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Berlin: Zulassungsstelle verwaist – die ganze Behörde auf Ausflug

Ein Auto anzumelden war gestern unmöglich – wegen „Personalentwicklung“. Hinter diesem Aushang verbarg sich eine Kaffeefahrt für 320 Mitarbeiter

Wer gestern einen neuen Wagen anmelden wollte, um am Wochenende damit ins Grüne zu fahren, hatte Pech. In ganz Berlin konnte am Freitag kein Auto zugelassen werden – weil die Behördenmitarbeiter sich einen Betriebsausflug genehmigten. Es war auch kein Notschalter besetzt, nur das Telefon – um Anrufer zu vertrösten. Wer dort am Freitag anrief, dem wurde beschieden, „aus dienstlichen Gründen“ sei heute geschlossen. So war es zuvor auch in der Kfz-Zulassungsstelle auf Aushängen und in einer Mitteilung an die Presse angekündigt worden; tituliert war der Betriebsausflug allerdings anders – als „Personalentwicklungsmaßnahme“. Das klang nach Fortbildung. Die Maßnahme bestand aber darin, dass die 320 Mitarbeiter am Morgen auf dem Alexanderplatz in vier Reisebusse stiegen und zu einem Tagesausflug nach Waren an der Müritz aufbrachen.

Nach Angaben der Innenverwaltung gibt es eine interne Anweisung, nach der in solchen Fällen ein Notbetrieb gewährleistet sein muss, „so dass Ansprechpartner zur Verfügung stehen“. Die Innenverwaltung ist zuständig für das Personal des öffentlichen Dienstes; das Recht auf Betriebsausflug wird dort nicht in Frage gestellt. Im Übrigen, so die Sprecherin der Innenverwaltung, Henrike Morgenstern, „gehört es auch in der Verwaltung zu den Grundprinzipien, dass die Mitarbeiter motiviert sein und Freude an der Arbeit haben sollen“. Wie in jedem anderen Betrieb gehöre dazu auch, sich einmal im Jahr zusammenzufinden. Das gute Arbeitsklima, das so entstehe, nütze auch dem Bürger.

Der Ausflug löste bei einigen Landespolitikern dennoch Kopfschütteln aus. „Bürgerfreundlich heißt auch, dass zumindest ein Notdienst da ist, bei dem in dringenden Fällen auch ein Auto angemeldet werden kann“, sagte SPD-Landeschef Michael Müller. Grundsätzlich lobte er die Behörde dennoch: „Beide Ämter sind schon viel kundenfreundlicher geworden. Das muss man anerkennen.“ Grünen-Sprecher Matthias Tang forderte ebenfalls mindestens eine Notöffnung – und dass die verlorenen Arbeitsstunden nachgearbeitet werden sollen. So ein Ausflug sei nur in Ordnung, wenn er ein reines Freizeitvergnügen sei und nicht vom Steuerzahler finanziert werden müsse. Unklar blieb gestern, wie hoch die Kosten der Kaffeefahrt waren und wer sie bezahlt.

Der gestrige Ausflugstag wurde als regulärer Arbeitstag gezählt. Die beiden Zulassungsstellen in Berlin öffnen freitags ohnehin nur bis 12 Uhr; der Rest des Tages sei nicht etwa Überstunden, sondern Freizeit, wie der Leiter des Landeseinwohneramtes Dietmar Wisotzky betont.

So ein Ausflug verbessere tatsächlich die Motivation der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft zu Veränderungen. Wisotzky sagt auch: „In den vergangenen Jahren hatten wir immer einen Notschalter, aber der wurde nicht frequentiert.“ Wie viele Menschen gestern vor verschlossenen Behördentüren standen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Freitags sei aber kaum Betrieb, so Wisotzky. „Die meisten Leute kaufen am Wochenende ihr Auto, deshalb ist es bei uns montags besonders voll. Und natürlich würden wir niemals wagen, einen Ausflug am Montag zu machen.“

Fatina Keilani

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