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Berlin: Zug um Zug

Seit einem Jahr ist der Hauptbahnhof in Betrieb. Auch heute sind noch nicht alle Mängel beseitigt

Seit einem Jahr hat Berlin einen richtigen Hauptbahnhof. Bei der Eröffnung Ende Mai 2006 hatte der nach Ansicht der Bahn modernste Bahnhof der Welt noch zahlreiche Macken. Der Tagesspiegel zieht jetzt eine Bilanz:

ANFAHRT

Der Weg zum Hauptbahnhof sei für Autofahrer schwer zu finden, bemängelten viele nach der Eröffnung. Viel besser ist es seither nicht geworden. Erst in der unmittelbaren Umgebung gibt es Hinweise auf Straßenschildern zum Hauptbahnhof. Selbst am Potsdamer Platz finden sich Hinweise auf das ICC und den Zoo, aber keine zum Hauptbahnhof.

AUFZÜGE

Sechs Panoramaaufzüge gibt es, vor denen sich von Anfang an meist lange Warteschlangen bildeten. Noch immer dauert das Öffnen und Schließen der Türen sehr lange; zudem heben und senken sich die Kabinen sehr langsam. Berliner Tempo sieht anders aus.

BESUCHER

Etwa 300 000 Besucher werden täglich zum Hauptbahnhof kommen, hatte die Bahn vorausgesagt. Und exakt 300 000 sollen es jetzt auch sein. Die Zählungen seien seriös, versichert die Bahn.

BUSHALTESTELLEN

Die Wege waren von Anfang an weit. Geändert daran hat sich nichts. Immerhin ist inzwischen der Verbindungsgang zum künftigen U-Bahnhof geöffnet, durch den man bei Regen die Invalidenstraße unterqueren kann, um zur Bushaltestelle zu kommen. Noch immer aber gibt es für die zahlreichen Fahrgäste jeweils lediglich ein Wartehäuschen am Europa- und am Washingtonplatz. Bei Regen stehen viele Fahrgäste nach wie vor im Freien. Am südlichen Washingtonplatz hat die BVG die einzige Wartehalle erst nach massiven Protesten aufgestellt. Derzeit fehlen im Bahnhof sogar die winzigen Hinweise auf diese Haltestelle. Immerhin will die BVG jetzt große elektronische Hinweistafeln auf beiden Plätzen installieren. Im Bahnhof dürfen sie nicht angebracht werden.

DACH UND DECKE

Heftig umstritten war von Anfang an das verkürzte Dach. Sogar der Bundestag hat sich damit beschäftigt und das Verkehrsministerium aufgefordert, zu prüfen, ob die Glaskonstruktion verlängert werden kann. Bahnchef Hartmut Mehdorn lehnt dies weiter strikt ab – wie auch den Ersatz der Flachdecke im Untergeschoss, wo die Architekten ein Gewölbedach vorgesehen hatten. Das Gericht gab ihnen recht, doch die Bahn wehrt sich weiter dagegen.

FAHRPLÄNE

Die Bahn hatte sich darauf verlassen, dass ihre Kunden die neuen elektronischen Informationssäulen nutzen, mit denen viele nicht zurechtkamen. Inzwischen hängen aber auch mehr herkömmliche Fahrplanübersichten im Bahnhof.

FAHRRÄDER

Zur Eröffnung gab es so gut wie keine Abstellmöglichkeiten. Inzwischen wurden Bügel aufgestellt, an denen sich die Räder anschließen lassen. Ein geplantes Parkhaus für Fahrräder wurde bisher nicht errichtet, weil es dem Bau der geplanten S-Bahn-Linie S 21 im Weg steht.

GEPÄCKABGABE

Lange Warteschlangen gab es zunächst bei der Gepäckaufbewahrung, weil alle Koffer und Taschen durchleuchtet werden. Schnell hat die Bahn aber eine zweite Anlage installiert.

PARKEN

An den Straßen gibt es nur wenige Stellplätze. Das illegale Abstellen von Autos ist aber fast unterbunden worden. Wenig genutzt werden weiter die 850 Plätze im unterirdischen Parkhaus, zu dem der Weg nach wie vor schwer zu finden ist.

NAHVERKEHRSANSCHLUSS

Einst hatte der Senat versprochen, zur Eröffnung auch die U- und die Straßenbahn zum Hauptbahnhof fahren zu lassen. Inzwischen wurden die Termine mehrfach verschoben. Die U-Bahn soll nun im Frühjahr 2009 kommen, die Straßenbahn gar erst 2010 oder noch später. In diesem Jahr soll der Bau der S 21 starten.

SERVICE

Den speziellen Service für 1.-Klasse-Kunden, der bundesweit zum Vorbild werden sollte, hat die Bahn abgeschafft. Auch ein Abholen der 1.-Klasse-Passagiere bei Regen mit einem Schirm kam nicht zustande.

TAXIS

Weil es keine großzügigen Flächen zum Ein- und Aussteigen vor den Bahnhofstüren gibt, parken Taxis auch im Halteverbot, was oft zu Staus führt. Etwas entspannen soll es sich, wenn die provisorisch angelegten Vorplätze jetzt neu gestaltet und dabei zu enge Kurven entschärft werden.

TOILETTEN

Da die eine geplante Anlage nicht ausreichte, hat die Bahn schnell eine zweite geschaffen. Jetzt läuft’s prima.

PLANUNG

1992 war entschieden worden, am ehemaligen Lehrter Bahnhof einen neuen Kreuzungsbahnhof zu bauen.

BAU

1996 begannen die Arbeiten, zehn Jahre später war man fertig.

ERÖFFNUNG

Offiziell gefeiert wurde am 26. Mai 2006. Züge hielten ab 28. Mai.

KOSTEN

Veranschlagt waren 400 Millionen Euro, am Ende waren es 1,2 Milliarden.

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