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Auszeichnung

© Mike Wolff

Zivilcourage: Ausgezeichnete Hilfe

Eine deutsche Frau hatte den 19-jährigen Mikailu F. rassistisch beschimpft und ins Gleisbett am Berliner S-Bahnhof Frankfurter Alle geschubst. Drei Berliner wurden nun von der Polizei geehrt. Sie hatten den Angolaner im letzten Moment gerettet.

Wahrscheinlich wäre Mikailu F. tot, hätten ihm die Drei an jenem Morgen am 2. März nicht geholfen. Eine deutsche Frau hatte den 19-jährigen Angolaner zunächst rassistisch beschimpft und ihn dann ins Gleisbett am S-Bahnhof Frankfurter Alle geschubst – während der einfahrende Zug immer näher heranrollte. Jushua Manono (30) und Marco Weber (28) zogen das Opfer aus dem Gleisbett. Cindy Faedrich (29) hielt die 20-jährige Tatverdächtige fest. Für ihre Zivilcourage wurden die Helfer gestern von Vize-Polizeipräsident Gerd Neubeck geehrt.

Als Mikailu F. vom Tagesspiegel am Telefon davon erfuhr, war er begeistert. „Ich finde es toll, dass sie belohnt werden für ihren Einsatz“, sagte er. Je 100 Euro und eine Urkunde gab es gestern vom Vize-Polizeichef für den „beherzten Einsatz“. Dieses Verhalten sei „nicht selbstverständlich“, sagte Neubeck. Mit der Ehrung solle auch anderen Berlinern Mut gemacht werden, in einer solchen Situation Zivilcourage zu zeigen.

Mikailu F., Kind angolanischer Bürgerkriegsflüchtlinge, lebt seit 18 Jahren in Moabit. Er macht eine Ausbildung zum Metallbauer. Am Telefon erzählt er, dass er immer noch mitgenommen sei von dem, was in jener Nacht zum 2. März geschah. Mikailu schildert die schlimmsten Minuten seines Lebens so: Mit seinem deutschen Kumpel René war er bis zum Morgen in einer Disko. Gegen 6.45 Uhr zog er sich am S-Bahnhof Frankfurter Allee Geld am Automaten, ging dann in Richtung Bahnsteig. Er sah eine korpulente deutsche Frau, die sich lautstark mit ihrem Freund stritt. „Ich schaute im Vorbeigehen kurz hin“, sagt Mikailu. Daraufhin beschimpfte ihn die Frau mit den Worten „Was guckst Du so, Nigger?“ Mikailu erwiderte: „Haben Sie ein Problem?“ und ging weiter. „Plötzlich spürte ich bloß noch den Stoß von hinten und war im tiefen Gleisbett“, schildert er. „Ich überlegte in dieser Sekunde, ob ich in die Einbuchtung kriechen sollte.“

Im selben Moment schrie Jushua Manono „Gib mir deine Hand!“ – auf Englisch und Französisch. Der Hotelier, der in Kamerun geboren ist und seit sieben Jahren in Berlin lebt, hatte den Streit am Bahnsteig wenige Sekunden zuvor mitbekommen. „Ich töte diesen Scheißnigger!“, soll die dicke Frau gebrüllt haben. „Dann sah ich, wie sie ihn schubste“, berichtet Manono. Während er dem Opfer die Hand reichte, waren bereits die Scheinwerfer der einfahrenden Bahn zu sehen. Auch Marco Weber, der die ganze Nacht durch Clubs gezogen war, kam hinzu und hielt Manono im wahrsten Sinne des Wortes „den Rücken frei“. Denn der Retter hatte Angst, „dass diese Frau mich auch noch von hinten ins Gleis schubst, während ich den Mann hochziehe“.

Doch die Tatverdächtige war in diesem Moment bereits in den eingefahrenen Zug auf dem gegenüberliegenden Gleis gesprungen, um davon zu fahren. Allerdings hinderte Cindy Faedrich sie in letzter Sekunde daran. Die Imbiss-Mitarbeiterin sprang aus ihrem Kiosk und zog die schwergewichtige und total betrunkene Frau aus dem Zug. „Ich habe gar nicht viel nachgedacht, sondern einfach zugepackt“, sagt sie. Die Täterin wehrte sich, Cindy erlitt eine Schulterprellung. „Ich konnte sie nur festhalten, weil sie so betrunken war“, sagt die 29-Jährige. Sie schaffte es, die Frau so lange unter Kontrolle zu halten, bis die Polizeibeamten eintrafen. Die Frau sitzt seitdem wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Tanja Buntrock

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