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Berlin: Ziel Lehrstelle: Hoffnung auch für Hauptschüler Neues Projekt vernetzt Schulen und Firmen. Gemeinsam trainieren sie die Ausbildungswilligen

Hinterher fand Sarah sich direkt peinlich. Sie war zu spät gekommen und hatte herumgeplappert.

Hinterher fand Sarah sich direkt peinlich. Sie war zu spät gekommen und hatte herumgeplappert. Ihr Gegenüber war besser vorbereitet. „Ich heiße Kristina“, hatte ihr Gegenüber gesagt, sie sei bei Ikea für die Lehrlinge zuständig . Sarah und Kristina haben ein Bewerbungsgespräch geführt. Probeweise, aber unter realen Bedingungen. Kristina Fuhrmann ist wirklich Azubi-Beauftragte bei Ikea, man duzt sich da auch wirklich, und der Raum, in dem Sarah saß, ist der Raum für Bewerbungsgespräche. Aber hierher wäre Sarah nie vorgedrungen, ohne das Netzwerk Berliner Hauptschulen.

Das Schuljahr geht zu Ende – und vielen Jugendlichen droht die Arbeitslosigkeit. Besonders Hauptschüler finden schwer ein Lehrstelle, Realschüler machen ihnen Konkurrenz, sie gelten als unzuverlässig und kümmern sich zu spät. Deshalb setzt das Netzwerk in der Schule an. Es kopiert eine Hamburger Idee, die so einfach wie erfolgreich ist: Firmen und Hauptschulen suchen gemeinsam nach Azubis. Und zwar jenseits von Zensuren. Um Ausbildungsfähigkeit geht es und Ausbildungswilligkeit: Ist ein Schüler zuverlässig, pünktlich? Steht der eine Ausbildung durch? Dazu werden Mentorengespräche mit den Schülern geführt, sie werden zu Bewerbungstrainings und Probevorstellungsgesprächen geschickt.

In Hamburg, wo der Otto-Versand treibende Kraft ist, gehören alle 109 Hauptschulen zum Netzwerk und mehr als 50 Unternehmen. Seit 2001 hat sich die Zahl der Hauptschulabgänger, die einen ungeförderten Ausbildungsplatz gefunden haben, auf 20 Prozent verdoppelt.

In Berlin hat die Koordinierungsstelle erst im Januar angefangen, da waren bei den meisten Firmen die Azubiverträge für dieses Jahr längst unterzeichnet. Koordinatorin Dorothea Hauschild hat es bisher mit je zehn Schülern von zehn Hauptschulen und gut 20 Unternehmen zu tun – neben Ikea auch Kaisers Tengelmann, die BSR, die Wasserbetriebe, AEG-Signum und Daimler. Bisherige Bilanz: zwölf Ausbildungsplätze und einige Praktika, zum Beispiel Corinna: Die 16-Jährige wird im Sommer probeweise bei einem Zahnarzt arbeiten. Sie will Zahnarzthelferin werden. Sie hat schon Praktika gemacht, sie war pünktlich und gut vorbereitet. Für Schüler wie Corinna lohnt sich das Netzwerk. Für die Engagierten, an denen das Stigma Hauptschule zu Unrecht klebt. Dorothea Hauschild ist überzeugt von dem Projekt. „Es ist wichtig, in den Schulen anzusetzen“, sagt sie. „Damit die Abgänger nicht erst in die Warteschleife geraten.“ Aus der Handwerkskammer kommt noch ein Argument: Da es künftig weniger Schüler gebe, drohe Fachkräftemangel. Sprecher Wolfgang Rink sagt, wenn das Netzwerk die Schüler gut auf Arbeit und Bewerbung vorbereite, erspare das „den Betrieben viel Arbeit und den Jugendlichen Frust“.

In den beteiligten Schulen ist das Projekt wie frischer Wind durch die Flure geweht. Schüler würden ihn auf dem Gang ansprechen, weil sie mitmachen wollen, sagt Dieter Hohn von der Pommernschule, und die, die bei Mentorengesprächen waren, würden sich hinterher im Unterricht wieder anstrengen. Es gab aber auch Enttäuschungen: 90 Mentorengespräche waren vereinbart worden, 30 Schüler dazu nicht erschienen. Bei Ikea waren sogar nur zwei von zehn Schülern zu den Gesprächsterminen gekommen.

In Berlin sind bisher die Hauptschulleiter die treibende Kraft. Sie sagen, was noch fehle, sei eine Firma, die sich richtig engagiere, ein Berliner Otto-Versand.

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