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Berlin: Zentral erfassen

Fachleute fordern Register für künstliche Gelenke, um deren Langzeitsicherheit zu gewährleisten

Künstliche Gelenke sollen vom Körper gut vertragen werden und lange halten. Ob sie aber wirklich den hohen Anforderungen gerecht werden, wird bis heute nach Ansicht von Fachleuten zu wenig untersucht. Als eine Konsequenz aus dem Skandal um falsch eingebaute Prothesen fordern sie deshalb die Einrichtung eines Prothesenregisters.

„Wir brauchen ein solches Register, damit wir kontrollieren können, ob sich ein künstliches Gelenk im Alltag bewährt“, sagt Günther Jonitz. Er ist Präsident der Berliner Ärztekammer und bei der Bundesärztekammer zuständig für die Qualitätssicherung.

„Braucht ein Patient nach einer Operation noch lange Schmerzmittel, muss er erneut operiert werden? Diese Fragen können wir endlich beantworten, wenn wir ein Prothesenregister haben“, sagt Almut Tempka, Chirurgin an der Charité. Das sei auch deshalb wichtig, weil es eine Vielzahl unterschiedlicher Prothesensysteme auf dem Markt gibt. „Bisher bricht die Datenerhebung für die Qualitätssicherung mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus ab.“

Für den Ärztekammerpräsidenten Günther Jonitz ist denkbar, dass eine ganze Kette von Fehlern zum Einbau falscher Kniegelenksprothesen am St.-Hedwig- Krankenhaus führte. „Das Krankenhaus muss das genau prüfen.“ Den Vorwurf des Krankenhauses gegenüber dem Hersteller, die Prothesen seien nur in englischer Sprache beschriftet gewesen, lässt Jonitz allerdings nicht gelten. „Das ist keine Entschuldigung. Man sollte in der Lage sein, die englischen Ausdrücke zu verstehen.“ Letztlich liege die Verantwortung immer bei den Ärzten.

„Es könnte auch sein, dass falsch verstandene Sparmaßnahmen eine Rolle gespielt haben“, sagt Jonitz. So seien früher die Ärzte für die Auswahl der Prothesen verantwortlich gewesen. Heute würden diese vielerorts vom Leiter des Einkaufs ausgewählt, um Geld zu sparen.

„Die Arbeitsbelastung der Ärzte ist drastisch angestiegen, nicht zuletzt durch die Einführung der Fallpauschalen“, sagt Athanasios Drougias, Sprecher der Ärztegewerkschaft Marburger Bund. „Dass da dem einen oder anderen etwas durchrutscht, ist nachvollziehbar.“ Die Politik sei dafür mitverantwortlich.

Der Vorschlag des Gesundheitsstaatssekretärs Benjamin Hoff, ein europäisches Schnellwarnsystem für Medizinprodukte einzuführen, ist bei der Industrie auf Ablehnung gestoßen. „Das ist ein Schnellschuss, der auf der nicht ausreichenden Kenntnis des Medizinproduktegesetzes beruht“, sagt Joachim Schmitt, Geschäftsführer des Bundesverbands Medizintechnologie, in dem auch der Knieprothesenhersteller Smith & Nephew organisiert ist. „Ein solches Warnsystem existiert laut Gesetz bereits, und es funktioniert – aber es schützt natürlich nicht bei bestimmungswidriger Anwendung eines Produkts.“

Zugleich befürwortet auch Schmidt ein Prothesenregister. „Das ist durchaus sinnvoll, und die Unternehmen sind bereit, sich dafür einzusetzen.“ Allerdings sei noch zu klären, wie man das Problem des Datenschutzes handhabe und wer das Register bezahle. Hartmut Wewetzer

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