zum Hauptinhalt

Berlin: Zu viel Kohle für die paar Kiezstreifen

Die Grillsaison in den Parks hat mit Rekordhitze und Rekordmüllbergen begonnen. Die Ordnungsdienste sind dem nicht gewachsen

Die „Grillpolizei“ des Ordnungsamts Mitte hätte am Wochenende im Tiergarten genügend Gründe vorgefunden, Bußgelder zu kassieren: von einem Eismann, der mit seinem VW-Bus mitten durch den Tiergarten fuhr und dann auf der Wiese parkte. Von Grillfreunden, die ihre Autos auf der Feuerwehrzufahrt zum Haus der Kulturen und diversen Parkwegen geparkt hatten. Und von Menschen, die ihren Müll mal eben in den Büschen entsorgten. Nur – die Kiezstreifen des Bezirks waren am Wochenende nicht zu sehen.

Warum? Dazu wollte man sich gestern im Bezirksamt Mitte nicht äußern. Der Chef sei erst am Mittwoch wieder im Haus, hieß es. Und ohne Genehmigung dürfe man, leider, zu diesem und zu anderen Themen gar nichts sagen, sagte ein Mitarbeiter.

Dagegen nimmt Franz Schulz (Grüne) die Kollegen in Schutz. Der vergangene Sonnabend, sagte der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg gestern, habe alle Rekorde gebrochen, – in jeder Hinsicht: hohe Temperaturen, in den Parks kaum noch ein freies Stückchen Rasen, dafür aber tonnenweise Müll. „Solch ein immenses Menschenaufkommen wie am Wochenende kann man mit dem Personal, das wir zur Verfügung haben, einfach nicht wirksam kontrollieren“, sagt Schulz. Am Wochenende ist etwa die Hälfte der 30 Kontrolleure unterwegs. In Zweierteams durchstreifen sie ihren Bezirk, verteilt auf zwei Schichten zwischen 8 und 22 Uhr. Bleiben zwei bis vier Kiezläufer, die versuchen, sich um „Schwerpunkte“ wie Traveplatz, Volkspark Friedrichshain oder Görlitzer Park zu kümmern. Schulz sagt: „Wo ein Schwerpunkt ist, bestimmen die Bürger mit. Unsere Kiezstreifen sind auf die Hinweise angewiesen.“

Ein ähnliches Bild wie Schulz zeichnet auch Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU). „Wir können nicht an jeder Ecke eine Kiezstreife stehen haben, schon gar nicht an einem Wochenende wie dem vergangenen.“ Von den 17 Mitarbeitern seien am Sonnabend und am Sonntag jeweils vier unterwegs gewesen – „in den Stoßzeiten“, das heißt zwischen 12 und 18 Uhr. Da bleibt nicht viel „Grillpolizei“ übrig. Zumal, wenn man bedenkt, dass am Sonnabend zwei Kiezläufer wegen des Pokalendspiels vorm Olympiastadion beschäftigt waren.

Dass es demnächst mehr Personal gibt, das sich in der Grillsaison um die Sauberkeit in den Parks der Stadt kümmern könnte, erwarten die Bezirke nicht. Schwer vorstellbar also, dass sich die vollmundigen Versprechungen bald erfüllen, die noch zur Einführung der „Grillpolizei“ zu hören waren. Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass Mittes Grünflächenamtsleiter Harald Büttner auf der Wiese neben dem Haus der Kulturen der Welt seine „Grillpolizei“ vorstellte. Das wilde Grillen, versprach Büttner damals, würde jeden künftig teuer zu stehen kommen. Die Rechnung war einfach: 35 Euro Verwarnungsgeld plus 12,50 Euro Bearbeitungsgebühr plus 2,35 Euro Zustellgebühr – macht alles in allem 49,85 Euro.

So gesehen sind dem Bezirk Mitte am Wochenende veritable Einnahmen entgangen. Die Wahrscheinlichkeit, wegen einer Ordnungswidrigkeiten zur Kasse gebeten zu werden, tendiert gegen null. Etwa 50 Menschen picknickten deshalb unbehelligt am Ufer der Spree und garten ihr Fleisch dort, wo das Grillen laut Schildern verboten ist.

Eine gute Nachricht für alle Camper und Grillmeister der Stadt, die sich um Verbotsschilder in den Parks nicht scheren. Könnte sein, dass diese Rechnung nicht ganz aufgeht. Denn dass es auch anders kommen kann, zeigt ein Fall, mit dem sich am Freitag das Verwaltungsgericht Tiergarten beschäftigt: Mehrere Hauseigentümer in Stralau wollen vor Gericht durchfechten, dass der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einen Grillplatz gegenüber des Treptower Parks schließt. Sie ärgern sich über Grillgerüche und Lärmbelästigungen, vor allem aber über den vielen Müll in ihrer Nähe.

Marc Neller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false