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Zehn Jahre Hauptstadtvertrag: Nur um die U5 wird heute noch gestritten

Am 25. August 1992 wurde im Roten Rathaus das Abkommen zwischen dem Bund und Berlin geschlossen / Ein Jahrhundertwerk auf zwei DIN-A-4-Seiten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Hundert Schaulustige warteten vor dem Roten Rathaus auf Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der im Wappensaal mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) den Hauptstadtvertrag unterschrieb. Einige protestierten – Abgesandte des Moabiter Ratschlags und die Bürgerinitiative Spandauer Vorstadt –, weil der Bund bei den Planungen für Regierungs- und Parlamentsbauten ungeniert die bezirklichen Interessen missachten wolle. Grüne und PDS beklagten den „Geist des undemokratischen Zentralismus“, den das neue Vertragswerk verströme. Das war am 25. August 1992. So war Berlin damals gestrickt.

Währenddessen lobte Kohl die gute Zusammenarbeit zwischen dem Bund und Berlin „zum Ausbau als Hauptstadt unseres Vaterlandes“, Diepgen, der Pragmatiker, erwiderte: Jetzt brauche Berlin schnell den ersten Spatenstich. Manche nannten den Vertrag ein „Jahrhundertwerk.“ Eines, das auf zwei eng bedruckte DIN-4-Seiten passte.

Der ausufernde Titel erläuterte den Zweck des dürren, aber so entscheidend wichtigen Abkommens: „Vertrag über die Zusammenarbeit der Bundesregierung und des Senats von Berlin zum Ausbau Berlins als Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland und zur Erfüllung seiner Funktion als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung.“

Ein zwölfköpfiger Gemeinsamer Ausschuss wurde gebildet, dessen wichtigste Aufgabe es war, die hauptstädtische Bauleitplanung zwischen Berlin und dem Bund abzustimmen. Die Bauplanung sollte beschleunigt und eine „maßgebliche Mitwirkung des Bundes hinreichend gesichert“ werden. Ein kompliziertes Unterfangen. Im Gemeinsamen Ausschuss roch es oft nach Pulverdampf. Wer heute den Vertrag von 1992 mit der Regelung von Finanzierungsfragen verbindet, der irrt. Nur ein Satz steht dazu in Artikel 6: „Bei einem Wegfall der Bundeshilfe für Berlin . . . infolge der Einbeziehung Berlins in den Finanzausgleich unter den Ländern werden die Vertragsparteien die Abgeltung der aus den Verpflichtungen Berlins gegenüber dem Bund zur Wahrnehmung gesamtstaatlicher Repräsentation sich ergebenden Aufwendungen regeln.“ Mehr war damals angeblich nicht drin. Ein Jahr nach dem Beschluss des Bundestages, der sich mit knapper Mehrheit für den Umzug von Bundesregierung und Bundestag in die Hauptstadt Berlin aussprach, waren die Berliner froh über jeden schriftlich dokumentierten Schritt nach vorn, der den Umzugsbeschluss unumkehrbarer machte. Vor zehn Jahren war das eine Zitterpartie. Einen Tag, bevor der Hauptstadtvertrag unterschrieben wurde, hatte das Bundesverfassungsgericht den Antrag von vier Bundestags-Hinterbänklern zurückgewiesen, die die Unterzeichnung verhindern wollten.

1992 - da gab es noch die Demonstrationen in Bonn, jeden Donnerstag 8 Uhr abends auf dem Rathausmarkt, wo ein paar Hundert erboste Rheinländer gegen den Umzug protestierten. Eine Taz-Journalistin argwöhnte, die Hauptstadtwerdung Berlins könne so lange dauern wie der Ausbau der australischen Hauptstadt Canberra; fast 100 Jahre.

So schlimm kam es nicht; auch wenn der Weg zum Parlaments- und Regierungssitz bis 1999 ein Holperpfad blieb. Dann wurde tatsächlich umgezogen. Aber die Hauptstadtfinanzierung blieb bis heute eine ungelöste Frage, obwohl am 30. Juni 1994 ein zweiter Hauptstadtvertrag abgeschlossen wurde, der Berlin von 1995 bis 2004 rund 1,3 Milliarden Mark für Verkehrs- und Bauprojekte, Kulturförderung und Sicherheitsmaßnahmen einbrachte. Viel zu wenig, murren bis heute die Berliner und von der CSU bis zur PDS sind sich alle einig, dass ein neuer Hauptstadt(finanzierungs)vertrag ausgehandelt werden muss, der auskömmlicher ist als der alte.

Das Berlin/Bonn-Gesetz und die Vereinbarung über die „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme Parlaments- und Regierungsviertel“ – über 1,134 Milliarden Mark – rundeten im Frühjahr 1994 das Vertragswerk zwischen dem Bund und der Hauptstadt ab. Fast alle Streitpunkte, oft handelte es sich „nur“ um ungelöste Grundstücksfragen, konnten im Lauf der Jahre abgeräumt werden. Der vom rot-roten Senat gestoppte Bau der U-Bahnlinie 5 zwischen Lehrter Bahnhof und Alexanderplatz („Kanzlerlinie“) blieb als medienwirksamer Konflikt vorhanden.

Aber hilft der Bund Berlin aus der – teilungsbedingten, hauptstadtbedingten und teilweise selbstverschuldeten – Finanznot? Das ist das große Thema, das bleibt.

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