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Berlin: Zeitlos gut

Von Christian van Lessen Wir kennen diese Binsenweisheiten zur Genüge: Alles dreht sich, alles bewegt sich, das Leben ist ein Wechselspiel. Optimisten erklären uns immer wieder, dass das Heute, das wir mitunter als bedrückend empfinden, bestimmt die gute alte Zeit von morgen ist.

Von Christian van Lessen

Wir kennen diese Binsenweisheiten zur Genüge: Alles dreht sich, alles bewegt sich, das Leben ist ein Wechselspiel. Optimisten erklären uns immer wieder, dass das Heute, das wir mitunter als bedrückend empfinden, bestimmt die gute alte Zeit von morgen ist. Aber gibt es nicht manchmal gleichfalls ermutigende Zeichen einer rührenden Beständigkeit, die uns hoppla, wieder so ein Spruch - ein Ankerplatz im Meer des Wandels ist?

Wir gingen dieser Tage ins Theater am Kurfürstendamm und sahen uns ein Volksstück von Curth Flatow an. Der Autor saß im Publikum, und die Älteren um ihn herum waren bewegt, weil sie das Gefühl hatten, Curth Flatow seit 100 Jahren zu kennen. Auf der Bühne standen Edith Hancke, die zu Berlin gehört wie die Bulette, und Friedrich Schoenfelder, der seit mindestens 40 Jahren weißhaarige, seriöse Herren spielt. Viele Ältere, die ihn jetzt in der Rolle eines älteren Hofschauspielers erlebten, sahen ihn erstmals als ebenfalls älteren Oberst Pickering in „My Fair Lady“ im Theater des Westens. Da war gerade die Mauer gebaut, und die heute über 50-Jährigen waren Kinder. Es ist die Zeitlosigkeit, die so reizvoll ist. Es sind Leute wie Flatow, Hancke, Schoenfelder, die der Berliner Zeit und in ihrem Drang nach Wechsel ein Schnippchen schlagen. Veränderungen mögen sie, die zeitlos im Theater wirken, erst spüren, wenn der Vorhang gefallen ist. Aber uns, dem Publikum, geben sie vorübergehend die Illusion, dass alles bleibt, wie es ist, wie es war. Das wirkt beruhigend. Manchmal wenigstens.

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