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Ein letzter Abflug. Neue Konzepte für die Nutzung des Flughafen Tegel gesucht.

© dpa

Zukunft des Flughafen Tegel: "Es darf nicht dasselbe passieren wie in Tempelhof"

Die Planungen für die Nutzung des Flughafen Tegel nach seiner Schließung laufen. Die neue Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz will den Flughafen schnell entwickeln – sich aber nicht in jedes Detail einmischen.

Der Flughafen Tegel soll nach seiner Schließung im Juni zugunsten des neuen Flughafens BER in Schönefeld ein wichtiger Innovations- und Industriestandort werden. Zur Entwicklung von Tegel gebe es „immense Erwartungen“, betonte die neue Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung, Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU) am Mittwochabend bei der vom Tagesspiegel und der Berliner Bank veranstalteten Podiumsdiskussion „Berlin: Zukunftsorte und Zukunftsjobs“. Die Umwandlung müsse schnell gehen – „es darf nicht dasselbe wie in Tempelhof passieren“.

Theoretisch hat Tegel sogar noch bis Jahresende eine Betriebserlaubnis, Flugverkehr wird es nach dem Sommer aber nicht mehr geben. Ab 2013 soll ein Forschungs- und Industriepark für Zukunftstechnologien wie E-Mobilität und Solarenergie entstehen. Die Weddinger Beuth-Hochschule für Technik hat bereits angekündigt, vor allem Labore anzusiedeln. Senatorin von Obernitz regte jetzt erstmals an, den Standort „gar nicht politisch“ bis ins Detail hinein zu entwickeln, sondern eine Ausschreibung für Investoren zu starten. Darüber wolle sie in wenigen Tagen auch mit Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sprechen.

Die neue Landesregierung müsse „alle Kraft auf Tegel“ konzentrieren, forderte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zukunft Berlin und ehemalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer. In der Politik und Wirtschaft gebe es einen „für Berliner Verhältnisse unglaublichen Konsens“ zur Entwicklung des Industriestandorts. Berlin werde es aber nicht schaffen, mehrere große Zukunftsorte in der Stadt gleichzeitig umfassend zu entwickeln. Auf Nachfrage von Gerd Nowakowski, leitender Redakteur des Tagesspiegels und Moderator der Diskussion, bestätigte Hassemer auch, eine große innerstädtische Konkurrenz zwischen den Standorten müsse vermieden werden.

Die künftige „Europacity“ an der Heidestraße nördlich des Hauptbahnhofs sei wegen der Nähe zur Charité und zum Bayer-Schering-Standort in Wedding zwar ein viel versprechendes Gesundheitsquartier, fand Hassemer, doch wäre es ein Fehler, dort zusätzlich noch ein großes Kunstquartier zu planen. Die laufende Entwicklung des „Campus City-West“ rund um den Ernst-Reuter-Platz sei richtig, durch den dortigen Sitz der TU und der Universität der Künste biete sich die Gegend dafür an.

Eine zukunftsträchtige Nutzung ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht

Volker Hassemer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin.
Volker Hassemer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin.

© Thilo Rückeis

Eine zukunftsträchtige Nutzung des ehemaligen Flughafens Tempelhof „trauen wir uns in absehbarer Zeit nicht zu“, sagte der Stiftungschef. Viele Hoffnungen ruhen auf dem neuen Flughafen BER. Wirtschaftsforscher unterstützen diesen Optimismus: Der ganze Berliner Südosten werde nach der für Juni geplanten Eröffnung „eine hohe Eigendynamik entfalten“, sagte Michael Astor, Geschäftsführungsmitglied der Prognos AG. Durch eine gute Verkehrsanbindung und Infrastruktur und „interessante Wissenschaftsorte“ wie den nahe gelegenen Technologiepark Adlershof entstehe eine „Achse, an der sich sehr viel entwickeln kann“.

Gerade vor diesem Hintergrund hielt Volker Hassemer aber auch eine rasche Entwicklung in Tegel für unverzichtbar. Sonst „droht Reinickendorf ein enormer Bedeutungsverlust“. Die Landesregierung habe hier eine „Sorgepflicht“.

IHK-Präsident Eric Schweitzer wies darauf hin, das Berlin im bundesweiten Vergleich „ein Stück vom Rückstand aufgeholt“ habe. Das Wachstum habe in den vorigen sechs Jahren insgesamt 17 Prozent betragen – gegenüber zehn Prozent in den 50 anderen größten Städten Deutschlands. Junge und kreative Unternehmer kämen wegen der „starken Wissenschaft und Forschung“ gerne nach Berlin, und die Stadt investiere dafür rund 1,7 Milliarden Euro pro Jahr. Früher habe man „junge Menschen ausgebildet, konnte ihnen aber keinen Arbeitsplatz bieten“ – viele seien weggezogen. Nun gebe es „langsam eine Trendumkehr“: Absolventen blieben in der Stadt und machten sich selbstständig.

Senatorin von Obernitz versprach, sie wolle Berlins Stärken noch deutlicher machen und überregional „Klinken putzen“. Die größte Schwäche seien die begrenzten Möglichkeiten finanzieller Anreize: Unter den großen Wirtschaftszentren „können wir am wenigsten Geld bieten“.

Wirtschaftsforscher Michael Astor von der Prognos AG.
Wirtschaftsforscher Michael Astor von der Prognos AG.

© Thilo Rückeis

Nach Ansicht der Prognos AG ist Berlin in der Lage, bis 2020 etwa 170.000 neue Arbeitsplätze schaffen – insbesondere in ausgewählten „Kompetenzfeldern“ wie der Elektromobilität. Es werde aber nicht gelingen, große Autofabriken aus anderen Bundesländern zum Umzug zu bewegen, , sagte Astor. Frank Gilly, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Berliner Bank, hatte in einer Rede vor der Diskussion verlangt, Berlin müsse auch wieder Industriestandort werden: „Die Fokussierung auf Dienstleistung greift zu kurz.“

Die Wirtschaftssenatorin wies darauf hin, dass der Aufschwung auch „Konsequenzen für die Lebenshaltungskosten“ habe und beispielsweise Mietsteigerungen mit sich bringe. Die Chancen seien aber größer als die Risiken, „wir sollten darin keine Bedrohung sehen“.

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