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Berlin: Zu dritt im Messingbett

Tagesspiegel und Radio Multikulti zeigen, wie Berliner wohnen

BERLIN PRIVAT (3)

Wer sagt. dass Homestorys nur interessant sind, wenn Prominente darin die Hauptrolle spielen? Wir nicht. In dieser Serie stellen Radio Multikulti und der Tagesspiegel die Wohnungen der Berliner von nebenan vor. Die Sendung zum Text läuft heute im Radio, und im Internet erlauben die Bewohner einen Blick ins Private.

Mit dem Bett von Urgroßtante Emma hat alles angefangen. Denn auf das Messingbett war Nathalie schon als Kind scharf. Als die alte Tante starb, sollte es eigentlich auf den Schrottplatz, aber Nathalie hat so lange auf ihre Eltern eingeredet, bis sie es behalten durfte. Heute schlafen Emmas Urgroßnichte und ihr Mann Stefan in dem schnörkellosen Bett. Seit damals kann Nathalie an keinem Antiquitätengeschäft oder Trödelmarkt vorbeigehen, ohne einen Blick riskiert zu haben. Wenn die Opernsängerin in einer anderen Stadt auftritt, erkundigt sie sich zuerst, ob dort ein Flohmarkt stattfindet. Was sie in ihre Pankower Altbauwohnung mitbringt, sieht oft ziemlich verrottet aus.

Genau das macht sie noch reizvoller für die Mitte 30-Jährige. Denn wenn sie nicht gerade Verdi- oder Wagner-Arien übt, feilt und lackiert sie im Keller. Allein sieben Farbschichten kratzte sie von Opas Küchenschrank, bis das Holz zum Vorschein kam. Nathalies Sammelleidenschaft erstreckt sich auch auf Hüte und Haushältsgeräte. Zum Beispiel Bügeleisen: Aus der Vitrine im Wohnzimmer fischt sie eines, das wie ein Spielzeug aussieht. „Damit hat man früher die Spitzen gebügelt“, erklärt die Mannheimerin. Dagegen wirkt das erste deutsche Elektrobügeleisen wie ein Ungetüm. Es ist aus Stahl und Porzellan, „damit kann man problemlos jemanden erschlagen“, meint die Sopranistin.

Um die Kücheneinrichtung würde sie jedes Heimatmuseum beneiden: Auf Opas Küchenschrank stehen Kaffeemaschinen aus verschiedenen Jahrzehnten. Genau wie die französische Teigrolle aus dem 19. Jahrhundert und der zerbeulte Blechseiher an der blaugestrichenen Wand. „Die meisten benutze ich auch“, sagt die Hobby-Köchin, „weil alte Küchengeräte viel stabiler sind“. Stefan rühmt die Kochkünste seiner Frau. Er schaut lieber in seine Bücher.

7000, schätzt der Sozialpädagoge, sind es inzwischen. In einigen Regalen der vier Zimmer reihen sich hauptsächlich schwarze Buchrücken aneinander, der 45-Jährige ist ein leidenschaftlicher Krimileser. „Ich gehöre wohl zu den wenigen in Deutschland, die Simenon komplett gelesen haben“, meint er. Spätestens in einem Monat müssen Bücher, Bügeleisen und Blechseiher Wiege und Wickeltisch weichen. Denn Nathalie ist schwanger und am 22. April ist Termin. Dass es ein Sohn wird steht schon fest. Nur, wo der Knabe schlafen soll, wissen die Eltern noch nicht. Im Zweifel in Tante Emmas Messingbett. Da ist auch für drei Platz.

Radio Multikulti (Kabel 91,6 und Antenne 106,8), 8.40 Uhr; Internet: www.berlinprivatonline.de

Nina Siegers

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