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Die Feuerwehr beim Aufräumen nach Sturm "Xavier"

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Update

"Xavier" über Berlin und Brandenburg: Ein Sturm wie schon lange keiner mehr

Sturmtief „Xavier“ legt in Berlin den öffentlichen Verkehr lahm. Auch Freitag gibt es Einschränkungen. Eine Frau wurde von einem umstürzenden Baum erschlagen.

Orkan „Xavier“ fiel über Berlin und Brandenburg her – mit tragischen Folgen: Am Schwarzen Weg im Reinickendorfer Ortsteil Heiligensee wurde eine Frau von einem umstürzenden Baum erschlagen. Laut Feuerwehr hatte das Auto wohl wegen eines entwurzelten Baums angehalten. Zwei Passagiere waren ausgestiegen, als ein weiterer Baum umkippte und das Auto traf. Die im Wagen gebliebene Frau sei tödlich verletzt worden, ein Mann schwer, ein weiterer leicht. In Grünau wurden drei Menschen auf dem Adlergestell verletzt, als ihr Auto mit einem Baum kollidierte. Bei einem ähnlichen Unfall in Plänterwald erlitten zwei Insassen Verletzungen.

In Brandenburg kamen vier Menschen während der wütenden Orkanböen ums Leben. Im Landkreis Oberhavel stürzte ein Baum bei Schönermark auf einen fahrenden Pkw, ein Mann starb. Bei Ragow im Kreis Oder-Spree wurde bei einem ähnlichen Unfall gleichfalls ein Insasse tödlich verletzt. Bei Lindow im Kreis Ostprignitz-Ruppin durchbrach ein Ast die Frontscheibe eines Autos und erschlug den Fahrer. Auf der Bundesstraße zwischen Müncheberg und Hoppegarten wurde ein 72-Jähriger von einem entwurzelten Baum tödlich getroffen, als er Äste von der Fahrbahn wegschleppte.

Der Berliner Verkehr steht still

Berlin stand am späten Donnerstagnachmittag- und Abend weitgehend still. Hunderttausende kamen nicht mehr voran. Manche Straßen waren gespenstisch leer, da viele Fahrer sicherheitshalber ihre Autos stehen ließen. Mehrere Straßen, so die Avus stadtauswärts, mussten wegen umgestürzter Bäumen gesperrt werden.

Die S-Bahn stellte den Betrieb komplett ein, nachdem zahlreiche Bäume auf Gleise gefallen waren. Die BVG ließ ihre Busse sowie die Fähren nicht mehr fahren, etwas später wurden auch die Straßenbahnen gestoppt. Auch auf den oberirdischen Strecken der U-Bahn ging nichts mehr. Und wer auf den Regionalverkehr der Bahn angewiesen war, kam gleichfalls nicht weg. Alle Züge standen still. Im Fernverkehr wurden die Bahnverbindungen nach Hannover und Hamburg eingestellt.

Auch am Freitagmorgen gab es noch Einschränkungen bei der Berliner S-Bahn. Manche Strecken wurden nicht befahren, auf anderen gab es Ersatzverkehr mit Bussen.

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Suche nach Übernachtungsplatz

Tausende Pendler mit weiter entfernten Zielen wussten am Donnerstag nicht, wohin sie sollten. Sie mussten sich Quartiere für die Nacht suchen. Menschen irrten durch die Bahnstationen, am Hauptbahnhof und Bahnhof Zoo drängelten sich Hunderte vor den Infotafeln, die wenigen noch fahrenden U-Bahnen waren restlos überfüllt. Am Südkreuz und Hauptbahnhof stellte die Bahn leere Schlafwagen bereit, in denen sich gestrandete Passagiere im Warmen aufhalten konnten. Viele Pendler von weiter auswärts suchten sich Notquartiere, stürmten Hotels in Bahnhofsnähe.

Der Unmut über die Bahn war an den Stationen aber groß. So herrschte am Bahnhof Friedrichstraße Mega-Chaos. Das DB-Reisezentrum hatte dort pünktlich um 20 Uhr geschlossen, es gab kein verstärktes Service-Personal, hunderte Menschen drängelten sich vor dem einzigen DB-Infopoint, an dem nur ein Bahn-Mitarbeiter gebetsmühlenartig wiederholte, man müsse eben Sammeltaxen nehmen und sich das vorgelegte Geld später erstatten lassen. Und hinzu kam: Die Auskunftssysteme im Internet waren wegen der enormen Nachfrage zeitweise auch zusammengebrochen.

Da die Beseitigung der Schäden voraussichtlich länger andauern wird, müssten sich Pendler auch am Freitag noch auf massive Behinderungen einstellen, hieß es.

