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Berlin: Zeuge im Aubis-Prozess: Aussteiger bangten um ihr Leben

Der Anwalt Martin R. will von einstigen Mitarbeitern brisante Interna erfahren haben

In einem amerikanischen Gerichtssaal käme der Zeuge in dem dunklen Zweireiher keine zwei Sätze weit: „Einspruch, Euer Ehren“, würden ihn die Verteidiger unterbrechen. „Hörensagen!“ Aber in Saal 618 des Landgerichts lässt man Martin R. ungehindert reden. Über das Spargelessen im „Reinhard’s“ mit den beiden ehemaligen Aubis-Mitarbeitern, über die Zurückhaltung seines Schulfreunds Frietjof H. „Er wollte mit Aubis nichts mehr zu tun haben“, berichtet der Zeuge. „Er sagte: Das könnte sonst für mich im blauen Müllsack enden.“

Ein verächtliches Schnaufen, ein Kopfschütteln – mehr lässt Klaus Wienhold auf der Anklagebank nicht vernehmen. Der Manager der Immobilienfirma Aubis und sein Geschäftspartner Christian Neuling gelten als Schlüsselfiguren des Berliner Bankenskandals. Derzeit müssen sich die beiden vor dem Landgericht wegen Betrugs verantworten. Sie sollen gemeinsam mit dem Leipziger Wärmelieferanten Elpag durch überhöhte Heizpreise einen Millionenschwindel eingefädelt haben – was die Angeklagten bestreiten.

Martin R. (38) ist Anwalt, spezialisiert auf Energierecht. Er vertritt eine Tochtergesellschaft der Berlin Hyp, die sich seit 2000 mit dem Wärmelieferanten Elpag im Rechtsstreit befindet. Als sich Martin R. am 31. Mai 2001 in dem Grunewalder Restaurant verabredet, ist er auf der Suche nach belastenden Informationen. Frietjof H. („er war bei Aubis Prokurist“) habe sich nur aus alter Verbundenheit auf ein Treffen im „Reinhard’s“ eingelassen und aus seiner Angst keinen Hehl gemacht. Laut Frietjof H. seien unzufriedene Aussteiger bei Aubis öfter mit dem Satz eingeschüchtert worden: „Pass auf, sonst findest Du Dich in einer blauen Tüte wieder!“ Nach dem Essen hätten die beiden Ex-Mitarbeiter trotzdem Interna und Unterlagen ausgepackt, sagt Martin R. Demnach sei der Chef bei der Elpag nur ein Strohmann gewesen, tatsächlich hätten Wienhold und Neuling die Entscheidungen im Hintergrund getroffen. Frietjof H. und sein Kollege hätten von fingierten Rechnungen, überhöhten Preisen und abgeflossenen Gewinnen berichtet, sagt der Zeuge. „Demnach steckte bei Aubis eine ganze Menge kriminelle Energie drin.“

Was der Staatsanwalt ganz ähnlich sieht. Laut Anklage sollen Wienhold und Neuling von den Elpag-Gewinnen profitiert haben, die durch überhöhte Preise angefallen sein sollen. Die Angeklagten bezeichnen die Vorwürfe als haltlos: „Wir hatten weder das Ziel noch den Wunsch, uns zu Lasten anderer zu bereichern“, sagt Wienhold. Vielmehr hätten sich die Berlin Hyp und ihre Tochtergesellschaften nicht an die Verträge gehalten, immer wieder Streit gesucht. „Die Bank verschuldete unsere Objekte.“ Die Berlin Hyp ist eine Tochter der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin, die durch den Skandal um Immobilienfonds an den Rand der Pleite kam.

Nach dem Spargelessen fertigte Martin R. ein Protokoll, gab es seinem Mandanten weiter. Die Sorgen seines Schulfreunds hätte der Anwalt vielleicht als Hysterie abgetan, wäre ein halbes Jahr später nicht die Leiche von Lars-Oliver Petroll im Grunewald gefunden worden. Vor seinem Selbstmord hatte sich der ehemalige Aubis-Mitarbeiter als Zeuge in der Bankenaffäre angeboten. Die Staatsanwaltschaft sieht kein Fremdverschulden und hat die Ermittlungen eingestellt.

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