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Mit schnellem Schritt: Auf der Warschauer Straße haben es viele Menschen eilig. Hier passieren besonders viele Unfälle mit Fußgängern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Zahl der Unfälle deutlich gestiegen: Berlin für Fußgänger besonders gefährlich

Die Zahl der Unfälle mit Fußgängern ist laut einer Studie des Verkehrsclub VCD seit 2008 gestiegen. Besonders betroffen ist die Berliner Innenstadt. Dabei gibt es Ideen, um Risiken zu verringern.

Für einen Fußgänger kann ein kleiner Moment der Unachtsamkeit – der eigenen oder der eines anderen Verkehrsteilnehmers – schlimme Folgen haben. Selbst wenn er von einem Auto mit sehr geringer Geschwindigkeit erfasst wird, ist sein Risiko, verletzt zu werden, ausgesprochen hoch. Zwar machen die Verkehrsunfälle mit beteiligten Fußgängern nur einen vergleichsweise geringen Anteil am gesamten Unfallgeschehen aus, aber die Zahl ist laut dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) dennoch alarmierend hoch. Vor allem, da sie in Berlin in den letzten fünf Jahren gestiegen ist.

Laut einer bundesweiten Untersuchung des VCD hat in Berlin im Zeitraum zwischen 2008 und 2013 die Zahl der Unfälle mit Fußgängern um knapp sechs Prozent zugenommen; von 2012 auf 2013 allerdings war sie leicht rückläufig. Damit gehöre Berlin zu den Städten mit einer besonders negativen Unfalltendenz, Verbesserungen für die Fußgänger seien aber wichtig, heißt es beim VCD: In einer Stadt wie Berlin würden viele Wege gelaufen – nämlich knapp 30 Prozent aller zurückgelegten Kilometer.

In Brandenburg hat der VCD nur zwei Städte untersucht: In Cottbus ist die Zahl der Fußgängerunfälle im Zeitraum von 2008 bis 2013 um 1,6 Prozent gesunken, während sie in der Landeshauptstadt Potsdam um 1,1 Prozent gestiegen ist.

Weniger Menschen verunglücken tödlich oder schwer

In Berlin registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 2318 Fußgängerunfälle. Knapp die Hälfte wurde laut der polizeilichen Statistik selber verursacht oder mitverursacht, in 40 Prozent der Fälle lag die Schuld bei einem Autofahrer. Jeder zehnte Fußgängerunfall wurde von einem Radfahrer verursacht. Das sieht der VCD indes anders: Dem Verkehrsclub zufolge sind die Fußgänger nur in wenigen Fällen schuld an den Unfällen. Viel gravierender seien die Unachtsamkeit der Autofahrer beim Abbiegen oder überhöhte Geschwindigkeit. Eine gute Nachricht aber gibt es: Insgesamt ist die Zahl der Menschen, die im Berliner Straßenverkehr ums Leben kamen oder schwer verletzt wurden, in den vergangenen Jahren nach Angaben der Polizei kontinuierlich gesunken.

Besonders viele Unfälle hat es dem VCD zufolge in Mitte gegeben, gefolgt von Charlottenburg-Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Wie VCD-Sprecherin Anja Smetanin sagte, seien gerade touristisch interessante Gegenden betroffen. Auch wenn es keine genauen Daten darüber gebe, lege dies die Vermutung nahe, dass Touristen – abgelenkt durch die Suche nach einem bestimmten Ziel – stärker betroffen sein könnten. Dafür spricht eine Statistik der Polizei, nach der am Flughafen Tegel im vergangenen Jahr neun Fußgänger in einen Verkehrsunfall verwickelt wurden. Damit ist Tegel für Fußgänger einer der Unfallschwerpunkte in der Stadt. Auch auf der Warschauer Straße und der Warschauer Brücke, wo besonders am Abend viele jungen Leute von Club zu Club und Party zu Party unterwegs sind, gab es viele Unfälle.

"Radfahrer gehören auf die Straße"

VCD-Sprecherin Smetanin berichtet, dass in Berlin besonders viele Unfälle an Haltestellen von Bussen und Bahnen passieren. Stefan Lieb vom Fußgängerschutzverein „Fuss“ wundert das nicht. In den vergangenen Jahren sei ein Programm versandet, das die Wege für die Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs beim Umsteigen verbessern sollte. „Bushaltestellen müssen günstiger positioniert werden“, fordert Lieb. Sie seien nie direkt an Kreuzungen positioniert, sondern immer ein wenig versetzt – aus Rücksicht auf den Autoverkehr. Deswegen liefen Fußgänger, die einen Bus noch erreichen wollten, oft unachtsam über die Straße.

Allerdings weist Lieb darauf hin, dass in der Stadt auch positive Entwicklungen zu beobachten seien. Seit 2011 gibt es beispielsweise das „Fußverkehrskonzept“ des Senats. Dieses enthält verschiedene Modellprojekte, mit denen Verbesserungen für Fußgänger erprobt werden sollen. Unter anderem werde jetzt an der Maaßenstraße eine von drei stadtweit geplanten Begegnungszonen eingerichtet. In diesem Bereich dürfen Autos höchstens 20 Stundenkilometer fahren und Fußgänger haben Vorrang. Das reiche natürlich bei Weitem nicht aus. Positiv hob Lieb zudem das Zebrastreifenprogramm des Senats hervor. Insgesamt müsse man sagen, dass das gesellschaftliche Bewusstsein, die Belange der Fußgänger bei der Stadtplanung zu berücksichtigen, gestiegen sei. „Noch vor 20 Jahren war das komplett anders“, sagt Lieb.

Dass der Senat künftig auch mehr Verbesserungen für den Radverkehr geplant habe und es vermehrt Fahrradspuren auf der Fahrbahn gebe, begrüßt Lieb. Denn auch Räder seien Fahrzeuge und gehörten deswegen auf die Fahrbahn. Aber: „Radfahrer auf Gehwegen sind zwar ärgerlich und lästig, das eigentliche Problem sind aber die Autofahrer.“

Hier sind die Unfallschwerpunkte:

2318 Unfälle mit Fußgängern registrierte die Polizei im Jahr 2013. In mehr als neun von zehn Fällen erlitten diejenigen, die zu Fuß unterwegs waren, Verletzungen – in der überwiegenden Zahl handelte es sich dabei um leichte Verletzungen. Die meisten Unfälle gab es laut Statistik im November. Besonders häufig verunglückten Fußgänger auf der Müllerstraße (mit Kreuzungsbereichen Seestraße und Nazarethkirchstraße). 2013 zählte die Polizei hier 19 Unfälle. Genauso viele Unfälle ereigneten sich im Bereich der Warschauer Straße und der Warschauer Brücke. Ein Schwerpunkt war auf der Frankfurter Allee und ihren Kreuzungen (13). Häufig kamen Fußgänger auch auf der Potsdamer Straße (Schöneberg/Tiergarten), dem Kurfürstendamm (Charlottenburg), Brunsbütteler Damm (Spandau), Mehringdamm (Kreuzberg), Sonnenallee (Neukölln) und KonradWolf-Straße (Hohenschönhausen) zu Schaden.

Die detaillierten Ergebnisse der VCD-Studie finden Sie hier.

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