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Wowereit besucht Neukölln: Kiezführung mit Buschkowsky

Klaus Wowereit wird vom Genossen Bezirksbürgermeister in die Probleme Neuköllns eingeführt. "Da, wo Berlin nicht ganz so sexy ist, aber auch Spaß macht", sagt Buschkowsky.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Sie stehen beide im Regen, am Eingang zum Rütli-Campus, und dann spannt Klaus Wowereit den Schirm auf und nimmt Heinz Buschkowsky mit unters Dach. „Ich mach’ für den Bezirksbürgermeister den Schirmherrn“, lacht der Regierungschef, aber der kleine, kompakte Parteifreund sagt: „Das geht gar nicht“ und greift sich blitzschnell den Parapluie. Mit langem Arm beschirmt er nun Wowereit und lässt auch sonst keinen Zweifel daran, wer in Neukölln der Gastgeber ist – und wer der Gast.

Das Programm für die letzte Bezirkstour, die Wowereit am Mittwoch absolviert, stellte Buschkowsky selbst zusammen: die Sonnen-Grundschule, das Modellprojekt Rütli, die Otto-Hahn-Gesamtschule. Die Wäscherei Testorp, ein Familienunternehmen, das Jobcenter Neukölln und die High-DeckSiedlung runden den Besuch ab. „Mir geht’s um die Menschen, die nicht auf der Sonnenseite stehen“, sagt Buschkowsky im bescheidenen Foyer der Sonnen-Schule am nördlichen Bezirksrand. „Da, wo Berlin nicht ganz so sexy ist, aber auch Spaß macht.“

Wowereit darf eine Viertelstunde dem Unterricht in einer dritten Klasse folgen. Wind und Sturm seien das Thema gewesen, berichtet er. In diese Schule kämen Kinder, die nicht einmal die Grundfarben benennen könnten, erzählt Konrektorin Katharina Buxel-Müller. Die Deutschkenntnisse seien äußerst schwach, auch bei den deutschen Kindern. 90 Prozent der Eltern gingen keiner geregelten Arbeit nach. Zu viele Förderstunden fallen aus, klagt Schulleiterin Renate Lauzemis. Vertretungslehrer seien rar, es fehlten Erzieher. Wowereit hört zu, verteidigt die Abschaffung der Vorklassen und die Vergleichstests. Beim jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL) ist er flexibler: Freiwilligkeit, warum nicht?

Am Ende drückt ihm Buschkowsky das Integrationskonzept von Neukölln in die Hand. Das kenne Wowereit noch nicht, „das erfüllt mich mit Schmerz“. Der Getadelte hält das Papier lachend hoch. „Zwischen uns, da passt doch kein Blatt.“ Etwas später, in der Aula der Rütli-Schule, sind sich beide einig, dass dieses Projekt ein großer Integrationserfolg ist. „Das hier ist der Reklameblock“, frotzelt Buschowsky. JüL funktioniere am Rütli ausgezeichnet, sagt Schulleiterin Cordula Heckmann. Die Eltern machen mit, und ein Schüler sagt brav: „Hier kann man in Ruhe lernen, die Lehrer sind nett.“ Trotzdem fordert Buschkowsky noch viel mehr Aufmerksamkeit für Neukölln. „Natürlich geht’s mir dabei um die Kohle.“

Dritte Station, Otto-Hahn-Oberschule, es ist Mittag, und Buschkowsky besorgt Wowereit fürsorglich einen Snack aus der Kantine. Der türkischstämmige Schülersprecher wird gefragt, was er von den Sarrazin-Thesen halte. „Ich fühle mich integriert“, sagt er. Aber es gebe eben auch solche, die zu ihm sagten: „Was, du bist Deutscher?“

Später im Jobcenter bedankt sich Buschkowsky noch einmal ausgiebig beim Regierenden, weil er beim Umzug zu Jahresbeginn 2010 entscheidend geholfen habe. Es folgt viel Zahlenwerk aus dem Jobcenter, unterbrochen von Wowereits Fragen, etwa zum Erfolg von Eingliederungsmaßnahmen.

Und dann die letzte Station, eine Kaffeetafel beim Quartiersmanagement. Wieder nimmt Buschkowsky das Heft in die Hand: Nachdem die Vertreter der Migrantengruppen die erste halbe Stunde schweigen, fordert er sie mit Blicken und Gesten zum Reden auf. Eine Stadtteilmutter berichtet dann von Migranten, die in Neukölln geboren wurden, aber kein bisschen integriert sind. Daraus wird eine „differenzierte Debatte“, wie Wowereit sie nennt. Zum Abschied wünscht er „Kraft und Durchhaltevermögen“ – und will wohl gleich noch beweisen, dass er damit gut ausgestattet ist: Stolz zückt er einen Zettel, auf dem Mitarbeiter ihm eine Bilanz seiner zwölf Kieztouren notiert haben. Insgesamt 94 Stunden war er unterwegs.Christian Helten

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