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Workshops und Kino am Sonntag: So will eine Initiative den Flughafen Tempelhof wiederbeleben

Es klappt nicht mit der Bürgerbeteiligung an der Zukunft für den ehemaligen Berliner Flughafen. Nun hat eine Initiative am Sonntag einen Aktionstag geplant.

Super, dass der Tagesspiegel-Fotograf Mike Wolff auch mal hier gearbeitet hat. Vor der Wende noch – als amerikanische Militärmaschinen auf dem Flugfeld abhoben und landeten. Dann kann man auf der Suche nach einem Motiv gleich fachsimpeln: Über das „Silver Wings“, den ehemaligen Alliiertenclub, und die wilden Parties dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Über den begleisten Versorgungstunnel, der sich bis zur Neuköllner Hermannstraße zieht und unerklärlicherweise völlig frei von Graffiti geblieben ist.

Und über die jüngst installierte Beschilderung, die auf dem riesigen Gelände nur für noch mehr Verwirrung sorgt – da kommt schon ein Taxifahrer angebraust, bleibt vor einer der Betonfassaden stehen, Scheibe runter: „Wisst ihr, wo ich Hangar fünf finde?“. Und natürlich über die Zukunft der mehr als 200.000 Quadratmetern Fläche des Flughafens Tempelhof – eine, die den Berlinern gehört, finden Mona Saddei, Hisham Karkutli und Luzie Kutz. „THF Next Generation“ nennen sie ihre Initiative.

Das Gelände sollte eigentlich "partizipativ entwickelt" werden

Am heutigen Sonntag haben sie einen Aktionstag im Hangar 1 des ehemaligen Flughafens geplant: Sie und andere Bürgergruppen rund um den ehemaligen Flughafen Tempelhof wollen sie sich vorstellen und mit Interessierten ins Gespräch kommen und weitere Pläne schmieden, wie das alte Flughafengelände Tempelhof künftig genutzt werden soll.

Eigentlich sollte das Nutzungskonzept für das Gelände „partizipativ entwickelt“ werden, wie es im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün heißt. Dafür wurde ein Arbeitsgremium auf den Weg gebracht, dass Leitlinien formulieren und sicherstellen soll, dass alle Berlinerinnen und Berliner ein Mitspracherecht haben. Doch die Beteiligung stockt. Handfeste Ergebnisse gibt bisher wenige, trotz eines Etats von 150000 Euro. Und die vom Senat mit der Vermietung und Sanierung des Geländes beauftragte Firma Tempelhof Projekt, die auch das Verfahren leitet, steht in der Kritik. Statt die Partizipation voranzutreiben, plant sie, wie der Tagesspiegel berichtete, in Eigenregie eine millionenschwere Kunstausstellung zur Eröffnung der Haupthalle – ohne Bürgerbeteiligung.

Im Mittelpunkt steht die Wiederbelebung des lahmenden Beteiligungsprozesses

Mit dem Aktionstag will die Initiative jetzt einfach selber für Partizipation sorgen. Der Dokumentarfilmer Matthias Coers möchte seinen Film über nichtkommerzielle Initiativen im Ruhrgebiet („Gegenteil von Grau“) zeigen lassen. Und es wird Gemeinschaftsaktionen geben: Eine Bühne mit Live-Musik oder einen Kleidertausch zum Beispiel. Im Mittelpunkt steht die Wiederbelebung des lahmenden Beteiligungsprozesses.

„Viele denken bei Partizipation gleich an Hippies und Batik-Shirts. Dabei sieht man doch, wenn man nach Dänemark und Holland schaut: Die schönsten Sachen entstehen so“, sagt Saddei, die an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Regionalmanagement studiert. Eine große Inspiration sei der dänische Architekt Jan Gehl, der Kopenhagen zur nachhaltigen und menschenfreundlichen Metropole umgestaltet hat.

Auch in Berlin gibt es Modellprojekte: Das Haus der Statistik in Mitte, ein ehemaliger DDR-Verwaltungsbau, bei dem sich ein „integratives Werkstattverfahren“ durchgesetzt hat. Dieses sichert die soziale und kulturelle Nutzung. „Wir wollen ein Bündnis schaffen – um dann im Sommer mit richtig vielen Aktionen hier am Flughafen zusammen zu kommen“, fasst Kutz das Anliegen zusammen.

Ursprünglich wurden in dem Hangar Flüchtlinge untergebracht

Einer der Begegnungsräume in den ehemaligen Flughafenhallen ist Hangar 1: Kunstrasen liegt aus, die frühe Abendsonne scheint in die riesige Halle, in der einst Flugmaschinen instandgesetzt wurden. Alba Berlin hat ein modernes Basketballfeld gesponsert, daneben stehen Menschen an Tischtennisplatten und Billardtischen, aus dem Fußballkäfig drängt Gezeter und das dumpfe Klatschen des Balls, als er gegen die Wand donnert. „Wir würden den Ort natürlich gerne weiter benutzen“, sagt Kutz, euphorisiert und nachdenklich zugleich.

