wieder mit dem Kauf von Schulbüchern. Es sei immer leicht zu sagen, nichts spreche dagegen, dass sich sehr gut Verdienende an solchen Kosten beteiligten. Dabei lasse man aber oft die außer Acht, die am Ende die Lasten tatsächlich tragen müssten.

Über den Bankenskandal

Als der Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre und zum Bankenskandal im April vergangenen Jahres gegründet wurde, vertraten Wolfgang Wieland und Barbara Oesterheld die Grünen im Untersuchungsausschuss. Im rot-grünen Übergangssenat war Wieland Justizsenator. Unter ihm wurde die Sonderermittlungsgruppe zur Bankaffäre bei der Staatsanwaltschaft aufgebaut. Wieland: „Die Große Koalition hat sich ein kleines Atomkraftwerk in den Vorgarten gestellt und jede Kontrolle vergessen.“ Die Schuld der SPD sei größer, als es bisher erscheint, und es seien sehr viele Sozialdemokraten beteiligt gewesen. „Die CDU hat zwar nicht Nein gesagt zur Gründung der Bankgesellschaft, aber angeschoben hat das die SPD.“ Der eine Teil der Aufsichtsräte hätte wissen müssen, mit was für Fonds diese Bank handelt und welche Garantien sie gibt, der andere Teil hätte es zumindest wissen können. Warnungen vor den Risiken seien überwiegend in den SPD-geführten Verwaltungen hängen geblieben oder „mit unglaublicher Arroganz abgebügelt“ worden.

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