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Fahren, bis es quietscht. Bei der Straßenbahn sind die Fahrzeuge im Gegensatz zur S-Bahn ziemlich intakt. Doch es fehlt an Leuten, die die Wagen durch die Stadt steuern können

© dpa

Zu wenig Personal bei BVG?: Berlins Nahverkehr ist am Limit

Nicht nur die S-Bahn, auch die BVG fährt am Limit. Berlins Verkehrsbetriebe haben kaum Reserven. Und für die Straßenbahnen gibt es nicht genug Fahrer. Ist daran auch die Ausbildung schuld?

Berlins Nahverkehr fährt am Limit. Wenn alles klappt, läuft’s meist gut. Doch bei Störungen im Betrieb müssen Fahrgäste derzeit vor allem bei der Straßenbahn – und auch bei der S-Bahn – damit rechnen, dass sie ihre Fahrt nicht planmäßig absolvieren können. Es fehlen Reserven. Bei der Straßenbahn gibt es nicht genügend Fahrer, und bei der S-Bahn mucken mal wieder die Züge. Besser kann es bei der Straßenbahn erst wieder Anfang 2016 werden; die S-Bahn will im Herbst so weit sein.

„Wir schaffen bei der Straßenbahn den normalen Fahrplan mit Ach und Krach“, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Wenn der Fahrplan – etwa nach Unfällen oder bei Ausfällen einer Bahn – durcheinandergerate, gebe es keinen „Puffer“, um Verspätungen aufzuholen oder Ersatz für ausgefallene Fahrten anzubieten. Bei den Fahrern habe die Rente mit 63 „voll reingeschlagen“. Zudem sei der Krankenstand relativ hoch.

Die BVG bilde alle zwei Monate 18 Fahrer und Fahrerinnen aus; bis Ende des Jahres sollen rund 80 Neue ihre Bahnen durch die Stadt steuern. Vorwürfe des Fahrgastverbandes Igeb, die BVG verursache den Personalmangel auch durch ihre Ausbildungsweise, wies Reetz zurück. Die Igeb moniert, dass die Fahrer bei der BVG alle sieben Fahrzeugtypen beherrschen und dafür ausgebildet sein müssen.

Reetz: Die Fahrer müssten für alle Typen ausgebildet sein

Wem für einen Typ die Berechtigung fehle, könne nicht kurzfristig bei Engpässen einspringen, weshalb es auch zu Ausfällen von Fahrten komme. Reetz kontert, die Fahrer müssten für alle Typen ausgebildet sein. Als Beispiel nannte sie das unterschiedliche Bremsverhalten von Bahnen, die einzeln oder „im Pärchen“ als sogenannte Doppeltraktion unterwegs sind, bei denen der Bremsweg wegen des höheren Gesamtgewichts wesentlich länger sei. Zudem dauere die Zusatzausbildung „nicht ewig“.

Auch der S-Bahn sind die Reserven, die sie sich nach der großen Krise mühsam aufgebaut hat, schon längst wieder zusammengeschmolzen. 14 Doppelwagen hätten abgestellt werden müssen, weil sie Risse im Drehgestell haben, sagte ein Sprecher. Dies entspricht etwa der bisherigen Reserve, auf die man bei Betriebsstörungen zurückgreifen müsse. Dazu zählten nicht nur defekte Weichen, Signalanlagen und Züge, sondern auch Polizei- und Notarzteinsätze, sagte der Sprecher.

Um den derzeitigen Fahrplan einhalten zu können, der immer noch nicht vollständig gefahren werden kann, sind 532 Doppelwagen, Viertelzüge genannt, erforderlich. Bestellt hat der Senat einen Fahrplan, für den 562 Doppelwagen benötigt würden.

Uralt-Waagen müssen weiter fahren

Dass Drehgestelle bei Fahrzeugen der Baureihe 480, die einst für den S-Bahn-Betrieb der BVG entwickelt worden waren, Risse hätten, die saniert werden müssen, sei klar gewesen, sagte der Sprecher. Diese Reparaturen hätten bei der geplanten Sanierung der Fahrzeuge in den kommenden Jahren erfolgen sollen. Doch jetzt habe sich bei Untersuchungen gezeigt, dass sofort gehandelt werden müsse. Die 70 Doppelwagen der Baureihe 480 und die 80 der Reihe 485, die einmal für die Reichsbahn der vor 25 Jahren untergegangenen DDR gebaut worden waren, sollten Ende 2017 ausgemustert werden. Weil der Senat durch die Verzögerungen bei der Ausschreibung für den Betrieb auf dem S-Bahn-Ring auch den Einsatz neuer Züge verschlafen hat, müssen die Oldtimer aber weiter fahren und deshalb aufwendig saniert werden.

Rund 100 Millionen Euro soll das Erneuerungsprogramm kosten, das die S-Bahn jetzt gestartet hat. 70 zusätzliche Mitarbeiter sollen dafür im Werk Schöneweide eingestellt werden. Einen Vertrag mit dem Senat dazu, der sich an der Finanzierung beteiligen muss, werde es allerdings frühestens im August geben, sagte der Sprecher der Verkehrsverwaltung, Martin Pallgen. Der Abschluss sei erst ein Jahr nach der Bekanntgabe, dass die S-Bahn den Betrieb auch auf dem Ring bis mindestens 2023 behalten werde, möglich.

Die neuen Umleitungen auf der Linie U2 und eine Hommage von Egon Erwin Kisch an den Bahnhof Gleisdreieck finden Sie HIER.

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