Denn ursprünglich war der Sporthangar Teil der Unterbringung von Geflüchteten in Tempelhof. Doch seitdem die das Gelände verlassen haben, wird auch die Nutzung des Begegnungshangars enden. Rund 1500 Leute, längst nicht nur Geflüchtete, kommen jede Woche, um Sport zu treiben, reparieren ihre Fahrräder in der offenen Werkstatt oder verweilen im Café. „Dieses offene Angebot für jeden ist schön“, sagt Kutz und spielt auf zukünftige Möglichkeiten an. „Aber eben nicht sehr bekannt“, wendet Saddei ein.

Am Sonntag soll auch darüber gesprochen werden, was man aus diesem Freizeitort künftig machen kann. Doch woher nimmt die Gruppe eigentlich ihre Legitimation? Schließlich hat der Senat bereits ein Partizipationsverfahren auf den Weg gebracht, um Leitlinien zur künftigen Nutzung zu erörtern – auch wenn das aktuell stockt. Die drei zögern kurz. Doch antworten dann entschlossen: „Natürlich haben wir ein Recht. Dadurch, dass wir Bürgerinnen sind“, sagt Saddei.

„Die Entscheidung, wer hier reinkommt, ist null transparent!“

„Es gib genug Interessierte. Wir schaffen hier einiges – gerade im Vergleich zu einem 150.000 Euro teuren Partizipationsverfahren, in das sich niemand einbringt, weil Informationen fehlen“, sagt Saddei. Sie selbst sitzt im Arbeitsgremium des Verfahrens, hat Einblick in die administrativen Prozesse.

So wie die Dinge bis jetzt laufen, könne es nicht weitergehen. „Die Entscheidung, wer hier reinkommt, ist null transparent!“, sagt sie. „Wenn wir jetzt noch mitreden wollen, muss es schnell gehen.“ Dass auch sie ausgebremst werden könnten vom Denkmalschutz, von politischer Trägheit, von der Komplexität des Unterfangens, steht auf einem anderen Blatt.

Seit über zehn Jahren steht hier der Flugverkehr still: der Hangar des Flughafen Tempelhof.
Seit über zehn Jahren steht hier der Flugverkehr still: der Hangar des Flughafen Tempelhof.

© imago/Joko

Wenn nur ein Teil der Fläche gemeinnützig werden könnte, wäre es ein Erfolg

Karkutli hat sich bis jetzt ein wenig zurückgehalten. Jetzt, bei einer Zigarettenpause vor dem Tor des Hangars, den Blick auf die sich durch das Grün durchziehenden Landebahnen gerichtet, gerät er ins Plaudern: Nach mehreren Stationen in Deutschland ist er als Geflüchteter in Berlin gelandet, in seiner Heimat Damaskus hat er Tourismus studiert. „Doch was soll ich jetzt damit anfangen?“, fragt er und lacht.

Neben seinem Job sei er sowieso ständig im Hangar, helfe im Café, spiele hier Basketball. Sich in der Initiative einzubringen war ein natürlicher Schritt. Seine Vision? „Wenn es nur ein Teil der Fläche wäre, die wir gemeinnützig organisieren können, wäre das schon ein riesiger Erfolg.“

Gibt es keine nachhaltigere Option als 800 Zettel zu drucken?

Die Sonne ist schon untergegangen, im Hangar 1 ist aber noch viel los. Das Quietschen der Turnschuhe dringt zu der Gruppe – fünfzehn Menschen im Alter zwischen Anfang 20 und Mitte 50 – die jetzt zusammensitzt und basisdemokratische Kleinstarbeit macht: Der alte Eingang zum Gebäude darf nicht mehr benutzt werden.

„Kriegen wir Schichten organisiert, um uns dort hinzustellen?“, fragt jemand. Und auch die Frage des Imagefilms, der am Sonntag entstehen soll, wird besprochen: Die Anwesenden müssen einwilligen, gefilmt zu werden, doch 800 Zettel drucken? Gibt es keine nachhaltigeren Optionen, um Unterschriften zu sammeln? Bis weit in den Abend hinein geht das so weiter. Noch ist ihnen die Puste nicht ausgegangen. Am Sonntag hoffen sie auf das Interesse der Berliner Bürgerinnen und Bürgern an der Zukunft von Tempelhof.

Von 11 bis 15 Uhr Kleidertausch und Schenkemarkt. Ab 15 Uhr Sportangebote, Workshops (Jonglieren, Fliegerwerkstatt), Ab 16 Uhr Redebeiträge, Live-Musik und Diskussion. Das Bühnenprogramm wird rockradio.de live übertragen. Von 19 bis 21 Uhr wird „Das Gegenteil von Grau“ von Matthias Coers im Hangarkino gezeigt. Der Eingang zum Hangar 1 befindet sich seitlich des Gebäudes auf dem Columbiadamm, Höhe Golßener Straße.

Ken Münster

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