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Berlin: Wortpakete schnüren

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Neulich hörte ich in den Rundfunknachrichten, eine große Firma habe „ein Lösungspaket zur Sanierung des Unternehmens“ vorgelegt. Interessant, dachte ich, wieder steht ein Wortungetüm beziehungslos im Raum. Wer löst sich wovon oder von wem mit einem Lösungspaket? Vor lauter Lösungsvorschlägen, Lösungsansätzen und nun auch Lösungspaketen, von denen Politiker und Manager reden, fallen die Probleme, die ja die Ursache aller Anstrengungen sind, glatt unter den Tisch.

Politiker sprechen sich gegenseitig die Lösungskompetenzen ab. Sie gebrauchen keine schlichten Begriffe mehr wie Pläne, Vorschläge, Sachverstand, Kompetenz. Sie unterstreichen die Bedeutung ihrer Anliegen mit zusammengesetzten Substantiven, und seien es noch so lächerliche Lautverstärker. Was ist ein Sanierungskonzept gegen ein die Fantasie anregendes Lösungspaket, das man sich bitte prallvoll, inhaltsschwer und klug gepackt vorstellen soll.

Natürlich muss so ein Lösungspaket umgesetzt werden. Politiker setzen formelhaft alles um, Entscheidungen, Reformen, Pläne, Gesetze und so fort. Dazu braucht man die richtigen Kommunikations- und Organisationsstrukturen. Es wird nicht mehr beraten und organisiert – man redet von Strukturen und Ressourcen. Das klingt anspruchsvoller. Im Abgeordnetenhaus hört man oft Klagen über „mangelnde Kommunikations- und Organisationsstrukturen“.

Manche Lösungsansätze verraten eine Menge über den Umgang mit Menschen. Es ist noch nicht lange her, dass Arbeitnehmer freigesetzt wurden. Dieser verschleiernde Begriff für Entlassungen gilt inzwischen als Unwort, aber wir haben ja noch Vokabeln wie Humankapital, Personalbestückung und Personalressourcen. In einem Antrag der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus las ich: „Die Bestückung und Weitervermittlung von Verwaltungsmitarbeitern aus dem sogenannten Stellenpool in weitergehende Beschäftigung oder aus einem KW-Vermerk in den Stellenpool läuft immer noch nicht zufriedenstellend.“ Welche Bestückung? Gemeint ist wohl irgendwo irgendeine Personalbestückung. Sind Menschen Stücke? Übrigens wird niemand aus einem KW-Vermerk weitervermittelt, sondern von einer gestrichenen Planstelle; „kw“ bedeutet: kann wegfallen. Schon sprachlich wird die arme öffentliche Hand amputiert. Wir hören ständig von öffentlichen Beschäftigungsverhältnissen. „Das Strandbad Wannsee soll nicht länger auf der öffentlichen Tasche liegen“, forderte die FDP, die für die Privatisierung warb, nein für „privatwirtschaftliches Engagement mit professionellem Hintergrund“.

Wer soll Politiker begreifen, die gar nicht merken, wie geschraubt und verschwommen sie sich ausdrücken?

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