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Berlin: Zank über Gräber

Karl Lagerfeld versteht nicht, warum sein Freund Helmut Newton in Marlenes Nähe liegen muss

Da liegen sie, gut fünf Meter entfernt, in der Erde des III. Städtischen Friedhofs an der Friedenauer Stubenrauchstraße. „Marlene“ steht auf dem einen Grabstein, das andere Grab hat noch keinen Stein. Aber längst hat sich herumgesprochen, dass hier seit Juni der Starfotograf Helmut Newton begraben ist. Ruhen beide in Frieden? Nein, sagt Modeschöpfer Karl Lagerfeld und wundert sich, dass sein Freund Helmut gerade hier beerdigt worden ist. Die beiden berühmten Berliner hätten sich zu Lebzeiten nicht verstanden. Nun müssten sie unter der Erde die Ewigkeit miteinander verbringen.

In der Fernseh-Sendung „Beckmann“ wird Lagerfeld heute um 23 Uhr in der ARD von „Fehlbelegung“ auf dem Friedhof sprechen. Und erzählen, dass er selbst 1973 ein erstes und letztes Treffen in Marlene Dietrichs Wohnung in Paris vermittelt habe. Newton sei glühender Verehrer der Dietrich gewesen, habe sie für die amerikanische Modezeitschrift „Vogue“ fotografieren wollen.

Die 72-jährige Marlene, an diesem Tage wunderbar anzusehen, habe dem Fotografen selbst die Tür geöffnet und gesagt, sie wolle sich kurz im Nebenzimmer umziehen. Plötzlich sei sie in einem engen Bodysuit erschienen. „Helmut machte eine Bemerkung, die eigentlich gar nicht so schlimm war. Sie hätte sich doch gut gehalten oder so.“ Daraufhin sei die Diva so erzürnt gewesen, dass sie Newton in hohem Bogen aus der Wohnung geworfen habe. Danach wollte sie den Fotografen, erzählt Lagerfeld, nie wiedersehen. „Man konnte eben bei der Dietrich wenig richtig und vieles falsch machen“, sagte dazu gestern der Dietrich-Biograph Werner Sudendorf. „Zwei Primadonnen und Lagerfeld, der dazwischen zwitschert“, das habe gar nicht gut gehen können. Für eine andauernde Antipathie zwischen beiden aber gebe es keine sonstigen Belege, und „Lagerfeld redet viel“. Newton habe allerdings mal eine Puppe mit brennender Zigarette im Mund fotografiert und das Foto als Porträt von Marlene Dietrich bezeichnet. Auch Nastassja Kinski habe er als Puppe fotografiert.

Innerhalb der folgenden Jahrzehnte, Marlene Dietrich starb 1992, vernarbte die Wunde des missglückten Pariser Treffens. June Newton, die Witwe des Fotografen, empfand es als Ehre, ihren Mann in Nachbarschaft der großen Dietrich zu beerdigen. Und andere Berliner Friedhöfe hatten ihr erst gar nicht zugesagt.

Drei schmale Grabstellen liegen zwischen beiden Berliner Ehrengräbern. Marlene-Fan André Bibo, der gestern eine rote Rose am Grab niederlegte, glaubt, dass der mögliche Streit zu Lebzeiten heute völlig unwichtig ist. „Spätestens hier,“ sagt er, „muss der Ort der Versöhnung sein.“

Christian van Lessen

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