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Berlin: Zitterpartie mit hundert Kindern

Schwieriger Betreiberwechsel: Drei Jahre ging in einer Kita am Bayerischen Platz die Zukunftsangst um

Ottilia Kozyrowski-Bauer hat Buch geführt. Anders würde sie heute kaum noch rekapitulieren können, was mit ihrer Kita alles passiert ist in den letzten drei Jahren des Umbruchs. Sie rückt einen Stuhl zurecht und schließt die Tür ihres kleinen Büros, damit das Gewusel der 100 Kinder, die jetzt erst einmal Mittag essen sollen, draußen bleibt.

Alles begann im Herbst 2003. Damals gehörte die kleine Kita am Bayerischen Platz dem Land Berlin. Eines Tages kam die Nachricht, dass die Tagesstätte ab Sommer 2005 nicht mehr die unter Sechsjährigen, sondern nur noch die Hortkinder der benachbarten Löcknitz-Grundschule aufnehmen sollte.

Ein halbes Jahr später: Kommando zurück. Die Umbaukosten würden zu hoch, hieß es. Ein Hort-Neubau an der Schule wäre billiger. Die Kita sollte Kita bleiben. Es wird beschlossen, dass die Einrichtung an einen anerkannten freien Träger übertragen wird, die INA GmbH.

Das war im Januar 2005, erzählt Kita-Leiterin Ottilia Kozyrowski-Bauer mit festem Blick auf ihre chronologische Tabelle. Aber schon einen Monat später heißt es: Stopp! Die Scharmützelsee-Grundschule braucht für zwei Jahre ein Horthaus.

Jetzt hat die Kita keine Wahl mehr: Um Plätze für die Hortkinder frei zu halten, die im Sommer erwartet werden, dürfen keine Kleinen mehr aufgenommen werden. Nicht einmal Geschwisterkindern darf man noch Zusagen machen. „Das hat uns fast die Beine weggerissen“, sagt Kozyrowski-Bauer. Denn die Kita steht praktisch ohne Nachwuchs da, als es im Frühjahr 2005 plötzlich heißt: nichts da, die Kita bleibt Kita.

Jetzt können die Gespräche mit der INA GmbH neu aufgenommen werden. Und damit beginnt die nächste Zitterpartie: Jede Erzieherin muss für sich entscheiden, ob sie zu dem freien Träger wechseln will und damit ihren Kündigungsschutz verliert. Oder ob sie in der Obhut des Landes Berlin bleibt.

Die Entscheidung fällt schwer. Rund die Hälfte der Frauen votiert schließlich für den Verbleib im öffentlichen Dienst und muss deshalb die vertraute Kita verlassen. „Wenn beispielsweise der Ehemann arbeitslos ist, will man seinen Kündigungsschutz nicht hergeben“, nennt die Kita-Leiterin einen Beweggrund der Frauen, lieber in den Stellenpool des Landes Berlin zu wechseln und damit auch zu riskieren, in einen entlegenen Bezirk versetzt zu werden oder eine Umschulung machen zu müssen.

Ottilia Kozyrowski-Bauer hat sich entschieden, in ihrer Kita zu bleiben. Bei einem kleinen Rundgang erzählt sie, dass das Bezirksamt jetzt plötzlich eine Feuertreppe verlangt und nicht mehr erlaubt, dass die Kindergarderobe auf dem Flur hängt: Sie müssen dafür einen kleinen Raum freimachen, den sie gut als Spielfläche hätten gebrauchen können. „Solange die Kita zum Bezirk gehörte, wurden diese Auflagen nicht eingefordert, weil Bestandsschutz galt“, sagt die Kita-Leiterin. Nach der Übertragung an die freien Träger aber hat sich das Bezirksamt an die Auflagen erinnert, denn jetzt muss ja der freie Träger zahlen.

Doch das sind nur Nebensächlichkeiten. Die dreijährige Hängepartie hat ein Ende. Jetzt wissen wenigstens alle, wo sie hingehören. sve

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