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Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit Schülern im Robert-Koch-Gymnasium in Kreuzberg

© dapd

Zugang zum Gymnasium: Brennpunkt-Schulen verlangen Numerus Clausus

Haben auch schwache Schüler das Recht auf einen Platz am Gymnasium? Schulen in sozialen Brennpunkten meinen: Nein. Bildungssenatorin Scheeres verteidigt dagegen das freie Elternwahlrecht.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hält am freien Zugang zum Gymnasium fest, doch an den Schulen verliert sie dafür zunehmend Unterstützung. Nachdem sich in den vergangenen Wochen bereits die Schulleiterverbände, die CDU und auch SPD-Bildungsstadträte für einen moderaten Numerus Clausus ausgesprochen hatten, tun dies jetzt auch Gymnasien in sozialen Brennpunkten. Gerade sie haben aufgrund der Wahlfreiheit der Eltern eine große Zahl von ungeeigneten Schülern, die im Probejahr an den Anforderungen scheitern. Und anders als zu Beginn der Sekundarschulreform befürchtet, sehen sie sich nicht in ihrem Bestand gefährdet, wenn sie nicht mehr jeden Schüler nehmen müssen.

Ausgerechnet bei ihrem ersten offiziellen Besuch eines Gymnasium im Rahmen ihrer „Schultour“ bekam Sandra Scheeres (SPD) am Freitag Gegenwind, als sie darauf beharrte, dass selbst die schlechtesten Schüler das Anrecht auf einen Gymnasialplatz behalten sollten. Der Leiter des gastgebenden Kreuzberger Robert-Koch- Gymnasiums widersprach vehement.

„Das ist ein Versuch am lebenden Menschen“, bewertete Direktor Rainer Völkel das jetzige Aufnahmeverfahren. An seiner Schule müssen 40 von 140 Siebtklässlern damit rechnen, das Probejahr nicht zu schaffen. Wie berichtet, sind berlinweit schätzungsweise 1000 Schüler gefährdet. Viele versuchen bereits im laufenden Schuljahr auf einer Sekundarschule unterzukommen, finden aber kaum Plätze. Die meisten müssen im Sommer in Rückläuferklassen untergebracht werden.

Völkel schlägt vor, dass bei einem Grundschul-Notenschnitt von 3,0 Schluss sein sollte. Schlechtere Schüler seien den Anforderungen des Turbo-Abiturs nicht gewachsen, meint er. Ähnlich sieht das sein Kollege vom Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium, Georg Krapp. Seine Schule nimmt bereits ab 3,0 keine Siebtklässler auf. Diese Ausnahmegenehmigung wurde aber nur erteilt, weil die Schweitzer-Schule einen Modellversuch als Ganztags-Gymnasium durchläuft. „Wenn man sich damit intensiv beschäftigt, wird man dazu kommen, dass man eine Grenze braucht“, sagt Krapp. Ein Gymnasium sei eben keine Gemeinschaftsschule.

Ähnlich sieht das Michael Wüstenberg vom Lessing-Gymnasium in Mitte. Es sei „sinnlos“, wenn ein Kind es mit Durchschnittsnoten jenseits der 3,0 auf dem Gymnasium versuchen wolle.

„Ab einem Schnitt von 2,7 oder 2,8 scheitern 70 Prozent der Siebtklässler“, ist die Erfahrung von Cynthia Segner, die das Menzel-Gymnasium in Tiergarten leitet. Schüler jenseits der 3,0 hätten nur eine Chance, wenn sie in starken Klassen mitgezogen würden.

Scheeres sagte am Freitag, sie halte nichts von „überstürzten“ Entscheidungen, sondern wolle erstmal das diesjährige Aufnahmeverfahren abwarten. Im übrigen gebe es auch Kinder, „die es mit einer 3,2 schaffen“. Die Senatorin setzt darauf, dass die Grundschulen die Eltern noch intensiver als bisher beraten, um Fehlentscheidungen zu verhindern.

Robert-Koch-Schulleiter Rainer Völkel hält das für nicht ausreichend. Jahr für Jahr mache er in Elterngesprächen die Erfahrung, dass die Beratung über Bord geworfen würde: „Ich frage diese Eltern dann, ob sie ihr Kind nicht lieben.“

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