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Berlin: Wurst oder Wurscht

Neuer Streit um geplanten Imbiss nahe dem Brandenburger Tor – jetzt vor dem Amtsgericht

Der Streit um die Wurst am Brandenburger Tor geht in die nächste Runde. Nachdem Senator Strieder höchstselbst der Bratwurstbraterei einen neuen, strategisch äußerst günstigen Standort zwischen Brandenburger Tor und Reichstag zugewiesen hat, weht den Betreibern des lukrativen Unternehmens nun der kalte Wind der Konkurrenz ins Gesicht. Während, wie berichtet, die Anwohner der edlen Naturstein-Behausungen „Palais am Pariser Platz“ und Max-Liebermann-Haus die fettgesättigten Schwaden gegrillten Schweinefleischs fürchten, geht auch der Betreiber des Souvenir-Bistros in der Ebertstraße 24, Bernhard Glashagen, auf die juristische Barrikade, weil sich direkt vor seinem Laden die Konkurrenz breit zu machen gedenkt.

Berliner Teddybären und anderes Plüschgetier, das vor dem Geschäft auf Kundschaft wartet, würde binnen kurzem nach Bratwürsten stinken, die ein, zwei Meter entfernt von früh bis spät auf dem Rost brutzeln. Außerdem sei das unlauterer Wettbewerb: Auch im Bistro gibt es Würste, dazu Eis und Souvenirs sowie Getränke, die auch der Bratwurstmaxe draußen vor der Tür verkauft. Anwohner und Bistro-Leute werden nun von einem Anwalt vertreten, der mit einer gestern beantragten einstweiligen Verfügung erreichen möchte, dass das für Freitag geplante Bratwurstbratereieröffnungszeremoniell mit Freiwurst gar nicht erst stattfindet und die Kohle kalt bleibt.

Dies wäre ein schwerer Schlag für die Chefs der Bratwurstbude, denen es dank ihrer Selbstdarstellungskünste immer wieder gelingt, die Medien aller Art für sich und ihre Eigenwerbung einzuspannen. Einmal, als das Ende am Brandenburger Tor sehr nahe war, drohte einer der Besitzer mit todernster Miene, sich mitsamt seiner geliebten Würstchenbude anzuzünden. Da wird selbst ein Senator weich, von den angeblich Zigtausend Unterschriften pro Würstchenbude und diversen Bundestagsabgeordneten-Offerten mal ganz zu schweigen. Das Huhn, das goldene Eier legt, darf nie und nimmer in Frage gestellt werden, die freie Markt-Wirtschaft mit Mostrich oder Curry kann angeblich nur unter dem Himmel nahe dem Tor blühen und gedeihen.

Dem Touristen freilich ist es ziemlich wurscht, wer warum gegen wen und überhaupt. Der ist froh, wenn er seinen Hunger mit einer angeblich berlinerischen Spezialität (die viel besser in Thüringen zuhause ist) stillt. Tatsächlich ist das Phänomen, dass wir hier zum 76. Male über das Stück „Bratwurst am Brandenburger Tor“ meditieren, nur mit dem braunen, fettigen, klebrigen, verpellten Ding an sich zu erklären. Die Bratwurst – das ist Berliner Herz und Gemüt. Wer reinbeißt, schmeckt diese Stadt. Denkste.

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