Ab 16.04 Uhr im Ausnahmezustand

Die Berliner Feuerwehr war ab 16.04 Uhr im Ausnahmezustand, sie rief alle Freiwilligen Wehren sowie das Technische Hilfswerk (THW) zur Verstärkung ein. Bis 21 Uhr registrierte die Berliner Feuerwehr bereits mehr als 1200 wetterbedingte Einsätze. Insgesamt wurden sechs Menschen verletzt. Dutzende Bäume stürzten um, schwere Äste fielen herab, Plakatwände wurden umgerissen, am Hauptbahnhof riss der Sturm einen Imbißstand regelrecht in Stücke. Am Kurfürstendamm fielen mehrere Bäume vor Karstadt quer über die Fahrbahn, an der Glogauer Straße kippte ein großer Baum gegen ein Haus, in Friedrichshain wurden 30 Quadratmeter eines Kirchendaches abgedeckt. Der Reinickendorfer Ortsteil Konradshöhe war zeitweise wegen blockierter Zufahrten nicht mehr erreichbar. Wegen der gefährdeten Bäume hatten auch der Berliner Tierpark und Zoo sowie die Internationale Gartenausstellung (IGA) ihre Tore ab 14 Uhr geschlossen.

Auch im Flugverkehr gab es Chaos. An den Flughäfen Schönefeld und Tegel wurde die Abfertigung der Passagiere zeitweise eingestellt. Allein die Lufthansa musste fünf Hin- und Rückflüge zwischen Berlin und Frankfurt am Main streichen. Betroffen waren nach Angaben von Lufthansasprecher Wolfgang Weber rund 1800 Passagiere.

Einen derart extremen Sturm hat es über Berlin und Brandenburg nach Angaben des Wetterdienstes Meteogroup seit zehn Jahren nicht mehr gegeben. Gegen 16 Uhr brach es richtig los, abgestellte Räder und Mopeds schepperten auf Straßen, Baugerüste wankten. Am Wannsee wurden in exponierter Lage zeitweise Böen mit 137 Stundenkilometern gemessen, das ist volle Orkanstärke. Vergleichbar starken Wind hatte es zuletzt Anfang 2007 gegeben, als das Orkantief „Kyrill“ über Mitteleuropa zog und großflächig schwere Schäden anrichtete, aber keine Menschenleben forderte. Damals stürzte unter anderem ein tonnenschweres Stahlteil vom Hauptbahnhof herab. Es traf glücklicherweise niemanden. Während „Kyrill“ länger dauerte, stürmte Orkantief „Xavier“ ungewöhnlich schnell über die Region hinweg, nach kaum zwei Stunden flaute der Wind bereits deutlich ab.

Eine zweistellige Zahl von Bäumen auf Gleise gefallen

Als der Orkan Berlin traf, kam es bei der S-Bahn teils zu dramatischen Szenen: Laut einem Sprecher war eine „zweistellige Zahl" von Bäumen auf Gleise gefallen. Zwei Züge waren so beschädigt, dass sie nicht mehr fahren konnten. Sie standen im Bereich Messe Süd und Kaulsdorf und mussten evakuiert werden. Fahrer von Zügen, die noch fahren konnten, ließen die Passagiere in Bahnhöfen aussteigen. Auch auf der Fernbahnstrecke nach Hamburg steckten zwei Züge auf freier Strecke fest. Dies zeige, dass es richtig gewesen sei, den Verkehr frühzeitig zu unterbrechen, sagte der Bahnsprecher. Geringer waren die Auswirkungen bei der Straßenbahn. Bis Redaktionsschluss hatten umgestürzte Bäume die Oberleitungen in Rahnsdorf sowie auf der Landsberger Allee heruntergerissen.

Die S-Bahn nahm den Verkehr auf sieben Strecken am späten Abend wieder auf, aber auch dort nur auf Teilstrecken. Die S1 pendelte beispielsweise nur zwischen Nordbahnhof und Friedenau, die S2 zwischen Südkreuz und Nordbahnhof. Alle weiteren Verbindungen bleiben vorerst unterbrochen. Die BVG nahm Busse und Straßenbahnen ab 19 Uhr wieder in Betrieb, die U-Bahn fuhr am späten Abend wieder komplett nach Plan. Bis Freitagnachmittag könne es aber noch auf etlichen Strecken zu Verspätungen kommen, sagte am Abend eine BVG-Sprecherin. Die beiden Busshuttles nach Tegel und Schönefeld würden aber auf jeden Fall pünktlich eingesetzt.

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