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Sie steuern und koordinieren das Paten-Projekt „PaSch“: Stefanie Tragl (links), Viola Hoppe (rechts).

© Frank Bachner

„Zeit schenken“: Wie ein Berliner Projekt Schulkinder und Paten zusammenbringt

Für unsere Weihnachtsaktion, bei der wir wieder um Spenden der Leser bitten, konnten sich Berliner Sozialprojekte bewerben. In dieser Serie stellen wir einige stellvertretend vor. Heute: „PaSch – Patenschaften für Schulkinder“.

Stand:

Die Bäckerei in Wedding ist der Stammladen der Grundschüler, ihre Schule ist nur ein paar Minuten entfernt. Und so hängt hier im Laden über Laugenbrötchen, Donuts und Körnerbrot auch das Foto einer Schülergruppe: Maurice (Name geändert) und seine Klassenkameraden lachen in die Kamera. Der Zehnjährige ist ein freundlicher Typ, auch nett zu grießgrämigen Typen, die hier mies gelaunt ihre Croissants kaufen. Und er ist stolz wie Bolle auf dieses Foto.

Maurice, der Sohn einer alleinerziehenden Frau aus Kenia, hat das Foto und die Bäckerei deshalb auch seiner Patin Maria Rossmanith gezeigt. Die Kulturwissenschaftlerin engangiert sich ehrenamtlich für „PaSch – Patenschaften für Schulkinder“. Und mit dem Besuch in der Bäckerei hatte Rossmanith einen weiteren spannenden Punkt in der Welt ihres Patenkinds entdeckt.

Sie gingen beidseitig auf Forschungsreise. Maurice, der Junge aus einer Weddinger Grundschule, zeigte der 41-Jährigen seine Lieblingsorte im Weddinger Kiez, sie erklärte ihm zum Beispiel, wie man Comics in der Bücherei ausleiht. Nur ein netter Zeitvertreib? Nein, viel mehr. „Man bekommt Zeit vom Kind geschenkt“, sagt Maria Rossmanith.

Solidarität, Empathie und Dankbarkeit – das sind die beherrschenden Gefühle und Motive bei Menschen wie Maria Rossmanith, die sich ehrenamtlich als Patin oder Pate für Sechs- bis 13-Jährige engagieren. „PaSch“ ist ein Projekt im Sozialzentrum Fabrik Osloer Straße in Wedding, das Erwachsene und Kinder zu einem Tandem zusammenführt. Wir stellen es hier im Rahmen unserer Serie zur Tagesspiegel-Weihnachtsaktion von „Menschen helfen!“ vor.

Kinder, die mit vielen Geschwistern in engen Wohnungen leben, Kinder mit alleinerziehenden Müttern, Kinder, die Armut kennen, Kinder, die genauso unbeschwert leben wollen wie viele ihrer Gleichaltrige. Sie sollen ihren Kiez`und die Welt dahinter mit freudestrahlenden Kinderaugen entdecken. Das ist die Aufgabe der 17 Paten, die derzeit im „PaSch“ aktiv sind, Menschen Mitte 30 im Schnitt, berufstätig, kinderlos.

Maria Rossmanith war bis Februar 2025 Patin von Maurice, dann bekam sie ihr eigenes Kind, für eine intensive Patenschaft fehlte nun die Zeit. Ein völlig normaler Vorgang. „Pro Jahr werden im Schnitt sechs Patenschaften beendet und sechs begonnen“, sagt Stefanie Tragl, zuständig für die Projektsteuerung. Die Mindestzeit beträgt ein Jahr, Maria Rossmanith betreute Maurice zwei Jahre lang.

Wichtig ist die Regelmäßigkeit des Kontakts.

Viola Hoppe, Projektkoordinatorin

Im Büro von Viola Hoppe hängt ein Poster, auf dem in rund zwei Dutzend Sprachen „Willkommen“ steht. Das passt. Viola Hoppe ist die Projektkoordinatorin des „PaSch“. „Wichtig“, sagt sie, „ist die Regelmäßigkeit des Kontakts. Zwei bis drei Stunden pro Woche sollte sich der Pate mit dem Kind beschäftigen.“ Die Devise dabei lautet: Alles, was Spaß macht und spannend ist. Ausflüge, Basteln, Schwimmen, Zoo, egal. Nachhilfe für die Schule dagegen ist nicht so bedeutsam, dafür gibt’s im Wedding genügend Angebote.

Einfühlungsvermögen ist dabei ein Schlüsselwort: „Die Kinder benötigen Bezugspersonen, die vor allem in der ersten Phase sehr viel zuhören“, sagt Viola Hoppe. „Darauf baut sich Vertrauen und Sicherheit auf.“ Und dieses Vertrauen führt zu selbstbewussteren Kindern. Die Paten beobachten immer wieder, dass sich ihre Schützlinge positiv entwickeln.

Es braucht Geld für Spielzeug, Miete, Kinderfeste

„PaSch“ findet Eltern und Paten über Flyer und Social Media oder sie melden sich selber, weil das Projekt inzwischen bekannt ist. Schon die ersten Kontakte zwischen Kind und Pate sind enorm wichtig. Solche Treffen finden erstmal in den „PaSch“-Räumen in der Osloer Straße statt.

Und damit die Atmosphäre bei diesen Treffen besonders entspannt ist, bittet „PaSch“ um Spendengelder. Denn der Verein benötigt Spielzeug für diese Räume, aber er möchte mit den Spenden auch einen Teil der Miete bezahlen und Kinderfeste finanzieren. Patin Maria Rossmanith ist durch einen Flyer auf „PaSch“ gestoßen, sie suchte ohnehin „im Ehrenamt eine sinnvolle Aufgabe“. Dreimal traf sie Maurice und seine Mutter bei „PaSch“, gegenseitiges Vertrauen entstand, dann zogen die beiden los.

„Wir sind beide Entdecker“, sagt die Kulturwissenschaftlerin. Und ganz automatisch verbesserte Maurice seine Deutschkenntnisse. Bei ihm zu Hause wird Englisch gesprochen. „Die Mutter sagte mir, dass Maurice jetzt viel besser Deutsch rede als früher“, sagt Maria Rossmanith, „das war für mich natürlich schön zu hören.“ Jeden Freitag traf sie den Neunjährigen zwei, bis drei Stunden lang. Plätzchenbacken gehörte auch zum Programm. Und Maurice öffnete sich emotional immer stärker, er redete über seine Gefühle, großer Beweis einer vertrauten Beziehung.

Nach der Geburt ihres Sohns verwandelte sich die Patenschaft dann in eine tiefe Freundschaft mit Maurice. Der hat jetzt zwar keine Patin mehr, aber immer noch regelmäßig Kontakt mit Maria Rossmanith. Und Maurice ist in ihrem Leben gedanklich ohnehin ständig präsent. Er hat seine Patin mal im Profil gemalt. Das Bild hängt in ihrem Schlafzimmer.

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