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Berlin: „Wowereit kann warten“

Obwohl er nicht SPD-Vizechef wird, fühlt sich der Berliner Sozialdemokrat nach der Neuordnung der Parteispitze gestärkt

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Klaus Wowereit hat das Interesse verloren, im Herbst 2007 in die Parteispitze der SPD gewählt zu werden. Ein Stellvertreter Kurt Becks wäre er gern geworden, aber der Weg ist versperrt, weil in die künftige Führungs-Quadriga der SPD – hinter Beck – nur Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Andrea Nahles hineinpassen. Die noch amtierenden Vize-Parteichefs sollen dann das Präsidium auffüllen, und auch Wowereit könnte für einen solchen Posten kandidieren. Aber das will er nicht. Da wäre er nur ein Genosse unter vielen.

Ohnehin sitzt der Berliner Regierungschef seit Jahren qua Amt im höchsten Führungsgremium der Sozialdemokraten. Er wird auch Sprecher der wenigen SPD-geführten Bundesländer bleiben. Und eine Stimme der großen Städte, des Ostens – und der Linken in der eigenen Partei. Hier sagt er etwas zur Krippenfinanzierung oder zum Mindestlohn, dort sagt er etwas zur Finanzreform in Bund und Ländern oder nimmt den Bundespräsidenten Horst Köhler gegen die CSU in Schutz. Neuerdings kümmert sich Wowereit sogar um den Klimaschutz, jedenfalls verbal.

Ein Ideologe war er noch nie, aber er hat sich inzwischen mit dem linken SPD-Flügel auf Bundesebene einigermaßen gut verdrahtet. Zwei ausgewiesene Parteilinke hat sich Wowereit inzwischen in die Senatskanzlei geholt. Der Juso-Chef Björn Böhning ist Grundsatzreferent im Roten Rathaus, und die Ex-Geschäftsführerin der Jungsozialisten, Jessika Wischmeier, leitet Wowereits persönliches Büro. Böhning sitzt auch in der Kommission, die ein neues Grundsatzprogramm für die Bundes-SPD ausarbeitet, und die Diplom-Pädagogin Wischmeier hat ihre Ziele schon vor zehn Jahren klar formuliert: Es sei eine „prinzipiell lösbare Kampfaufgabe, aus der SPD eine sozialistische Partei zu machen“.

Im Berliner SPD-Landesverband wird Wowereit sowieso von der – immer noch starken – Parteilinken getragen. Auch wenn sich nach der Abgeordnetenhauswahl 2006 die versprengten SPD-Rechten mit bisher mäßigem Erfolg neu organisierten. Die Entscheidung, das rot-rote Bündnis bis 2011 fortzusetzen, wäre ohne kräftige Unterstützung durch die SPD-Linke wohl nicht zustande gekommen. Eine Entscheidung, die auch in Teilen der eigenen Partei auf Missfallen stieß. Und auf Unverständnis in den westlichen SPD-Landesverbänden, die mit Lafontaines und Gysis neuer Linkspartei nichts zu tun haben wollten. Die umstrittene Koalition in der Hauptstadt bestätigte insofern Wowereits Ruf als Exzentriker. Populär und interessant, aber doch irgendwie daneben.

Nach der Wahl in Bremen, die ein Fanal sein könnte für weitere Erfolge der neu formierten Linkspartei im Westen Deutschlands, fühlt sich Wowereit mit seiner Strategie offenbar bestätigt. Während die große Koalition im Bund und in Bremen die Lafontain’sche Linke stark gemacht hat, gelang es der SPD in Berlin, dem roten Koalitionspartner 2006 einen Teil der Wähler im Osten streitig zu machen. Anders als in den neunziger Jahren, als auch die Hauptstadt von einer großen Koalition regiert wurde und die PDS von Wahl zu Wahl kräftig zulegte.

Inzwischen haben sich die Nachfolger der SED-Kommunisten als überraschend regierungsfähig erwiesen. Trotzdem weiß Wowereit, dass sich dieses Modell nicht ohne Weiteres übertragen lässt. Auf Bundesebene sei die Linkspartei „außen- wie innenpolitisch nicht regierungsfähig“, betont er ständig. Die Grünen dagegen schon, wenn die Mehrheit für Rot-Grün reiche. Allerdings wird auch in der Berliner SPD befürchtet, dass die nächste Bundestagswahl erneut eine Koalition mit der Union erzwingen könnte. Was dann? Dann klingelt es im Karton der Sozialdemokratie, dann gerät einiges ins Rutschen. Und deshalb orakeln Genossen, die Wowereit gut kennen: „Der kann warten – bis 2009 oder bis 2013.“

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