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Berlin: Zahnarzt-Besuch: Angst? Den Zahn ziehen wir Ihnen ...

Der Puls rast, die Beine schlottern, Schweißperlen bedecken die Stirn, und die Hände krallen sich in den Stuhl-Lehne wie Raubtierpranken in die Beute. Ein Zahnarzt-Besuch - für viele Menschen der Albtraum schlechthin.

Der Puls rast, die Beine schlottern, Schweißperlen bedecken die Stirn, und die Hände krallen sich in den Stuhl-Lehne wie Raubtierpranken in die Beute. Ein Zahnarzt-Besuch - für viele Menschen der Albtraum schlechthin. Vor einiger Zeit, erzählt Albrecht Schmierer, habe er einen Patienten über sechs Stunden am Stück behandelt. "Den gesamten Mund habe ich ausgeräumt und erneuert", sagt der Zahnarzt. Wenn jemand 25 Jahre aus Angst nicht beim Dentisten war, kann es schon mal vorkommen, dass alles bröckelig und faulig ist in der Futterluke. "Das war der schönste Tag meines Lebens", habe der Patient hinterher gesagt. Nicht nur wegen der blitzenden Beißerchen, sondern vor allem, weil er weder von Panikattacken noch von Schmerzen überfallen wurde. Ein Wunder? "Nein", winkt Schmierer ab, "es war eine Hypnose-Behandlung".

Albrecht Schmierer ist nicht nur Zahnarzt, sondern auch Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose e.V." (DGZH), einem gemeinnützigen Verein. An diesem Wochenende trafen sich 400 der über 1 000 Mitglieder aus ganz Deutschland im Hotel Steigenberger. Bei den verschiedenen Workshops und Vorträgen bilden sich zum einen diejenigen Ärzte, die bereits Hypnose anwenden, fort, andere Dentisten wiederum erfahren hier in Schnupperkursen mehr über die Problematik.

Mit Show oder Hokuspokus habe all das nichts zu tun, betont Horst Freigang, Zahnarzt in Berlin-Köpenick und Vize-Präsident der DGZH. "Der Patient kann die Behandlung jederzeit aus freien Stücken abbrechen. Hier geht es keinesfalls darum, Macht auszuüben, wie man es aus Fernsehfilmen kennt." Den Zahnärzten, die mit Hypnose behandeln, wollen "die Gedanken des Patienten auf etwas Schönes lenken, und ihn damit in Trance zu versetzen", erklärt Freigang. Das kann ein besonderer Urlaub gewesen sein oder ein schönes Liebeserlebnis. Sphärische Klänge im Hintergrund, eine angenehm riechende Praxis - all das trüge zum Gelingen bei. "Unser Ziel ist, dass die Leute gerne zum Zahnarzt kommen und sich regelrecht wohl fühlen."

In 120 der 3000 Zahnarztpraxen in Berlin können sich die Patienten mit Hypnose behandeln lassen. Die Krankenkassen zahlen dafür nicht, denn dieses Angebot ist in den Verträgen nicht vorgesehen. Je nachdem, wieviel Zeit der Arzt für den Patienten aufwendet, schwanken die Preise für eine solche Behandlung zwischen 150 und 450 Mark. "Bei den meisten reicht eine speziell entwickelte Entspannungs-CD, die sich die Patienten vorher anhören", ergänzt Freigang, "dafür berechne ich nichts". In 80 Prozent der Fälle bekommen die Zahnkranken dennoch zusätzlich zur Hypnose eine Spritze, die dann aber mit weniger Chemikalien dosiert sei und weniger weh tue. "Wer gar keine Spritze wünscht, bekommt auch keine und wird nur hypnotisiert", sagt Freigang, aber: "Nicht jeder ist gleich gut empfänglich dafür." Schmierer weist darauf hin, dass sich insbesondere bei Kindern das Ablenken der Gedanken als hilfreich bewährt habe. Schon ein Sack, gefüllt mit Linsen und kleinen Spielzeugen, die von den Kindern ertastet werden sollen, kann helfen. Hinzu müsse eine entspannende Stimme "und viel Aufmerksamkeit und Geduld" kommen.

Dass die Hypnose-Behandlung auch ungewollt - sozusagen aus Versehen - wirken kann, erfuhr vor einigen Monaten der Ton-Assistent eines NDR-Fernsehreporters. In Freigangs Köpenicker Praxis filmte das Team eine Hypnose-Behandlung. Plötzlich sackten dem jungen Mann die Beine weg. Zu intensiv vernahm er Freigangs sonore Stimme und die Fantasievorstellungen, die sich rund um einen Angel-Tag am Meer drehten. Der Tonassisten war Hobby-Angler und deshalb besonders empfänglich...

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